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Erste "philosophische akademie" in Salzburg  
  Vom 9. bis 12.9.2004 findet in Rauris in Salzburg die "1. philosophische akademie" statt, ein philosophisch-kulturwissenschaftliches Symposium, bei dem sich junge Wissenschaftler und Studierende vieler Disziplinen in Vorträgen und Diskussionen dem Thema "Ethik - Zwischen Inflation und Moralin" widmen werden. Das Projekt möchte sowohl ein Zeichen für die Relevanz von Philosophie und Kulturwissenschaft als auch für die Förderungswürdigkeit von Nachwuchswissenschaftlern setzen, schreibt Alexandra Prakisch, die wissenschaftliche Leiterin der Veranstaltung, in einem Gastbeitrag.  
Flucht aus/vor dem Elfenbeinturm
Von Alexandra Prakisch

Wenn wir die Rolle und Bedeutung von Philosophie in der heutigen Zeit betrachten, dann stehen wir bald vor einem bemerkenswerten Paradoxon:

Einerseits scheint Philosophie immer mehr in Mode zu kommen und sogar einen regelrechten Höhenflug zu erleben, der sich in einer großen Anzahl populärphilosophischer Bücher ebenso niederschlägt wie in der gesteigerten Nachfrage nach philosophischen Seminaren und Praxen.

Der Philosoph wird zum Berater, Therapeuten, Mediator, Entertainer und Journalisten; die Feuilletons und Kolumnen werden mit Philosophie angereichert; Manager und Politiker holen sich ihren rhetorischen Schliff bei Philosophen, die jene dann in antiker sophistischer Tradition mit Argumenten versorgen. So weit, so gut. Über die dabei oftmals mangelnde reflexive Tiefe wollen wir hier ja nicht klagen.
Bedeutungsverlust?
Auf der anderen Seite aber lässt sich beobachten, wie Philosophie (neben vielen anderen Geistes-, Kultur-, Human- und Sozialwissenschaften) vor allem im akademisch-institutionellen Raum immer stärker an Raum zu verlieren droht, von ihrer ehemals leuchtenden Bedeutung einer Universalwissenschaft herabgesunken zu einer Disziplin neben vielen anderen, isoliert und selbst wiederum in Unterdisziplinen zersplittert.

Die von politischer und wirtschaftlicher Seite ausgerufene Priorität der Effizienz, Mobilität und Schnelligkeit läßt die Disziplin des Denkens alt und praxisfern aussehen und sie dies nicht zuletzt in budgetären Kürzungen spüren.

Derart in den Elfenbeinturm eingesperrt, droht die Philosophie natürlich auch auf eine rein historistische Disziplin reduziert zu werden und damit tatsächlich ihr kreatives Potential verstauben zu lassen.
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Symposium zum Thema Ethik
"Ethik - Zwischen Inflation und Moralin" ist der Titel der 1. philosophischen akademie, die vom 9. bis 12.9.2004 in Rauris/Salzburg stattfinden wird. Dieses philosophisch-kulturwissenschaftliche Symposium wird sich dem Thema in Vorträgen und Diskussionen intensiv und interdisziplinär widmen. Nähere Informationen, Programm und Anmeldung auf der Symposiums-Website.
->   philosophische akademie: Symposium
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Trübe Zukunftsaussichten für angehende Philosophen?
Gerade junge WissenschaftlerInnen wie auch Studierende mag dieses Szenario erschrecken oder gar resignieren lassen.

Die Philosophie und damit auch ihre Vertreter sind so gut wie immer vor die Aufgabe gestellt, erst einmal ihre Existenzberechtigung vor der Gesellschaft zu beweisen, und also von Anfang an in apologetischer Position.

Die akademischen Möglichkeiten für junge Menschen sind gerade in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen und sind durchaus in der Lage, entmutigend zu wirken.

Vor allem der Einstieg in eine philosophische Laufbahn erweist sich als steinig und mühsam, weil es oft an diskursivem Austausch zwischen den bereits Arrivierten und den NachwuchswissenschaftlerInnen bzw. Studierenden fehlt und - nebenbei bemerkt - auch das hehre Gebiet der Philosophie vor persönlichen Rangkämpfen und Konkurrenzverhalten nicht gefeit ist.
Private Initiative als Reaktion
Die philosophische akademie wurde unter anderem aus diesem Bewusstsein eines Mangels geboren.

Als gemeinnütziger Verein im Herbst 2003 von zwei Wiener Philosophie-Studierenden, Christian Seewald und Alexandra Prakisch, gegründet, hat sie sich zum Ziel gesetzt, den interdisziplinären Diskurs zu fördern und im Rahmen eines jährlichen Symposiums zu philosophisch-kulturwissenschaftlichen Themen StudentInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeiten und Thesen einer größeren Öffentlichkeit vor- und zur Diskussion zu stellen.

Neben den karrierebezogenen Vorteilen, die sich aus der Teilnahme als ReferentIn an einem internationalen Symposium und der nachfolgenden Publikation des Beitrages im jährlichen Sammelband ergeben können, geht es vor allem um den motivierenden Austausch von Ideen und um die Gewinnung neuer Impulse.

Gewünscht werden eine kritische Auseinandersetzung mit anderen und eine perspektivenreiche Beleuchtung relevanter Themen über Instituts- und Landesgrenzen hinweg.
Förderung junger Menschen
Der Verein setzt sich mit diesen Anliegen aber auch ganz allgemein für die Förderung der wissenschaftlichen und kulturellen Fortbildung sowie für die Förderung des Interesses an philosophischen Fragen bei jungen Menschen ein.

Wissensvermittlung und Wissensaustausch sollten nicht auf ihren persönlichen, emotionalen Aspekt verzichten: Elektronische Medien und virtuelle Kommunikation können den lebendigen Kontakt zwischen Menschen, der schon durch die soziale Struktur von Wissensvermittlung gefordert wird, nicht ersetzen.

Nur wenn Philosophie ernst genommen wird, kann sie auch in Zukunft Relevanz für sich beanspruchen - ohne auf reine Datenübertragung reduziert zu werden, und auch ohne sich seicht verkaufen zu müssen.
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Über die Autorin
Alexandra Prakisch: Geboren am 23.6.1982 in Wien. Lehrtätigkeit (Latein, Altgriechisch) am Sprachinstitut Creative Language in Wien. Studium der Judaistik und Philosophie mit den Schwerpunkten Jüdische Philosophie und Kulturphilosophie. Gegenwärtiges Forschungsprojekt: Leben und Werk von Oskar Ewald Friedländer. Gründungsmitglied des Vereins philosophische akademie, wissenschaftliche Leiterin des von diesem veranstalteten jährlichen philosophisch-kulturwissenschaftlichen Symposiums.
->   philosophische akademie
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->   Das Stichwort Philosophie im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010