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Neue Bücher im Olympia-Jahr 2004  
  Olympia gilt als das am besten dokumentierte und beschriebene Heiligtum der Antike. Dennoch wurde der Wettbewerb um das beste olympische Buch im heurigen Olympia-Jahr besonders intensiv ausgetragen. Eine ganze Reihe von Publikationen mischt dabei Altbekanntes mit neuen Interpretationen - etwa dass der Ursprung des antiken Festes im Herakult und nicht bei den männlichen Göttern Griechenlands liegen könnte.  
Die Althistorikerin Rosmarie Günther, der FAZ-Redakteur Michael Siebler und der Grabungsleiters an den historischen Olympischen Stätten, Ulrich Sinn, sind drei der Autoren, die 2004 zu den Spielen des Altertums publiziert haben.

Eine Goldmedaille kann an dieser Stelle nicht eindeutig vergeben werden (das ist ohnehin eine Erfindung der Neuzeit), denn alle drei Bücher liefern übersichtliche Einführungen in Geschichte, Ablauf, Organisation und Topographie von Olympia - samt reichlicher Bebilderung.
Pausanias: "Baedeker der Antike"
Nicht nur wegen der Schmalheit des Bandes ist Günthers "Olympia. Kult und Spiele in der Antike" auch als Reiseführer zu empfehlen. Günther folgt in weiten Teilen den Beschreibungen des Pausanias, der gerne als "Baedeker der Antike" bezeichnet wird.

Auch wenn die Experten mittlerweile geteilter Meinung sind, ob der griechische Geschichtsschreiber aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. überhaupt alle Stätten bereist hat, die er in seinen zehn Bänden beschreibt, beruht doch ein Großteil unseres Wissens über die Olympischen Spiele auf seinen Zeilen.
Hera als weiblicher Ursprung der Spiele

Günther jedenfalls vertraut Pausanias, folgt seinen Spuren durch das sakrale Zentrum Olympias, die so genannte Altis, und beschreibt dabei Kult und Kultstätten. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen vertritt sie bei der Frage nach dem Ursprung des Festes eine weibliche Variante.

Folgen Siebler und Sinn den männlichen Ursprungsmythen um Pelops und Herakles, die später in der Verehrung des Göttervaters Zeus kulminierten, so setzt Günther auf eine andere Herkunftsgeschichte. Ihr zufolge ist der Heratempel der älteste Tempel in Olympia und Hera die "Herrin der Altis".
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Rosmarie Günther: Olympia. Kult und Spiele in der Antike, Primus Verlag, Darmstadt 2004, 176 S.
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Heraien: Lauf über 160 Meter
Dafür sprechen die so genannten Heraien, in der Literatur meist vernachlässigte Wettkämpfe für Jungfrauen, die zwischen zwei Olympiaden zur Ehre der Hera abgehalten wurden.

Dabei handelte es sich um einen Lauf über eine Distanz von rund 160 Meter (die Länge des klassischen "Stadionlaufs" der Männer betrug 192 Meter) unter dem späteren Schutz der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter.
Später setzten sich die Männer - und Zeus - durch
Noch ehe die Olympischen Spiele in ihre klassische Phase eintraten, rückte dieser "Ursprung" (Günther) in den Hinter- und der Zeuskult in den Vordergrund.

Günther moniert denn nicht nur die "männlich orientierte Sichtweise" ihrer Historiker- und Archäologie-Kollegen, sondern kann sich auch einen Verweis auf die Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit nicht verkneifen.

Denn schon Pierre de Coubertin hielt die Zulassung von Frauen zu einem Fest, das er als "zeremonielle Feier männlichen Athletentums" beschrieb, für eine "negative Entwicklung".
Wissenschaftshistorische Bedeutung
Michael Siebler betont in "Olympia. Ort der Spiele, Ort der Götter" die wissenschaftshistorische Bedeutung der archäologischen Anstrengungen. "Keine andere deutsche Ausgrabung im Ausland war so eng mit der deutschen Geschichte und dem deutschen Nationalbewusstsein verbunden" wie jene in Olympia.
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Michael Siebler: Olympia. Ort der Spiele, Ort der Götter, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2004, 268 S.
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Verstrickungen von Deutschland und Griechenland

Seit 1875 wird sie vom deutschen archäologischen Institut (DAI) auf Grund eines Staatsvertrages zwischen Deutschland und Griechenland vorgenommen.

Die Ursachen für diese Verstrickung liegen laut dem FAZ-Redakteur und ehemaligen DAI-Mitarbeiter nicht nur in der romantischen Idee einer "Seelenverwandtschaft" zwischen Deutschen und antiken Griechen, die sich etwa in der Analogie der zerstrittenen griechischen Poleis bzw. der deutschen Kleinstaaten im 19. Jahrhundert ausdrückt, sondern auch in der konkreten imperialistischen Politik des 1871 geeinten Reichs.

Und auch die wissenschaftsjournalistische Leistung der Ausgrabungen ist Siebler eine Ausführung wert: Nie zuvor seien Forschungsergebnisse der Archäologie schneller publiziert worden als jene von Olympia.
Olympia bestens dokumentiert

Aber nicht nur schnell wurde publiziert, sondern auch in großer Zahl. "Über kein anderes Heiligtum der antiken Welt sind wir so gut informiert", fasst dies Ulrich Sinn in "Das antike Olympia. Götter, Spiel und Kunst" zusammen.

Der Leiter der DAI-Ausgrabungen in Griechenland liefert eine anschauliche Einführung in die "Wiederentdeckung Olympias durch die Wissenschaft", die bereits lange vor Coubertin begann - in der englischen Grafschaft Gloucestershire wurde schon im frühen 17. Jahrhundert nach antikem Vorbild die "Olimpic Games upon Cotswold Hills" abgehalten.
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Ulrich Sinn: Das antike Olympia. Götter, Spiel und Kunst, Verlag C.H. Beck, München 2004, 280 S.
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Bevorzugte Bühne für Politiker, Künstler und Gelehrte
Zudem macht er deutlich, warum Olympia - als Orakelsitz des Kriegsgottes Zeus, der fortwährend um Rat gebeten wurde - für Politiker, Künstler und Gelehrte eine bevorzugte Bühne ihrer Auftritte war.

Auf der Gästeliste der rund 1.200 Jahre währenden Festspiele befanden sich Namen wie Platon, Alkibiades oder Nero, die Olympia aus sehr unterschiedlichen Motiven besuchten. Zweifellos kommen in den nächsten Wochen bei der neuzeitlichen Olympia-Variante einige Prominente hinzu.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
Mehr zu dem Thema:
->   Die Antike als Phantom (ORF.at; 13.8.04)
->   Wie alles begann (sport.ORF.at)
->   Peter Filzmaier: Olympia und Politik (11.8.04)
 
 
 
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01.01.2010