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Schlüsselmolekül für Autoimmunerkrankungen  
  Bei den so genannten Autoimmunerkrankungen, zu denen etwa Multiple Sklerose und Arthritis gezählt werden, richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper - chronische Entzündungen sind die Folge. Ein Forscherteam aus Österreich und den USA hat nun entdeckt, dass ein bestimmtes Protein - genannt Cbl-b - eine entscheidende Rolle bei der Verhinderung von Autoimmunerkrankungen spielt.  
Die Forscher um Josef Penninger vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW in Wien und Yun-Cai Liu vom La Jolla Institute for Allergy & Immunology (LIAI) in San Diego (Kalifornien) stellten in ihren Untersuchungen fest, dass das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein des Moleküls Cbl-b entscheidend für die Erkrankung an Arthritis ist.

Die Forschungsergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals "Immunity" publiziert, wie die Österreichische Akademie der Wissenschaften am Montag in einer Aussendung mitteilte.
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Die Studie erscheint unter dem Titel "Essential Role of the E3 Ubiquitin Ligase Cbl-b in T Cell Anergy Induction" in "Immunity", Bd. 21, Seiten 167-177, Ausgabe vom 18. August, 2004.
->   "Immunity"
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Entgleisung des Immunsystems
Autoimmunerkrankungen treten auf, wenn das Immunsystem sich fälschlicherweise gegen den eigenen Körper wendet. Während es normalerweise dazu dient, Bakterien, Viren und andere Fremdkörper unschädlich zu machen, ist es in diesen Fällen tatsächlich falsch programmiert:

Die Immunzellen lassen sich täuschen und können nicht mehr zwischen "selbst" und "fremd" unterscheiden. Die Folgen des Angriffs auf körpereigenes Gewebe sind Krankheiten wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis und andere Leiden.

Welche Mechanismen und Signale im Detail dazu führen, dass die körpereigenen Abwehrzellen verrückt spielen, ist noch weitgehend ungeklärt. Experten gehen aber davon aus, dass häufig eine genetische Veranlagung vorliegt.
->   Mehr dazu in www.medicine-worldwide.de
Protein kontrolliert Immuntoleranz
Im Rahmen der aktuellen Studie von Penninger und Kollegen konnte nun bei Mäusen ein für diese Abläufe entscheidender Faktor, das Cbl-b-Protein, bestimmt und auch der Funktionsmechanismus aufgeklärt werden.

Das Molekül kontrolliert die Immuntoleranz gegen den eigenen Körper. "Es sagt unseren weißen Blutkörperchen, und zwar unseren T-Zellen, dass sie unseren Körper nicht attackieren sollen," so Penninger gegenüber dem ORF-Radio.
Studie an Mäusen mit und ohne Cbl-b
Ihre Untersuchungen führten die Forscher an zwei Gruppen von Mäusen durch. Bei der einen Gruppe war durch genetische Veränderung das Cbl-b-Molekül entfernt worden, die andere Gruppe bestand aus normalen Mäusen, die über das Protein verfügten.
Ohne Protein schwere Autoimmunerkrankungen
Beide Gruppen wurden mit Substanzen behandelt, die Arthritis auslösen. Es zeigte sich, dass unter diesen Bedingungen die normalen Mäuse keinerlei Reaktion zeigten.

Ganz anders die Mäuse ohne Cbl-b-Molekül: "Das wurde nicht nur in Zellkulturen oder im Reagenzglas nachgewiesen, sondern die Hälfte unserer Mäuse fiel tot um", so Penninger. "Dieses Protein entscheidet, ob wir - wenn unser Körper z.B. ein Virus oder ein Bakterium sieht und ein zweites Mal darauf trifft - ob wir dann leben oder sterben, weil unser Immunsystem überreagiert."
Einfluss auf Immunantwort der T-Zellen
"Wir schließen daraus, dass das Cbl-b-Molekül die Immunantwort der T-Zellen beeinflusst und dem Immunsystem der normalen Mäuse die Fähigkeit verleiht, die Erreger der Autoimmunkrankheiten zu bekämpfen", erklärten die Wissenschaftler.

Die Mäuse, bei denen kein Cbl-b-Molekül vorhanden war, konnten diese Substanzen nicht tolerieren, und ihre T-Zellen begannen, ihr eigenes Körpergewebe anzugreifen, was zur Ausbildung von Autoimmunerkrankungen führte.
Neue Strategien gegen Autoimmunerkrankungen
Ziel der Forscher ist es, die sehr komplexen molekularen Mechanismen bei der Verhinderung von Autoimmunreaktionen durch Cbl-b zu verstehen. Die Forschungsergebnisse stellten einen wichtigen Schritt bei der Aufklärung der Entstehung von Autoimmunkrankheiten dar, hieß es in der Aussendung.
Selbst Therapien gegen AIDS denkbar
Ob der an Mäusen nachgewiesene Mechanismus tatsächlich beim Menschen relevant ist, will Penninger nun in Zusammenarbeit mit einem europäischen Forscher-Netzwerk untersuchen. Die Erkenntnisse über Autoimmunerkrankungen könnten zudem für die Therapie von Krebs oder AIDS von Bedeutung sein:

"Wir wollen Cbl-b selektiv abschalten. Wir wollen davon lernen, dass man die weißen Blutkörperchen scharf macht, wenn Cbl-b fehlt. Das wollen wir, damit wir den weißen Blutkörperchen sagen können: Jetzt könnt Ihr HIV attackieren, oder Malaria oder Tumoren", umschreibt Penninger die Idee.

Die Arbeiten wurden von der Akademie der Wissenschaften, dem Wissenschaftsministerium und der EU (EuroThymaid Network) unterstützt.
->   Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA)
->   La Jolla Institute for Allergy & Immunology (LIAI)
->   Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Wie Infektionen Autoimmunerkrankungen auslösen (14.11.03)
->   Tropischer Parasit gegen Autoimmun-Erkrankungen (17.3.03)
->   Autoimmunerkrankung: Entgleisung des Immunsystems (26.4.02)
 
 
 
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01.01.2010