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Herzkrankheiten: "Gutes Cholesterin" im Blickpunkt  
  Bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Behandlung der Gefäßverkalkung (Atherosklerose) hat sich die Medizin in den vergangenen 20 Jahren auf die Reduzierung des "bösen" LDL-Cholesterins im Blut konzentriert. Doch laut neueren wissenschaftlichen Forschungen spielt dabei eine möglichst hohe Konzentration an "gutem" HDL-Cholsterin eine fast ebenso wichtige Rolle.  
Das erklärten am Mittwoch österreichische Fachleute bei einer Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung der österreichischen Internisten vom 16. bis 18. September in Wien.
Verhältnis zwei zu eins angestrebt
"HDL wird noch unterschätzt. Es ist (bei zu geringen Werten, Anm.) der stärkste Vorhersagefaktor für das Ausmaß einer koronaren Herzkrankheit", erklärte etwa Heinz Drexel, Leiter der Abteilung für Innere Medizin in Feldkirch in Vorarlberg.

"Das gleiche konnten wir für die Atherosklerose der Beine feststellen. Das haben auch große Studien gezeigt. LDL liefert die Last für die Gefäße. HDL holt die Last, weil es das LDL wieder vom Ort des Übermaßes in den Blutgefäßen wegbringt. Wir sollten ein Verhältnis von LDL zu HDL von zwei zu eins erreichen."
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HDL-Cholesterin fungiert als "Abtransport-Vehikel"
Das HDL-Cholesterin fungiert demnach wie ein Abtransport-Vehikel für das "böse" LDL, das bei der Atherosklerose durch die Wand der Blutgefäße einwandert, oxidiert wird und schließlich zur Bildung von Verengungen (Plaques) führt.
->   Informationen zu Cholesterin in wikipedia.org
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Experte: LDL-Senkung als "Riesenerfolg"
"Wir haben 20 Jahre hinter uns, in denen es durch die Senkung von LDL mit Statinen zu einem Riesenerfolg bei der Verhinderung von Atherosklerose und ihrer Behandlung gekommen ist", sagte Gerald Maurer, Vorstand der Abteilung für Innere Medizin II am Wiener AKH.
Damit alleine ist es nicht getan
"Doch man darf nicht vergessen, dass wir diesen Erfolg nur bei 25 bis 30 Prozent der Patienten erzielen. Wir haben es in der Klinik immer wieder damit zu tun, dass es Herzpatienten mit einem relativ niedrigen LDL-Cholesterin gibt", so Maurer weiter.

Die "LDL"-Senkungs-Story sei nur ein Teil. Bei Mortalität, neuerlichen Infarkten etc. hätten zwei Drittel der Patienten bisher von der reinen LDL-Cholesterin-Senkung mit den bekannten Statinen nicht profitiert.

"Studien zeigen, dass eine Erhöhung des HDL-Cholesterins im Blut das Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse (Herzinfarkt etc., Anm.) um 22 Prozent reduziert. Mit LDL-Senkung allein ist es nicht getan." Hier benötige man neue Strategien.
Wie gut kennen sich die Österreicher aus?
Die Wiener Sozialmedizinerin Anita Rieder zitierte Daten aus einer repräsentativen Umfrage aus dem Juli dieses Jahres in Österreich, bei der es um das Wissen der Bevölkerung in Sachen Cholesterin ging.

Fazit: Nur 44 Prozent der Österreicher kennen die Begriffe HDL- und LDL-Cholesterin. Allerdings hat sich das Wissen über die Blutfette insgesamt verbessert. Die Expertin: "1990 gaben 50 Prozent der Österreicher an, dass bei ihnen schon ein Mal der Cholesterinwert gemessen worden war. Heute sind es 91 Prozent."
Gentech-HDL gegen Atherosklerose
Die - im Grunde bereits seit Jahren unterschwellig geführte - Diskussion über die Bedeutung des "guten" Cholesterins ist in der jüngsten Vergangenheit durch neue US-Studien wieder angeheizt worden.

David Nissen von der Universitätsklinik in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio gab Atherosklerose-Patienten ein gentechnisch hergestelltes HDL-Cholesterin (ApoA-I Milano) per Infusion. Darauf hin bildete sich bei den Patienten binnen weniger Wochen das Volumen von "Kalkbelägen" in den Herzkranzarterien um 14 Prozent zurück.

Das wurde von Nissen und seinem Team durch Ultraschall-Untersuchungen belegt. Ein US-Pharmakonzern arbeitet bereits an der Nutzung dieser Strategie.
Experten plädieren für Doppelstrategie
In der Prävention und der Behandlung der Atherosklerose auf beiden "Cholesterin-Ebenen" ist laut den Wissenschaftlern eine Doppelstrategie notwendig: Mit Statinen kann der LDL-Wert stark gesenkt, das HDL aber nur gering erhöht werden.

Die Kombination von Fibraten mit Statinen ist wiederum wegen potenzieller schwerer Nebenwirkungen verpönt.
Lösung: Altes Medikament in neuer Form?
Hier könnte ein alter Wirkstoff zur HDL-Erhöhung in Zukunft eine größere Rolle spielen: Niacin (Nikotinsäure, eine Art Vitamin).

"Eine Steigerung des HDL ist natürlich in erster Linie durch Bewegung, Nichtrauchen und Ernährung anzustreben", erklärte Bernhard Ludvik, Stoffwechselexperte am Wiener AKH. Reicht das nicht aus, kann das Niacin die Konzentration des "guten" Cholesterins deutlich erhöhen.

Ein Medikament ("Niaspan") mit der Substanz in einer neuen Formulierung bringt Verbesserungen. Dabei wird der Wirkstoff verzögert freigesetzt. Das reduziert die Nebeneffekt deutlich. Die Einnahme muss nur noch ein Mal am Tag erfolgen.
Bis zu 30 Prozent Plus bei HDL
Das Medikament führt auch zu einer Verringerung der Triglycerid-Fette. Die HDL-Konzentration im Blut kann um bis zu 30 Prozent steigen.
US-Studie zeigte Wirkung der Kombinationstherapie
In der US-HATS-Studie zur Behandlung der Atherosklerose wurde in eindeutig positiver Effekt einer solchen Kombinationstherapie belegt. Dabei bekamen die Patienten das Statin Simvastatin und Niacin oder das Statin allein.

"Die Kombination des Statins mit Niacin hat das Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse im Vergleich zu Placebo um 90 Prozent gesenkt", erklärte Ludvik. Laut den Wissenschaftlern sollte jeder Mensch in seinem Blut mehr als 50 Milligramm HDL-Cholesterin pro Deziliter aufweisen.
->   Abteilung für Innere Medizin im LKH Feldkirch
->   Abteilung für Innere Medizin II am AKH Wien (Kardiologie)
->   Alles zum Stichwort Cholesterin in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010