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Riesige Flutwellen als Auslöser von Massensterben  
  Gigantische Flutwellen haben vor rund 200 Millionen Jahren zu einem massiven Massensterben geführt. Eigentliche Ursache der Katastrophe war laut einem deutschen Geologen aber ein Meteoriteneinschlag.  
Vor rund 200 Millionen Jahren - an der Wende des Trias- zum Jura-Zeitalter - wurden schlagartig drei Viertel aller damals vorkommenden Arten von Lebewesen ausgelöscht.
Meteorit(en) lösten Flutwellen aus
Ausgelöst wurde die Katastrophe offenbar durch den Einschlag von einem oder mehreren Meteoriten, meint Michael Montenari vom Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen.

Die Meteoriten schlugen demnach im Meer ein - und setzten gewaltige Flutwellen, so genannte Tsunamis, von bis zu mehreren tausend Metern Höhe in Gang, wie die Universität in einer Aussendung berichtete.

Dass es an der Grenze von Trias und Jura Meteoriteneinschläge gegeben haben muss, konnten Forscher durch den Nachweis seltener chemischer Elemente wie beispielsweise Iridium und durch ungewöhnliche Verhältnisse leichterer und schwerer Atome bestimmter Elemente belegen.
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Tsunamis: ''Große Welle im Hafen''
Tsunami, das heißt auf Japanisch ''Große Welle im Hafen''. Diese Flutwellen entstehen durch Seebeben - Erdbeben am Meeresgrund. Wenn dabei die Erdkruste bricht, wird ein Teil des Meeresbodens schlagartig angehoben. Diese Bewegung wird an das darüber liegende Wasser weitergeleitet. Die Folge: An der Oberfläche bildet sich ein Wellenberg.
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Verräterische Schicht im Natursteinwerk
Montenari hat in einem Grabungsprofil im Natursteinwerk Hägnach bei Pfrondorf - nahe bei Tübingen - eine zu Beginn des Jura entstandene Schicht entdeckt, die belegen soll, dass ein Ausläufer eines solchen Tsunami dort vor rund 200 Millionen Jahren seine Kraft entfaltete.
Schicht passte nicht recht ins Bild
"Immer wieder haben mich Studenten vor diesem Gesteinsprofil in Verlegenheit gebracht, denn diese merkwürdige Schicht zwischen Rhätsandstein und Tonablagerungen konnten wir nicht recht erklären", erzählt Montenari.

Der entscheidende Hinweis, kam schließlich von britischen Kollegen. Diese haben das gleiche "geologische Problem" vor der eigenen Haustür: Gesteinsabfolgen gleichen Alters von Nordirland, über Südwales bis Südwestengland ließen sich mit den Pfrondorfer Verhältnissen vergleichen.
Sand, Schlamm und organische Reste
"Auf den britischen Inseln ist die Tsunamit-Schicht sogar bis zu zweieinhalb Meter dick, bei uns in Pfrondorf sind es nur 20 bis 30 Zentimeter", erläutert der Tübinger Geologe.

Eine solche Tsunamit-Schicht besteht aus zusammen geschwemmtem Material - allem, was eine Riesenwelle vor sich her getrieben hat: Sand, Schlamm und auch viele organische Reste von Lebewesen sind darunter.
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Schalenbruchstücke und Co
Die Schicht mit den verräterischen Anzeichen der Todeswelle in Pfrondorf ist nach außen unscheinbar und setzt sich bei genauerer Untersuchung aus dunklen bis rabenschwarzen Kalken zusammen, in denen extrem viele Schalenbruchstücke von ehemaligen Muscheln vorkommen. "Die Klappen der Muscheln zeigen mit ihrer Wölbung nach oben - ein Anzeiger dafür, dass sie unter einer starken Strömung zusammengeschwemmt wurden", sagt der Forscher.
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Nur Ausläufer erreichten Tübinger Gegend
Der Tsunami, der demnach vor allem in Richtung Nordwesten in Großbritannien und in Nordamerika gewütet hat, hat die Tübinger Gegend wohl nur in Ausläufern erreicht. Er müsse gigantische, unvorstellbare Ausmaße gehabt haben, sagt Montenari.

Zum Vergleich beschreibt er die Explosion der Insel Krakatau am Ende des 19. Jahrhunderts: "Ein Vulkanausbruch hat die Insel praktisch weggesprengt. Die mächtige Flutwelle, die dadurch entstand, ist vier Mal um die Erde gelaufen. Sie war sogar in mehreren 10.000 Kilometern Entfernung im Londoner Hafenbecken deutlich zu merken."

Diese gewaltige Welle habe Tsunamit-Ablagerungen ergeben, die gerade mal sieben Zentimeter mächtig seien. "Wenn man bedenkt, dass die Tsunamit-Schichten auf den britischen Inseln und auch in Pfrondorf in den Jahrmillionen zusammengepresst worden sind, müssen sie zur Zeit ihrer Entstehung mindestens drei Mal mächtiger gewesen sein, in Pfrondorf also vielleicht einen Meter hoch."
Auslöser vermutlich Meteor(e)
Eine solcher Tsunami könne nicht durch einen Vulkanausbruch entstanden sein, argumentiert der Tübinger Geologe. Heutige Tsunamis im Pazifik hätten eine Höhe von 50 oder 60 Metern, Seebeben oder Erdbeben träten bis zur Stärke neun auf.

"Vor 200 Millionen Jahren hätte das Seebeben eine angenommene Stärke von 20 haben müssen. Das lässt sich zwar theoretisch berechnen, doch auf der Erde gibt es die physikalischen Gegebenheiten dafür nicht."

Wegen der hohen freigesetzten Energie blieben eigentlich nur Meteoriteneinschläge als Ursache des Tsunami übrig. Denn die Erde wurde völlig verwüstet. Wo genau die Meteoriten eingeschlagen sind, wissen die Forscher nicht. Die Spuren des gewaltigen Tsunami könnten jedoch noch an weiteren Stellen auf der Erde zu finden sein.
->   Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen
->   Alles zum Stichwort Massensterben in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010