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Deutschland: Zahlreiche Steinzeit-Schädel falsch datiert  
  Zahlreiche Steinzeit-Schädel in Deutschland sollen weit jünger sein als bisher behauptet. Ein Frankfurter Anthropologe hat demnach bedeutende Fundstücke um Zehntausende Jahre zu alt geschätzt.  
Das berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" am Montag mit Verweis auf neue radiologische Datierungen der britischen Universität Oxford.

Statt mehr als 30.000 Jahre seien die Schädel zum Teil nur wenige tausend Jahre alt, wie eine Überprüfung mit der so genannten Radiokarbon-Methode (C-14-Methode) ergeben habe. Der Anthropologe Reiner Protsch von Zieten bestritt die neuen Untersuchungsergebnisse.
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Bereits Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung
Protsch von Zieten sorgt bereits seit längerem für Ärger an der Universität Frankfurt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit April gegen den Leiter des Frankfurter Instituts für Anthropologie wegen Unterschlagung. Seine eigene Universität hatte ihn angezeigt: Er soll versucht haben, eine Sammlung von mehreren hundert Affenschädel-Teilen zu verkaufen. Nach Darstellung des Universitätskanzlers gehören sie der Hochschule. Inzwischen hat der Anthropologe Hausverbot. Der Beschuldigte selbst sprach von "Mobbing" und "Intrige" - wie laut "Spiegel" auch jetzt.
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Neues Bild für die Anthropologie?
"Die Anthropologie muss jetzt ein neues Bild des anatomisch modernen Menschen in dem Zeitraum zwischen 40.000 und 10.000 zeichnen", sagte der Greifswalder Archäologe Thomas Terberger am Montag.

Der Neandertaler von Hahnöfersand sei statt 36.300 nur 7.500 Jahre alt, bestätigte der ehemalige Leiter des Hamburger Helms-Museums, Ralf Busch. Die Frau von Binshof-Speyer ist dem "Spiegel" zufolge nicht 21.300 Jahre alt, sondern habe 1.300 vor Christus gelebt.

Der Schädel von Paderborn-Sande ("der älteste Westfale") sei nicht 27.400 Jahre alt, sondern der Mensch sei um 1.750 nach Christus gestorben.
Auch andere Fossilien weit jünger?
Auch andere im Frankfurter Labor des Wissenschafters datierte Fossilien könnten viel jünger sein, glauben Terberger und sein Neuwieder Kollege Martin Street, die die Neudatierung angestoßen hatten.

Leider habe man nach dem "Aussortieren der faulen Eier" kaum noch bedeutende Menschenfunde aus dem Zeitraum zwischen 40.000 und 30.000, sagte Terberger. "Es ist Schaden angerichtet worden für die Wissenschaft."

Ältester Knochenfund in Deutschland ist nach Angaben des "Spiegels" nun ein Skelett aus der mittleren Klausenhöhle in Bayern mit 18.590 Jahren.
->   Institut für Anthropologie der Universität Frankfurt
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01.01.2010