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Alpbach: Die Grenzen der Europäischen Integration  
  "Grenzen" sind das dominierende Thema beim diesjährigen Forum Alpbach. Unter anderem wird der Begriff im Bereich des Europäischen Integrationsprozesses ausgelotet. Bei einem Seminar soll eine Momentaufnahme über den Status quo der Europäischen Union und eine Projektion auf künftige Entwicklungen gegeben werden. Geographischen, politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und budgetären Aspekten dieses Prozesses geht Elisabeth Tichy-Fisslberger vom Außenministerium vorab in einem Gastbeitrag nach.  
Status Quo und künftige Entwicklungen
Von Elisabeth Tichy-Fisslberger

Die Mitgliedschaft zur Europäischen Union definiert sich nicht in erster Linie nach der Landkarte. Sie ist Ausdruck einer Wertegemeinschaft und des politischen Willens zur Teilnahme an dieser Wertegemeinschaft, aber auch Anerkennung für einen bestimmten wirtschaftlichen und politischen Entwicklungsstand.

Auf welcher Seite dieser Trennlinie liegen die neuen Staaten auf dem Balkan, die Türkei, Moldawien, Belarus? Welche Zukunftsperspektiven kann und soll die Europäische Union ihnen - nicht zuletzt im wohlverstandenen Eigeninteresse - anbieten? Wie viel Zeit sollte für die Verwirklichung dieser Zukunftsperspektiven veranschlagt werden?
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Elisabeth Tichy-Fisslberger, stellvertretende Leiterin der Sektion für Wirtschafts- und Europapolitik im Außenministerium, hält beim diesjährigen Europäischen Forum Alpbach gemeinsam mit Andrew Fielding, Europäische Kommission/Brüssel, ein Seminar zum Thema "The Limits of European Integration" (20.-25.8. 2004). science.ORF.at stellt dieses und weitere Seminare in Form von Gastbeiträgen vor.
->   Europäisches Forum Alpbach
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Braucht "Europäische Verfassung" ein Wir-Gefühl?
Unter dem Titel der politischen Grenzen des europäischen Integrationsprozesses gilt es auch, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der im Juni ausverhandelte "Vertrag über eine Europäische Verfassung" den gern gebrauchten Kurztitel "Europäische Verfassung" verdient.

Setzt eine "europäische Verfassung" eine europäische Öffentlichkeit, ein europäisches Wir-Gefühl voraus, das auch die Bereitschaft zu grenzüberschreitender europäischer Solidarität einschließt?

Könnte die europäische Verfassung bei ihrem Inkrafttreten einen Qualitätssprung des europäischen Integrationsprozesses auslösen oder wird sie - wie frühere Verträge - nur einen weiteren Schritt auf einem langen Weg darstellen? Wie weit wäre der Weg zum gelegentlich zitierten "Europäischen Superstaat"? Wie viel Europa sieht die "europäische Verfassung" vor und wie viel europäische Gemeinsamkeit wünschen sich Europas Bürger?
Herausforderungen der Zukunft
Wofür soll Europa zuständig sein: gemeinsame Werte, Wohlstand - innere und äußere Sicherheit sind wenig bestrittene Zielvorstellungen, aber wie steht es mit den Bereichen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, soziale Sicherheit, Steuerwesen, natürliche Ressourcen?

Was sind die großen Herausforderungen der Zukunft und welche Instrumente hat/braucht Europa, um sich ihnen zu stellen? Welche Themen sind für welche Staaten sensibel? Wie viel muss / wie wenig darf Europa kosten?
Unterschiedliche Vorstellungen über Grenzen
Inwieweit unterscheiden sich die Vorstellungen über die "politischen Grenzen" des europäischen Integrationsprozesses von einem Mitgliedsstaat zum nächsten - und wo liegen die Ursachen dieser Perzeptionsunterschiede?

Welche Spuren haben die Grenzen des Römischen Reichs, die Aufklärung, das Kolonialzeitalter, der Zweite Weltkrieg, der Kalte Krieg bis heute hinterlassen? Werden diese Spuren durch die europäische Medienlandschaft verstärkt? Kann es ein Europa ohne europäische Medien geben?
Grundgedanke Subsidiarität
An welche Grenzen stößt ein Rechtsraum für eine halbe Milliarde Menschen? Wo kann der goldene Mittelweg zwischen rechtlicher Vereinheitlichung und "unlauterem Wettbewerb der Rechtsordnungen" liegen?

Das so genannte Subsidiaritätsprinzip besagt, dass jede politische Maßnahme auf der für sie geeignetsten Ebene getroffen werden soll: EU - Nationalstaat - Regionen - Gemeinden. An welche Grenzen stößt die Anwendung dieses selbstverständlich erscheinenden Grundgedankens?
Gratwanderung zwischen Grenzziehung und -überschreitung
Wie wahrscheinlich ist ein Europa der "variablen Geometrie", in dem innerhalb eines bestimmten rechtlichen Rahmens nicht alle Mitgliedstaaten an allen politischen Projekten teilnehmen? Wären "verstärkte Zusammenarbeiten" dieser Art eher "Versuchslabors für alle" oder Alleingänge einzelner?

Auch beim diesjährigen Forum Alpbach wird es auf diese wichtigen Fragen keine einhelligen und schon gar keine endgültigen Antworten geben. Jedenfalls ist es aber notwendig, dass mit dem Verdeutlichen dieser Probleme die Herausforderungen der europäischen Integration und die Gratwanderung zwischen Grenzziehung und Grenzüberschreitung besser bewusst gemacht wird.
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Über die Autorin: Elisabeth Tichy-Fisslberger
1981-1988: Europäische Kommission
1988: Eintritt in das BMaA, Wirtschafts- und Europapolitische Sektion
1990: Österreichische Botschaft Dublin
1992: Österreichische Botschaft London
1993-2000: Österreichische Vertretung bei der EU in Brüssel (Mitglied des Teams der Beitrittsverhandlungen, später Mitglied des Teams der österreichischen Präsidentschaft)
2000: Leiterin der Abteilung für EU-Grundsatzfragen und institutionelle Fragen im BMaA
ab Dez. 2003: Stellvertretende Leiterin der Sektion für Wirtschafts- und Europapolitik im Außenministerium
->   Außenministerium
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Mehr zu den Alpbach-Seminaren 2004 in science.ORF.at:
->   Offene Fragen zur Expansion des Kosmos (23.8.04)
->   Susanne Vill: Trivialisierung und "Kitsch" in der Kunst (13.8.04)
->   Reinhard Kannonier: Grenzüberschreitungen in der Musik (10.8.04)
->   Manfred Prisching: Werte, Normen, Devianz (5.8.04)
->   Sämtliche Berichte zu Alpbach 2004 in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010