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"Marathon-Mäuse" aus dem Gentech-Labor  
  Die Veränderung eines einzelnen Gens macht ganz normale Mäuse zu leistungsfähigen Ausdauersportlern, wie zwei US-Forschergruppen berichten. Die Versuche sollen eigentlich zu Medikamenten gegen Muskel- oder Stoffwechselkrankheiten führen. Mindestens eine der beiden vorgestellten Methoden könnte jedoch auch als Dopingmittel im Sport missbraucht werden.  
Die Ergebnisse der Forscher sind im "Open Access"-Journal "Public Library of Science (PloS) Biology" erschienen.
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Die beiden Studien Loss of Skeletal Muscle HIF-1a Results in Altered Exercise Endurance von S. Mason et al. sowie Regulation of Muscle Fiber Type and Running Endurance von Y. Wang et al. sind am 23. August 2004 online in den "PLoS Biology" erschienen.
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Weitaus größere Ausdauer
Die Marathon-Mäuse des Teams um Ronald Evans vom Salk Institute im kalifornischen San Diego rannten in Laufrädern bis zu 1.800 Meter, bevor sie erschöpft waren - doppelt so weit und doppelt so lange wie ihre normalen Artgenossen.

Die Super-Nager der Forschergruppe um Randall Johnson von der Universität von Kalifornien in San Diego (UCSD) wiederum paddelten in Schwimmtests bis zu drei Stunden und fünfzehn Minuten am Stück. Ihre normalen Artgenossen schafften lediglich bis zu zweieinhalb Stunden.
Energie aus der Fettverbrennung
Um aus normalen Mäusen Ausdauersportler zu machen, hatten die Forschergruppen verschiedene Wege beschritten. Beide führten dazu, dass die Mäusemuskeln ihre Energie vorrangig aus dem Verbrennen von Fett zogen, anstatt unter bestimmten Bedingungen auch Zucker zu verwerten.
Die "richtigen" Muskelfasern als Trick
Evans Team veränderte ein Gen, wodurch die transgenen Tiere einen deutlich höheren Anteil der Muskelfasern vom Typ I aufwiesen als ihre normalen Artgenossen. Diese so genannten langsamen Fasern erzeugen Energie aus Fett und ermüden nicht so rasch wie "schnelle" Muskelfasern vom Typ II, die vorwiegend Zucker verbrennen.

Die Forscher untersuchten die Auswirkungen, die durch die Veränderung bzw. Aktivitätssteigerung eines das Protein PPAR-delta kodierenden Gens hervorgerufen werden. Dieses wiederum reguliert zahlreiche andere Gene. Bekannt war bereit, dass PPAR-delta die Fettverbrennung des Körpers steigert.

"Wir dachten, dass die Zunahme in PPAR-delta-Aktivität es den Muskeln ermöglichen würde, mehr Fett zu verbrennen", erklärte Evans in einer Aussendung. "Aber wir erwarteten nicht, dass es dies durch eine Zunahme der langsamen Fasern erreichen würde."
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Nebeneffekt: Mäuse bleiben auch bei "Fett-Diät" schlank
Ein im Rahmen der Studie beobachteter Nebeneffekt: Die Mäuse mit erhöhter PPAR-delta-Aktivität waren gleichsam resistent gegenüber einer Gewichtszunahme durch besonders fettreiche Kost. Nach Angaben der Forscher nahmen die Nager dabei - im Gegensatz zu ihren unbehandelten Artgenossen - nicht zu, obwohl beide Gruppen die gleiche Nahrungsmenge zu sich nahmen und gleichermaßen aktiv waren. Ihre Resistenz sei demnach nicht einfach auf mehr "sportliche Aktivität" zurück zu führen.
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Missbrauch könnte möglich sein
Er sei selbst erstaunt gewesen, dass die Veränderung eines einzelnen Gens die gleichen Effekte erzielt habe, die beim Menschen erst nach jahrelangem Ausdauertraining eintreten, berichtet Evans.

Die Ergebnisse könnten demnach Menschen zugute kommen, die durch schwere Erkrankungen keinerlei Sport treiben können. Doch natürlich ist auch ein Missbrauch durch Athleten nicht ausgeschlossen.
Experimentelle Substanz existiert bereits
Tatsächlich gibt es nach Angaben von Evans und Kollegen bereits eine experimentelle Substanz namens GW501516 der Pharmafirma GlaxoSmithKline, die das betreffende Protein aktiviert. Im Test der Forscher zeigte die Substanz denn auch ganz ähnliche Effekte, wie sie zuvor bei den transgenen Mäusen beobachtet worden waren.
->   Salk Institute for Biological Studies
Studie II veränderte Stoffwechsel
Das Forscherteam um Randall Johnson hingegen hat mit dem Ausschalten eines Genes nicht die Fasertypen, sondern lediglich den Stoffwechsel der Muskeln verändert. Bei gleich bleibender Zusammensetzung konnten die Muskeln der Nager nicht mehr von der Fettverbrennung auf Zuckerverbrauch umschalten.
Von Nachteil beim Bergab-Laufen
Im Laufbandtest schnitten die Mäuse ohne das Gen HIF-1 bergauf besser ab, waren aber bergab unterlegen. Denn beim Bergab-Laufen seien die Muskeln - ähnlich wie beim kurzen Sprint zum Bus - auf die schnelle Energie aus der Verbrennung von Zucker angewiesen, berichten die Forscher.
Massive Muskelschäden als Folgen
Die Methode hat allerdings auch recht gravierende Nachteile: Nach vier Tagen kontinuierlicher Tests seien bei den Nagern massive Muskelschäden aufgetreten, berichten Johnson und Kollegen.

Dann konnten die transgenen Mäuse beim Schwimmen oder Laufen mit den normalen Artgenossen nicht mehr mithalten.
->   Division of Biological Sciences der UCSD
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01.01.2010