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Gentech-Allergene mit weniger Nebenwirkungen  
  Wer unter einer Pollenallergie leidet, kennt die typischen Beschwerden wie rinnende Nase, Augenjucken und Atemnot aus leidvoller Erfahrung. Eine Möglichkeit der Behandlung ist die so genannte Immuntherapie mit natürlichen Allergenen. Dabei kommt es allerdings häufig zu Nebenwirkungen. Ein Forscherteam unter der Leitung von Wiener Medizinern hat nun Gentech-Allergene von Birkenpollen hergestellt, um unter anderem diese Nebenwirkungen zu vermeiden. Erste Testergebnisse sind viel versprechend.  
Die Forscher um Rudolf Valenta vom Institut für Pathophysiologie der Universität Wien konzentrierten sich in ihrer Studie auf eine bestimmte, weit verbreitete Pollenallergie: Betroffene reagieren auf Birkenblütenpollen.
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Der Artikel von Valenta und Kollegen erscheint unter dem Titel "Vaccination with genetically engineered allergens prevents progression of allergic disease" als Online-Vorabpublikation in der "PNAS Early Edition" zwischen 9. und 13. August 2004 (doi:10.1073/pnas.0404735101).
->   PNAS Early Edition
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Allergie: Überreaktion des Immunsystems
Unter einer Allergie versteht man eine von der Norm abweichende, übersteigerte Reaktion des Immunsystems auf bestimmte Allergene - Stoffe, die diese Reaktion auslösen. Es "verwechselt" beispielsweise Bestandteile von Pollen mit Krankheitserregern und greift sie an.

Das Abwehrsystem bildet dazu eine besondere Art von Antikörpern: das Immunglobulin E (IgE). Dieses Eiweiß wiederum setzt Botenstoffe wie Histamin frei, die zu Entzündungsreaktionen führen.

Die Gefäße der Betroffenen weiten sich, Haut und Schleimhaut schwellen an. Symptome sind triefende Nasen, Hautreaktionen, Asthma, Heuschnupfen oder auch Schwellungen im Mund- und Rachenraum.
100 Mio. Menschen sind Birkenpollen-Allergiker
Bild: dpa
Beispiel Pollenallergie: Was ein Gesunder gar nicht spürt, belastet den Allergiker enorm. Schon 20 Pollen pro Kubikmeter Luft reichen aus, um typische Beschwerden wie rinnende Nase und Augenjucken hervorzurufen.

Mehr als 25 Prozent der Bevölkerung in den Industrieländern sind mittlerweile von einer Allergie betroffen, wie die Forscher um Rudolf Valenta in den PNAS schreiben. Über 100 Millionen Menschen weltweit reagieren beispielsweise auf die Pollen einer Birkenblüte (rechts im Bild zu sehen) mit allergischen Reaktionen.
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Immer mehr Allergiker - "Hygiene-Hypothese"
Gerade in Industrieländern - mit hohem Hygiene-Standard - wurde das Auftreten von Allergien in den vergangenen Jahren immer häufiger beobachtet. Meist wird für diese enorme Zunahme an Allergien die so genannte "Hygiene-Hypothese" als Erklärung herangezogen. In anderen Worten: Die Menschen leben "zu sauber". Vor allem der geringe Kontakt mit Bakterien und Parasiten soll demnach das Immunsystem zu wenig fordern - eine vermehrte Bildung von Antikörpern auf bestimmte Substanzen sei dann die Folge.
->   Mehr dazu: Asthma als Produkt übertriebener Hygiene (30.9.03)
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Spezifische Immuntherapie als Ansatz
Eine Möglichkeit der Behandlung sind spezifische Immuntherapien, bei denen dem Patienten das jeweilige natürliche Allergen gespritzt wird. Der kontrollierte Kontakt mit der die Allergie auslösenden Substanz soll die Empfindlichkeit des Körpers ihr gegenüber herabsetzen.
Nachteil: Häufig allergische Reaktionen
Doch dabei kann es auch zu mehr oder minder schweren Nebenwirkungen kommen. Der Körper reagiert mit Schwellungen, Asthmaanfällen oder anderen Schocksymptomen. Ein Grund, warum viele Patienten die Immuntherapie nach einiger Zeit abbrechen.
Alternative: Hypoallergener Gentech-Impfstoff
Um diese Nebenwirkungen zu vermeiden, entwickelten die Wissenschaftler um Valenta nun einen Impfstoff auf Basis des hauptsächlichen Allergien auslösenden Bestandteils von Birkenpollen, Betv1.

Dieser wurde allerdings gentechnisch so modifiziert bzw. "abgeschwächt", dass er hypoallergen war - also möglichst wenig Allergie auslösende Substanz enthielt.
Neues Vakzin im klinischen Test
In Doppelblindstudien testeten die Wissenschaftler ihren Impfstoff an insgesamt 124 Erwachsenen, Kontrollgruppen wurden jeweils mit einem Placebo behandelt. Die Versuchsteilnehmer wurden ein Jahr lang beobachtet und untersucht.

Die Probanden erhielten jeweils eine Dosis des Vakzins vor dem Höhepunkt der Birkenpollensaison. Danach wurde im Verlauf von zwölf Monaten überwacht, ob Antikörper als Hinweis auf allergische Reaktionen zu finden waren.
Weniger Nebenwirkungen, schwächere Symptome ...
Tatsächlich stellten die Forscher bei dem mit dem Gentech-Allergen behandelten Testpersonen einen Anstieg so genannter IgG-Antikörper fest, die allergische Reaktionen unterdrücken. Und wie erhofft zeigten sich weniger allergische Nebenwirkungen.

Im Detail: Die schützenden IgG-Antikörper unterdrückten die durch Allergene eingeleitete Freisetzung der "Entzündungs-Mittler" Histamin und Co, wie die Forscher schreiben. Beobachtet wurde auch eine geringere Sensitivität der Haut.

Die Symptome der mit dem neuen Impfstoff behandelten Patienten haben sich nach Angaben der Wissenschaftler ebenfalls zum Besseren gewandt. Und besonders wichtig: Ihr Immunsystem bildete deutlich weniger IgE-Antikörper.
Prophylaktische Impfung als Zukunftsausblick
"Die Impfung mit gentechnisch hergestellten Allergen-Derivativen ist eine Allergietherapie, die nicht nur allergische Reaktionen verbessert, sondern auch die der Erkrankung zugrunde liegende IgE-Produktion reduziert", lautet das Resümee der Mediziner.

Ihre Ergebnisse könnten zur Entwicklung effektiverer Allergie-Impfungen führen und einst vielleicht sogar die prophylaktische Vakzination ermöglichen, so die Forscher.
->   Institut für Pathophysiologie der Universität Wien
->   Mehr zu Allergien in medicine-worldwide.de
Mehr zu diesem Thema im science.ORF.at-Archiv:
->   Impfung: Allergien von Anfang an verhindern (21.6.04)
->   Allergien: DNA-Impfstoffe als Therapie der Zukunft (25.3.04)
->   Weihnachtsgebäck kann Pollenallergiker gefährden (5.12.03)
->   Insektengift-Allergie: Wenn ein Stich zur Gefahr wird (26.8.03)
->   Nahrungsmittelallergie: Weniger häufig als angenommen (23.5.03)
 
 
 
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01.01.2010