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Transplantation von Lungen- und Leberteilen  
  Die Transplantationsmedizin kann Leben retten - doch die dafür benötigten Spenderorgane von Verstorbenen sind rar. Eine Möglichkeit sind daher auch Lebendspenden, im Fall der Niere etwa - der Mensch verfügt bekanntermaßen auf zwei davon, eine reicht jedoch aus - ist dies bereits eine gängige Methode. Doch auch bei Leber und Lunge wird die Methode zunehmend angewandt. Transplantiert wird hier nicht das ganze Organ, sondern Teile davon.  
Eine Niere kann man spenden, ohne sein Leben einer Gefahr auszusetzen. Doch während bei Patienten mit Nierenversagen auch noch die Möglichkeit der Dialyse (Blutwäsche) besteht, gibt es das bei Menschen mit versagender Lungenfunktion nicht.

Als letzten Ausweg - so kein Spenderorgan vorhanden ist - wird von einigen Kliniken die Spende von Lungenteilen propagiert, erklärte der Wiener Spezialist Walter Klepetko von der Abteilung für Herz-Thorax-Chirurgie anlässlich des XX. Internationalen Kongresses der Transplantation Society im Austria Center Vienna.
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Die Konferenz findet alle zwei Jahre statt. Die Transplantation Society ist die internationale Vereinigung der Transplantationsmediziner. An dem Kongress in Wien werden vom 5. bis 10. September mehr als 4.000 Experten teilnehmen. Es gibt rund 500 mündliche Vorträge und fast 1.300 Poster-Präsentationen.
->   Homepage des Kongresses
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Lungenlappen: Technisch einfach
"Die Lebendspende von Lungenteilen ist in den vergangenen Jahren vor allem durch die Arbeitsgruppe von Mark L. Barr und Vaughn A. Starnes in San Diego (Kalifornien/USA) etabliert worden", so Klepetko.

"Aus anatomischen Gründen bietet sich die Lunge für ein derartiges Verfahren besonders an, da eine Lunge in verschiedene Lappen geteilt ist und es technisch daher einfach möglich ist, einen dieser Lappen von einem lebenden Spender für eine Transplantation zu verwenden", sagte der Transplantationschirurg.

An der Abteilung des Wissenschaftlers am Wiener AKH wurde eines der führenden Zentren für Lungentransplantationen etabliert.
Ohne Transplantation geringe Lebenserwartung
"ImUnterschied zur Nierentransplantation - bei der die Empfänger auf Grund der Möglichkeit einer Dialysetherapie nicht vital bedroht sind - sind die Empfänger bei der Lungentransplantation alles Patienten, die ohne Transplantation nur eine sehr kurze Lebenserwartung haben", erläurterte Klepetko.

Zumeist handelt es sich demnach um sehr junge Patienten, die an Zystischer Fibrose erkrankt sind.
Spender verlieren rund 25 Prozent Lungenfunktion
Bei der Lebendspende von Lungenlappen - in San Diego wurden beispielsweise von den Ärzten schon 120 Empfänger mit Lungenteilen von 250 Spendern operiert - verlieren die Lebendspender etwa 25 Prozent ihrer Lungenfunktion. Das ist vertretbar. Bei zehn Prozent der Spender treten geringfügige Komplikationen auf.

Natürlich dürfen laut Klepetko solche Eingriffe nur unter Wahrung der strengsten Richtlinien von spezialisierten Zentren vorgenommen werden:

"Die ethische Beurteilung des Verfahrens hat daher nach diesen Gesichtspunkten zu erfolgen. Die Lebendspende bei der Lunge sollte lediglich in darauf spezialisierten Institutionen und bei der fehlenden Alternative eines Leichenspenderorgans durchgeführt werden."
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Uniklinik in Wien: Bislang zwei Fälle
An der Universitätsklinik für Chirurgie in Wien waren solche Eingriffe bisher - vor allem wegen eines optimierten Programms zur Bereitstellung von Spenderorganen und zur Durchführung von Transplantationen in Kooperation mit den Nachbarländern - nur in zwei Fällen notwendig.
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Teiltransplantationen als generelle Alternative
Doch auch die Lungen von Hirntoten können lappenweise - also in Teilen - transplantiert werden. Nach Angaben von Klepetko wurde dieses Verfahren in Wien bereits stark weiter entwickelt, so dass derzeit etwa ein Viertel aller Transplantationen bereits Lappentransplantationen oder Transplantationen von geteilten Lungen darstellt.

Das hilft vor allem Empfängern mit einem kleinen Brustkorb und führt zu einer besseren Verwendung der Spenderorgane. Insgesamt wird - wegen der Knappheit an Spenderorganen - gerade bei der Lungentransplantation immer mehr darauf geachtet, von einem (hirntoten) Spender möglichst viele Empfänger profitieren zu lassen.

Das führt zu einer Reduzierung des Volumens der transplantierten Lungenteile. Laut Klepetko und seinen Mitarbeitern ist dieses "Downsizing" mit keiner signifikant geringeren Überlebensrate der Empfänger verbunden.
Leberteile von lebenden Spendern
Auch bei der Leber mangelt es an Spenderorganen. Die Folge: Zehn bis 30 Prozent der Patienten mit chronischem Leberversagen, die auf ein Spenderorgan warten, sterben vor einer Transplantation.

Eine mögliche Strategie zur Minderung dieses Mangels stellt die Lebendorgan-Lebertransplantation (LOLT) laut Christoph Erich Broelsch von der Klinik für Allgemein- und Transplantationschirurgie der Universitätsklinik Essen (Deutschland) dar:

"Die Mortalität auf der Warteliste für eine Leichenorganspende ist das wichtigste Argument, welches unter der Voraussetzung eines minimalen Risikos eine Operation an einem gesunden Individuum - einem potenziellen Spender, rechtfertigt."
Auch Leber besteht aus unterschiedlichen Lappen
Teile des Organs können lebenden Spendern entnommen und übertragen werden. Da das Organ aus unterschiedlichen Lappen besteht, lassen sich einzelne Segmente abtrennen und transplantieren. Gleichzeitig ist die Leber eines (Leber-)gesunden Spenders groß genug, auch ohne diesen Teil auszukommen.

Der Hauptvorteil bei Patienten mit chronischem Leberversagen: Die Operation kann "elektiv", das heißt geplant und ohne Zeitdruck erfolgen. Broelsch tritt für eine strikt auf Universitätskliniken beschränkte Anwendung ein.
LOLT-Anteil steigt insgesamt an
Der Empfänger ist dabei noch nicht so krank, dass die doch sehr belastende Operation ein hohes zusätzliches Risiko darstellt. Im Gegensatz zum Nierenversagen gibt es beim endgültigen Leberkoma keine medizinisch technischen Möglichkeiten, um die Funktion des Organs vorübergehend zu ersetzen.

Die Transplantation von Lebendspenderorganen bzw. Teilen von ihnen führt zudem zur Vermeidung von Problemen die mit dem Transport (Sauerstoffversorgung/Durchblutung) von Spenderorganen von Hirntoten zusammenhängen.

Noch ist die Lebendorgan-Lebertransplantation (LOLT) ein relativ junges Verfahren. Doch der Anteil dieser Technik an den Lebertransplantationen insgesamt steigt:

Zwischen 1991 und 2001 wurden in Europa 10.801 Lebertransplantationen durchgeführt. 488 oder 4,5 Prozent entfielen auf LOLT (Anteil erhöht sich ständig). In den USA wurden bis 2003 schon 449-LOLT-Operationen durchgeführt. In Asien erfolgten zwischen 1991 und 2003 1.508 Lebertransplantationen von lebenden Spendern - zur Hälfte für Kinder und zur Hälfte für Erwachsene.
->   Medizinische Universität Wien
->   Klinik für Allgemein- und Transplantationschirurgie der Universitätsklinik Essen
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01.01.2010