News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Bestehende Technik kann CO2-Ausstoß stabilisieren  
  Zwischen zwei und fünf Grad Celsius wird sich laut Prognosen die durchschnittliche Erdtemperatur im kommenden Jahrhundert erhöhen. Verantwortlich dafür ist vor allem der Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen. Bedenkt man die drohenden Konsequenzen - Anstieg der Meeresspiegel, längere Hitzewellen etc. -, so stellt sich die Frage, ob es noch einen realistischen Ausweg gibt. US-Forscher meinen ja: Mit den bestehenden Technologien könnte der CO2-Ausstoß der nächsten 50 Jahre auf dem heutigen Niveau gehalten werden.  
15 Strategien: Von Effizienzsteigerung bis Atomkraft
Stephen Pacala und Robert Socolow von der Princeton University wollen mit ihrer in "Science" vorgestellten Studie vor allem dem Mythos begegnen, wonach neue Techniken nötig wären, um den weltweiten Bedarf an mehr Energie in den Griff zu bekommen.

Sie meinen, dass durch die Kombination von 15 bereits jetzt existierenden Technologien - u.a. effizientere Energienutzung, Umstieg auf erneuerbare Energien, aber auch Ausbau von Atomkraftwerken - die nötigen Energien gewonnen werden könnten. Zugleich könnte der weitere Anstieg an Kohlendioxid-Emissionen eingedämmt werden.

Pikanterweise wird ihre Studie u.a. vom Energiehersteller BP und dem Automobilmulti Ford unterstützt.
...
Die Studie "Stabilization Wedges: Solving the Climate Problem for the Next 50 Years with Current Technologies" ist in "Science" (Bd. 305, S. 608, Ausgabe vom 13. August 2004) erschienen.
->   "Science"
...
Immer mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre
Die Gründe für ein globales Umdenken liegen laut den Forschern von der "Carbon Mitigation Initiative" ihrer Uni auf der Hand: Lag der Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre in der vorindustriellen Zeit bei rund 280 ppm (parts per million), so befindet er sich zur Zeit bei rund 375 ppm.

Sollten ihre vorgeschlagenen Maßnahmen getroffen werden, ergäbe sich noch immer ein Anstieg auf 500 ppm - wenn nichts geschieht, sei mit einer Verdreifachung des ursprünglichen Werts zu rechnen.
Erdtemperatur steigt um mindestens 2,4 Grad an
Und das führe zu den von Computersimulationen bekannten Konsequenzen auf das Weltklima: dem Abschmelzen der Polarkappen, den Strömungsänderungen in den Weltmeeren, der Zunahme extremer Wetterperioden und allgemein der globalen Erwärmung.

Gingen die Schätzungen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), bisher von einem Anstieg zwischen 1,4 Grad und 5,8 Grad Celsius in den nächsten 100 Jahren aus, so hat ein Forscherteam um James Murphy vom Hadley Centre for Climate Prediction and Research in Großbritannien diese Spannweite im aktuellen "Nature" präzisiert.

Ihnen zufolge wird sich die Erde im nächsten Jahrhundert um mindestens 2,4 Grad Celsius und um maximal 5,4 Grad erhöhen.
...
Die Studie "Quantification of modelling uncertainties in a large ensemble of climate change simulations" von James Murphy und Kollegen ist in "Nature" (Bd. 430, S. 768, Ausgabe vom 12. 8. 2004) erschienen.
->   Original-Abstract in "Nature"
...
Verdoppelung des CO2-Ausstoßes zu erwarten
 
Grafik: Science

Diagramm zu den Kohlendioxid-Emissionen

Hauptansatzpunkt der Studie von Stephen Pacala und Robert Socolow aus Princeton ist der Ausstoß von Kohlendioxid, verursacht in erster Linie durch das Verbrennen von Öl, Gas oder Kohle.

Werden derzeit rund sieben Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr ausgestoßen, so werden es aufgrund gesteigerter Bevölkerungszahlen und höherem Energiebedarf in 50 Jahren prognostizierte 14 Milliarden sein.
Sieben von 15 Strategien sind zu kombinieren
Um die Emissionen stabil zu halten, müssen bis ins Jahr 2054 sukzessive bis zu sieben Milliarden Tonnen pro Jahr eingespart werden. Jede ihrer vorgestellten 15 Technologien oder Strategien habe das Potenzial, um eine Milliarde Tonnen Kohlenstoff-Emissionen zu sparen.

Sieben also seien in Kombination nötig, um das Ziel zu erreichen. Welche dies sind, dazu äußern die Forscher keine Präferenzen.
Effizienzsteigerung, andere Energieträger, Kohlenstoffspeicher ...
Die 15 Technologien und Strategien unterscheiden die Forscher wiederum in mehrere Untergruppen:

1) Effizienzsteigerung: Darunter fällt die Verdoppelung der Effizienz von zwei Milliarden Autos weltweit; die Reduktion des Autogebrauchs um die Hälfte; die verbesserte Energieeffizienz von Wohn- und Geschäftshäusern sowie eine Erhöhung der Wirksamkeit von Kohlekraftwerken.

2) Wechsel des Energieträgers: die Ersetzung von 1.400 Kohlekraftwerken durch Gaskraftwerke, was einer Vervierfachung ihrer derzeitigen Anzahl bedeuten würde sowie die Verdoppelung der Anzahl von Atomkraftwerken von derzeit 700.

3) Anwendung bestehender Technologien zur Kohlenstoffbindung und -speicherung etwa bei Kohle- oder Wasserstoffkraftwerken.
... erneuerbare Energien, Kohlenstoffsenken
4) Forcierung erneuerbarer Energien: zwei Millionen neue Windmühlen größeren Typs, was ihre derzeitigen Kapazität um den Faktor 50 übertreffen würde (Landbedarf dafür: 30 mal 10 hoch 6 Hektar); 700 mal mehr Solaranlagen als heute; zusätzlich 40.000 Quadratkilometer Solarflächen (oder weitere vier Millionen Windmühlen) zur Produktion von Wasserstoff für Autos mit Brennstoffzellen; schließlich 50 mal größere Produktion von Ethanol durch Biomasse-Plantagen (in einem Ausmaß von einem Sechstel des weltweiten Ackerlandes).

5) Schaffung von Kohlenstoffsenken: einerseits durch einen Stopp der Abholzung der tropischen Regenwälder (samt Wiederaufforstung) und andererseits durch einen schonungsvolleren Umgang mit den Böden bei der Umwandlung von Grasland zu Ackerland.
...
Mehr Hitzewellen
Eine der Konsequenzen des Klimawandels wird nach Ansicht von Forschern die Zunahme von Hitzewellen sein. Diese würden in Teilen Europas und in Nordamerika öfter auftreten, länger andauern und dabei heißer sein als bisher, berichten Meehl und Claudia Tebaldi vom Zentrum für Atmosphärenforschung in Boulder/USA ebenfalls in der aktuellen Ausgabe von "Science" (Bd. 305, S. 994).
->   Mehr dazu: (13.8.04)
...
Kosten nicht berücksichtigt
Einziger Haken der Berechnungen: Die Autoren haben die Kosten für die Umstellung auf die 15 Schlüsseltechnologien explizit nicht berücksichtigt.

Ganz allgemein würden sich aber eine Reihe von Vorteilen für die US-Ökonomie ergeben: die Schaffung neuer Industrien, die Reduktion der Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas sowie weniger Umweltschutzsausgaben in der Zukunft.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Carbon Mitigation Initiative (Princeton University)
->   Hadley Centre for Climate Prediction and Research
->   IPCC
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema "Klimaerwärmung"
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010