News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit .  Wissen und Bildung 
 
Die Entdeckung des genetischen Fingerabdrucks  
  Für die forensische Wissenschaft hat die Entdeckung eine Revolution ausgelöst: Vor genau 20 Jahren, am 10. September 1984 stolperten britische Wissenschaftler mehr oder minder zufällig über die Erkenntnis, dass sich Menschen möglicherweise mittels des Erbgutes eindeutig unterscheiden lassen könnten. Heute zählt der "genetische Fingerabdruck" zu den wichtigsten Werkzeugen der Ermittler.  
"Der magische Moment war an einem Montagmorgen vor 20 Jahren", erzählt der Genetiker Alec Jeffreys in BBC News.

Als der Forscher ein in eigenen Worten "schmuddeliges Stück Röntgenfilm" aus dem Entwicklerbad zog, entdeckte er darauf zwar unscharfe, aber doch außerordentlich variable DNA-Muster.
Potenzial für exakte Identifikation
Der berühmte "Groschen" fiel laut Jeffreys ziemlich schnell. Die Wissenschaftler erkannten das Potenzial ihrer Entdeckung für die exakte Identifikation bzw. Unterscheidung von Individuen.
...
Erstmals Anwendung in zwei Mordfällen
Wenige Monate später fand ihre Technik laut BBC bereits in einem Kriminalfall Anwendung: Es handelte sich um zwei Fälle von Mord und Vergewaltigung. Die DNA-Tests ergaben, dass ein ursprünglich Verdächtigter nicht der Täter sein konnte - und halfen schließlich auch, den wirklichen Mörder zu überführen.
...
Täter und Opfer identifizieren, Vaterschaftstests ...
Vor allem bei Gewaltverbrechen zählt die DNA-Analyse heute zu den wichtigsten Werkzeugen der Ermittler.

Bereits aus winzigen Spuren mit Erbinformationen wie Blut, Schuppen, Haare oder Sperma können Experten einen so genannten genetischen Fingerabdruck eines Menschen erstellen - und so etwa Verbrecher aufgrund von am Tatort hinterlassenen Spuren überführen.

Spuren mit Erbinformationen helfen auch bei der Identifizierung von Opfern. Sie dienen zur Feststellung der biologischen Vaterschaft oder Abstammungsbeziehungen bei Tier- und Pflanzenarten und finden in der medizinischen Forschung Anwendung. Wenige Zellen reichen für eine Analyse bereits aus.
Funktionslose Abschnitte für Analyse
Als genetischen Fingerabdruck bezeichnen Experten dabei bestimmte, über das gesamte Erbgut verteilte DNA-Abschnitte, die nach heutigem Wissen funktionslos sind.

Diese Abschnitte unterscheiden sich wesentlich stärker von Individuum zu Individuum als diejenigen Erbinformationen, die Aufbau und Funktion des Organismus steuern. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Menschen den gleichen genetischen Fingerabdruck aufweisen, wird auf etwa 1 zu 30 Milliarden geschätzt.
...
Wie der charakteristische "Strichcode" entsteht
Aus den Zellkernen der Proben wird zunächst die DNA isoliert. Ein bestimmter Abschnitt wird dann mit so genannten "Primern" markiert und vervielfältigt, wobei die Abfolge der Grundbausteine sich darin unterscheidet. Die Proben werden anschließend auf ein Trägergel aufgebracht, das unter elektrischer Spannung steht. So entstehen Streifenmuster, die für jeden Menschen charakteristisch sind. Vor allem die Kombination mit der PCR-Methode brachte den Durchbruch für den genetischen Fingerabdruck: Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) dient der Vervielfältigung von DNA. Seit Einführung der Technik reicht schon eine einzelne sichergestellte Zelle zur Erstellung des genetischen Fingerabdrucks aus. Ihr Erfinder, der US-Biochemiker Kary Mullis erhielt dafür 1993 den Nobelpreis für Chemie.
->   Weitere Informationen in wikipedia.org
...
Immer wieder spektakuläre Fälle
Mithilfe der Methode können heute selbst Jahrzehnte zurück liegende Kriminalfälle noch aufgeklärt werden.

Aber auch fälschlich Verurteilte können damit ihre Unschuld beweisen. In den USA etwa wurde erst Ende August dieses Jahres ein wegen Vergewaltigung zu lebenslanger Haft verurteilter Mann nach 17 Jahren freigesprochen, nachdem die DNA-Analyse bewiesen hatte, dass er nicht der Täter sein konnte.
Möglicher Missbrauch
Doch der genetische Fingerabdruck wird nicht nur positiv gesehen - Datenschützer etwa warnen immer wieder vor möglichem Missbrauch. Und selbst sein Entdecker sieht so manche Entwicklung mit gemischten Gefühlen:

In Großbritannien etwa existiert laut BBC heute eine Datenbank mit dem genetischen Profil von 2,5 Millionen verurteilten Kriminellen. Doch 2002 hatte ein Gericht auch grundsätzlich erlaubt, DNA-Proben von freigesprochenen Verdächtigen aufzubewahren. Jeffreys hält dies für "diskriminierend".

Er plädiert allerdings zugleich für die "Horrorvision" aller Datenschützer: Eine Datenbank, die den genetischen Fingerabdruck aller Menschen umfassen sollte. Mit strikten Regeln, was die zu verwendende Information angeht - sensible Daten wie ethnische Zugehörigkeit oder Krankengeschichte sollten demnach ausgeschlossen bleiben.
->   Homepage von Alec Jeffreys (University of Leicester)
->   Department of Genetics der University of Leicester
->   BBC News
->   Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit .  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010