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Offene Fragen: Von Sex und Schlaf bis zu Altern und Aliens  
  Ob Fortpflanzung oder Altern, Sinn des Schlafes oder mögliches außerirdisches Leben: Nach wie vor kann die Wissenschaft zu vielen Phänomenen des Lebens und offenen Fragen lediglich Hypothesen liefern. Die zehn wichtigsten unbeantworteten Fragen fasst nun ein Artikel im britischen Wissenschaftsmagazin "New Scientist" zusammen. Neben "klassischen" Problemen wie dem Beginn des Lebens auf der Erde findet sich etwa auch die Frage: Ist Intelligenz unvermeidlich?  
Neben den vom "New Scientist" gekürten zehn Top-Mysterien hat das Magazin auch einige führende Biowissenschaftler kontaktiert - und deren Favoriten für die wichtigste "offene Frage" eruiert.
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Unter dem Titel "The Mysteries" subsummiert der "New Scientist" (Ausgabe vom 4. September 2004, Seiten 24-33) die zehn offenen Fragen in Artikeln von verschiedenen Journalisten. Auf Seite 30 der Ausgabe finden sich die Favoriten von fünf Wissenschaftlern - zwei Paläontologen, ein Gerontologe, ein Verhaltensforscher sowie eine Pharmakologin.
->   "New Scientist"
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"Alte Bekannte" als offene Fragen
Unter den zehn gekürten Top-Mysterien der belebten Welt finden sich einige alte Bekannte. Die Frage nach dem Beginn des Lebens wird beispielsweise immer wieder in unterschiedlichen Studien untersucht.

Wie die "Ursuppe" einst im Detail ausgesehen haben könnte und wie aus simplen Molekülen das komplexe System von DNA und Proteinen entstand, ist - bekanntermaßen - nach wie vor Gegenstand der Diskussion.
In den "Klauen der Evolution"
Interessanter sind da schon andere Fragen, wie etwa: Entwickeln wir uns immer noch? "Menschen sind nicht wie andere Tiere", heißt es da. Es existieren beispielsweise Verhütungsmittel zur Kontrolle der Nachwuchszahlen, Medikamente zur Lebenserhaltung und selbst das Potenzial, das eigene Erbgut zu manipulieren.

Es sei daher verführerisch zu glauben, dass der Mensch sich aus den Klauen der Evolution befreit habe. Verführerisch, aber falsch. Denn Evolution beruhe auf den zwei Eckpfeilern der vererbbaren Variation sowie Selektion.
Mutationsrate ist gleich geblieben
Und die Menschheit ist nun einmal recht unterschiedlich - was auf genetische Mutationen zurück zu führen ist, die jetzt noch etwa mit der gleichen Rate auftreten wie durch die gesamte bisherige Entwicklungsgeschichte der Gattung Homo hindurch.
Medizin kontra "Survival of the fittest"
Was aber ist mit der natürlichen Selektion? Zumindest in den Industrienationen des Westens scheint man sich schließlich vom Druck der Natur freigemacht zu haben. Es sind längst nicht mehr nur die "Tauglichsten", die überleben und sich fortpflanzen.

Moderne Medizin, Geburtenkontrolle und Fortpflanzungstechnologien machen laut "New Scientist" die Reproduktion stärker zu einer Sache der eigenen Wahl, nicht der adaptiven Qualitäten. Genauso sei etwa die "Macht der sexuellen Selektion" abgestumpft, seit Massenmedien großen Einfluss auf unser Schönheitsideal nähmen.
Und schließlich: Künstliche Selektion
Das lässt jedoch immer noch die künstliche Selektion übrig - und hier erinnert der Artikel daran, dass viele menschliche Eigenschaften letztlich nur dank dieser existieren. Etwa in Form von Innovationen - Beispiel "Milch-Gene": Die Einführung der Milchwirtschaft hat dazu geführt, dass viele Menschen heute auch nach dem Säuglingsalter noch Milchzucker verdauen können.
->   Mehr dazu: Milch-Gene: Koevolution bei Mensch und Kuh (24.11.03)
Umweltverschmutzung und Klimawandel
Andere Kräfte sind ebenfalls am Werk: So nimmt der Mensch großen Einfluss auf die Umwelt - Stichworte: Verschmutzung und Klimawandel -, was mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf ihn zurück wirken wird. Vielleicht in Form neuer Erkrankungen.

Gesichert schein jedenfalls eines: Der menschliche Gen-Pool ist nach wie vor Veränderungen unterworfen. Wohin uns dies bringt, bleibt allerdings tatsächlich ein Geheimnis.
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Die zehn Fragen des "New Scientist" im Überblick
1. Wie begann das Leben?
2. Wie viele Spezies gibt es?
3. Entwickeln wir uns immer noch weiter?
4. Warum schläft der Mensch?
5. Ist Intelligenz unvermeidbar?
6. Was ist Bewusstsein?
7. Wozu dient Sex?
8. Können wir das Altern unterbinden?
9. Was ist Leben?
10. Gibt es Leben auf anderen Planeten?
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Intelligenz: Unvermeidbares Ergebnis der Evolution?
Auch die Intelligenz steht im Mittelpunkt eines Beitrags: Ist diese vielleicht unvermeidbar als Ergebnis der Evolution, wird hier gefragt. Alle anthropozentrischen Eingebildetheiten beiseite geschoben, sei schließlich Intelligenz auch nur eine Form der Anpassung.

Mit anderen Worten: Sie hat sich demnach als der beste Weg ausgebildet, um in einer speziellen ökologischen Nische zu überleben. In diesem Fall heißt das: Intelligenz ist die Antwort der Evolution auf die Unvorhersehbarkeit.
Unberechenbare Umwelt
Lebt ein Organismus in einer stabilen und damit berechenbaren Umwelt, so kommt er mithilfe von Instinkt und "einprogrammierten" Reaktionen ganz gut zurecht. Sich wandelnde Umgebungen fordern dagegen Flexibilität für immer neue Situationen, in denen man sich entsprechend verhalten muss.

Das könnte nun eben bedeuten, dass Intelligenz tatsächlich ein unvermeidbares Ergebnis der Evolution ist. Doch ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht. Denn streng nach Theorie favorisiert die natürliche Selektion ein Merkmal nur dann, wenn seine Vorteile alle Nachteile überwiegen.
Die Nachteile der Intelligenz
Und tatsächlich gibt es im Fall der Intelligenz durchaus Nachteile. So ist etwa das menschliche Gehirn gewissermaßen ein Energieverschwender. Schließlich verbraucht es alleine 20 Prozent unseres Bedarfs, steht aber nur für zwei Prozent unserer Körpermasse.

Und bei Fruchtfliegen etwa hat eine Studie im vergangenen Jahr nachgewiesen, dass hohe Intelligenz die Überlebensfähigkeit der Insekten einschränkt.
->   Hohe Intelligenz schränkt Überlebensfähigkeit ein (10.10.03)
Neue Unvorhersehbarkeit als "positives Feedback"
Sieht man sich nun die menschliche Intelligenz an, dann zeigt sich: Sie selbst erzeugt neue Unvorhersehbarkeiten, indem sie zu komplexen Verhaltensweisen führt. Biologische betrachtet nennt sich dies auch "positives Feedback".

Dieses ist besonders stark bei Tieren, deren Verhalten das Überleben anderer Mitglieder der Gruppe betrifft. Das könnte beispielsweise erklären, warum gerade bei sozialen Tieren wie Primaten bestimmte intelligente Züge zu erkennen sind.

Und wir Menschen gelten natürlich als die ultimativen sozialen Tiere. "Wir manipulieren die Welt in einem Ausmaß", heißt es im "New Scientist", "dass wir unsere eigene sich schnell verändernde Umwelt erzeugen." Doch selbst dann kommt wohl immer noch eines hinzu: Das Element des glücklichen Zufalls.
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Wie definiert man "Leben"?
Auch die wirklich simpel anmutende Frage: Was ist Leben? wird gestellt. Aber, so heißt es im "New Scientist", man solle nur einmal versuchen, darauf eine präzise Definition zu geben. Man könne zwar beschreiben, was Lebewesen tun, das aber sei nicht ausreichend. Die universelle Reihe von Kriterien für das Leben auf der Erde, auf die sich sämtliche Wissenschaftler - seien es Philosophen oder Biologen - einigen können, gibt es aber bis heute nicht.

Die derzeit möglicherweise populärste Definition wurde vor rund zehn Jahren von Gerald Joyce vom Scripps Research Institute in Kalifornien vorgeschlagen: Er beschrieb Leben als ein autarkes chemisches System, dass dank natürlicher Selektion die Fähigkeit zur Weiterentwicklung hat.
->   Mehr rund um die (biologische) Definition von Leben (Wikipedia)
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Was die Experten sagen
Die fünf befragten Wissenschaftler zeigen sich im Übrigen überwiegend einverstanden mit der Wahl des Wissenschaftsmagazins. Leben im All taucht ebenso auf wie die Frage nach der Lebenserwartung oder wie das Gehirn Bewusstsein erzeugt.

Neues kommt jedoch von Simon Conway-Morris, Professor für evolutionäre Palaeobiologie an der University of Cambridge: Er stellt die "konvergente Evolution" zur Diskussion - die Erkenntnis, "dass das Leben mehr als einmal mit bemerkenswert ähnlichen Lösungen für ein Problem aufwartet".

"Liegt dem ein tieferes Muster oder eine Reihe von Prinzipien zugrunde, eine Art von grundlegender 'Landschaft', über die das Leben gezwungen ist zu wandern?", fragt er. Könnte man diese Landschaft finden, dann hätte man nach Conway-Morris eine generelle Theorie der Evolution.
Die ungelöste Frage der Empathie
Und der Verhaltensforscher Frans de Waal von der Emory University in Atlanta will schließlich wissen, warum der Mensch zur Empathie, zum Mitfühlen fähig ist. Die Entwicklung jener emotionalen Verbundenheit habe die Biologie noch nicht einmal begonnen zu erklären.

Mehr zu einigen offenen Fragen in science.ORF.at:
->   Sinn des Schlafens: Lernen oder Energie tanken? (2.7.04)
->   "Oldies but Goldies": Neue Evolutionstheorie des Alterns (15.7.03)
->   50 Jahre danach: Stanley Millers "Ursuppe" (9.5.03)
->   Sind wir allein im Kosmos? (28.1.03)
->   Kontroverse Theorie zur Entstehung von Leben (4.12.02)
 
 
 
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01.01.2010