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Xenotransplantation: Schweineherzen in Pavianen  
  Menschliche Spenderorgane sind rar: Wer eine Transplantation benötigt, muss oft lange warten. Um den Bedarf an Spenderorganen zu befriedigen, werden deshalb künftig Xenotransplantationen entscheidend sein, die Übertragungen von Organen über die Artgrenzen hinweg. Diese machen aber das Hauptproblem von Transplantationen - die Abstoßungsreaktion des Körpers - noch größer. US-Forscher berichten nun von Fortschritten: Herzen von genetisch veränderten Schweinen funktionierten ihnen zufolge in Pavianen bis zu ein halbes Jahr.  
David K. C. Cooper, Immunologe am Starzl Transplantation Institute in Pittsburgh, präsentierte seine Studien im Rahmen des XX. Internationalen Kongress der Transplantation Society in Wien.
->   Homepage des Kongresses
Hauptproblem Abstoßungsreaktionen
Hyperakute und akute Abstoßungsreaktion auf Grund von angeborenen, also natürlich gegebenen Immunreaktionen des Menschen gegen Organe vom Schwein haben bisher die Xenotransplantationen praktisch unmöglich gemacht.

Schuld daran sind vor allem die Abstoßungsreaktionen, die durch bestimmte Zuckerreste (1,3-Galaktosyltransferase) an der Oberfläche von Gefäßzellen vom Schwein im Falle der Transplantation eines Organs in den menschlichen Körper ausgelöst werden.
Gentech-Schweineherzen in Pavianen
Doch Schweine, bei denen es durch Gen-Knockout nicht zur Bildung der Merkmale kommt, dürften laut Cooper einen wesentlichen Fortschritt darstellen: "Meine Kollegen und ich führten eine kleine Serie von Transplantationen durch, bei denen Herzen von solchen Gal-Knockout-Schweinen auf Paviane übertragen wurden. Medikamentös wurde eine Behandlung durchgeführt, die bekanntermaßen eine durch Antikörper vermittelte Abstoßungsreaktion verhindern kann und auch eine Abstoßungsreaktion durch Immunzellen weitgehend unterdrückt."
Bis zu sechs Monate erfolgreich funktioniert
Insgesamt wurden von den US-Experten unter David Cooper zehn Schweineherzen Pavianen implantiert. Sechs davon funktionierten nach ihren Angaben zwischen 56 und 179 Tagen. Eine Zeitspanne von sechs Monaten bedeute das bisher längste Überleben eines Organs von einem Schwein nach der Transplantation auf einen Primaten exklusive des Menschen.

Bei den Pavianen, welche Organe von den Gal-Knockout-Schweinen bekommen hatten, trat weder eine hyperakute noch eine akute Abstoßungsreaktion des artfremden Organs auf. "Normalerweise" würden solche Immunreaktionen binnen Minuten bis Stunden zum Verlust des Organs nach einer Xenotransplantation führen.
Thrombosen sorgten für Ende der Experimente
David Cooper: "Der Verlust der Spenderorgane trat hingegen am ehesten durch Thrombosen in den kleinen Blutgefäßen auf, was ischämische Schäden (Minderdurchblutung, Infarktschäden, Anm.) auslöste."

Was den Wissenschaftler aber noch zusätzlich optimistisch stimmt: Es gab bei den Pavianen keine Infektionen und auch keine Komplikationen durch die Behandlung zur Verhinderung der Abstoßungsreaktion über Artengrenzen hinweg.
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Im Nagertest: Transgene Herzen gegen Thrombosen
Kann die hyperakute Abstoßungsreaktion offenbar überwunden werden, so bleibt die akute humorale Abstoßungsreaktion (AHXR), die vor allem auf der Bildung von Thrombosen in den Gefäßen des Spenderorgans basiert, weiter ein Problem. Ein britisches Forscherteam um Robert I. Lechler vom Imperial College in London berichtete auf dem Kongress in Wien von einem Versuch, diese Hürde zu überwinden.

Sie züchteten zwei verschiedene Stämme von Mäusen - genetisch so verändert, dass die Endothelzellen ihrer Herzen zwei natürliche Antithrombose-Substanzen produzieren: Human Tissue Pathway Inhibitor (TFPI) bzw. Hirudin, die für die Blutgerinnung entscheidend sind. Mäuseherzen, die diese Faktoren in der Zellmembran von Endothelzellen bildeten, wurden Ratten eingepflanzt. Die transgenen (Maus-)Herzen zeigten sich nach Auskunft der Forscher zu hundert Prozent resistent gegen die humorale Abstoßungsreaktion.
->   Robert I. Lechler (Imperial College)
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In Zukunft auch beim Menschen anzuwenden
Laut David Cooper handelt es sich um die erste Studie, in der eine solche Immunsuppression keine größeren Nebenwirkungen hervorrief. Insgesamt sei das "ermutigend. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass man das Überleben der Schweineorgane durch eine 'sanfte' Immunsuppression verlängern kann, die auch beim Menschen angewendet werden könnte," so Cooper.

Jetzt ginge es vor allem darum, auch die auftretenden thrombotischen Gefäßschäden (Mikroangiopathie, Anm.) zu bekämpfen, um die Xenotransplantation auch beim Menschen wirklich durchführbar zu machen.
->   Starzl Transplantation Institute
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01.01.2010