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Legasthenie: Kultur bestimmt betroffene Hirnregion  
  Legasthenie ist je nach Kultur in unterschiedlichen Hirnregionen angesiedelt. Bei Chinesen, die Schriftzeichen lesen, liegen die Probleme in anderen Gehirnarealen als bei Menschen, die mit dem Alphabet arbeiten.  
Bei alphabetischen Sprachen müsse das Gehirn lediglich die Buchstaben der Worte mit Lauten verknüpfen. Im Chinesischen käme die Erkennung der komplexen Schriftzeichen hinzu, berichten chinesische und US-amerikanische Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe von "Nature".
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Die Studie "Biological abnormality of impaired reading is constrained by culture" ist in "Nature" (Bd. 431, S. 71, Ausgabe vom 2. September 2004, doi:10.1038/nature02865) erschienen.
->   Original-Abstract in "Nature"
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Bisher Alphabet-orientierte Studien
Bisher sei die Ursache der Lese-Rechtschreib-Schwäche lediglich an alphabetischen Sprachen untersucht worden, berichtet die Gruppe um den Hongkonger Wissenschaftler Li-Hai Tan, der auch am US-amerikanischen National Institute of Mental Health in Bethesda arbeitet.

Das Team beobachtete nun die Gehirnaktivitäten von chinesischen Legasthenikern, während diese Aufgaben mit chinesischen Schriftzeichen lösten.
Unterschiedliche "Fehler-Regionen" im Gehirn
Mit Hilfe der bildgebenden Kernspintomographie wiesen sie nach, dass bei diesen die Probleme im Bereich des linken vorderen Großhirns liegen. Bei Menschen mit alphabetischen Sprachen wurde bisher immer eine Hirnregion im linken Schläfen- und Stirnlappen mit der Lese-Rechtschreib-Schwäche in Verbindung gebracht.

"Unsere Arbeiten deuten darauf hin, dass die Verarbeitung einer geschriebenen Zeichensprache einen anderen Teil des Gehirns in Anspruch nimmt als alphabetische Sprachen", erläuterte Wissenschaftler Tan in Hongkong.
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Legasthenie
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Legasthenie als eine Entwicklungsstörung der Lese und Schreibfähigkeiten. Die betroffenen Kinder fallen dadurch in der Schule auf, dass sie, mit Ausnahme der Leistungen beim Lesen und Schreiben, eigentlich gute schulische Leistungen erbringen.
->   Mehr dazu (Wikipedia)
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Beanspruchung lässt Gehirn wachsen
Die Ergebnisse unterstützen zudem die These, dass sich gleiche Gehirnbereiche durch die unterschiedliche Beanspruchung sogar äußerlich unterscheiden, schreiben die Forscher. Frühere Studien hätten gezeigt, dass das linke vordere Großhirn bei chinesisch-sprachigen Menschen größer sei als bei englisch-sprachigen.
Mögliche Auswirkungen auf Sprachausbildung
Nach vagen Schätzungen litten in China zwei bis sieben Prozent der Kinder unter Legasthenie, berichtet Tan. Im Westen seien es fünf bis zehn Prozent. Es gebe keine Hilfsprogramme für chinesische Kinder mit Legasthenie.

Die Studie werde "bedeutende Auswirkungen" auf die Sprachausbildung in Chinesisch und die Bewältigung von Legasthenie haben, sagte der Wissenschaftler.
->   National Institute of Mental Health
->   University Hong Kong
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Legasthenie kann Balance und Motorik reduzieren (17.2.01)
->   Bewegungstraining gegen Legasthenie (31.1.01)
 
 
 
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01.01.2010