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Langes Hirnwachstum: "Erfindung" des modernen Menschen  
  Die frühen Vorfahren des Menschen verfügten nach neuesten Forschungen über keine komplexe Sprache und nur geringe Erkenntnisfähigkeiten. Dies schließen Forscher aus Untersuchungen eines 1,8 Millionen Jahre alten Kinderschädels. Sie fanden heraus, dass das Hirnwachstum nach der Geburt beim Homo erectus viel früher abgeschlossen war als beim heutigen Menschen.  
Wie Forscher um Prof. Jean-Jacques Hublin vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und Hélène Coqueugniot von der Universität Bordeaux berichten, ähnelte die Gehirnentwicklung des Homo erectus offenbar den nächsten heute lebenden Verwandten des Menschen: Schimpanse und Bonobo.
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Die Studie "Early brain growth in Homo erectus and implications for cognitive ability" von H. Coqueugniot et al. erschien im Fachjournal "Nature" (Band 431, S. 299-302, Ausgabe vom 16.9.04).
->   Das Abstract der Studie in "Nature"
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Besondere Gehirnentwicklung beim Menschen
Die nun veröffentlichten Forschungen zeigen, dass sich die etwa zehnjährige Dauer der Hirnentwicklung außerhalb des Mutterleibes beim modernen Menschen erst relativ spät in der Evolution herausgebildet hat.

Nach Ansicht der deutsch-französischen Forschergruppe war das möglicherweise erst nach dem Auftauchen des gemeinsamen Vorfahren des modernen Menschen (Homo sapiens) und des Neandertalers (Homo neanderthalensis) vor rund zwei Millionen Jahren der Fall.
Hirnwachstum macht Kognition
Gerade die lange Wachstumsphase des Gehirns nach der Geburt ( von Fachleuten "sekundäre Altrizialität" genannt) macht aber den Unterschied im Denkvermögen zwischen dem Menschen von heute und seinen frühen Vorfahren aus.

Bisher war in der Wissenschaft umstritten, zu welchem Zeitpunkt in der Evolution des Menschen die lange Phase des Hirnwachstums eintrat.
Untersuchungsobjekt: Mojokerto-Kind aus Java
Bild: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Erstmals hatten die Forscher den gut erhaltenen Schädel des Mojokerto-Kindes, eines Homo-erectus-Fundes aus Java (Indonesien), mittels Computertomographie untersucht (siehe Bild rechts).

Dabei stellten sie fest, dass das Kind bei seinem Tod etwa ein Jahr alt war und sein Gehirnvolumen 72 bis 84 Prozent von dem eines erwachsenen Homo erectus betrug. Beim modernen Menschen liegt der Wert bei 50 Prozent.

Vergleiche ergaben, dass das Gehirnwachstum außerhalb des Mutterleibes beim frühen Vorfahren ähnlich schnell abgeschlossen war wie bei Schimpansen, aber wesentlich früher als beim modernen Menschen.
Ältere Studien korrigiert
Frühere Altersbestimmungen des 1936 gefundenen Mojokerto-Kindes waren zunächst von einer Spanne zwischen 18 Monaten und 8 Jahren, später von 4 bis 6 Jahren ausgegangen. Die Computertomographie ermöglichte den Forschern die Präzisierung des Alters anhand der inneren Schädelstrukturen.
->   Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
->   Universität Bordeaux
->   Mehr zum Homo erectus im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010