News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Zehnter Todestag von Karl Popper  
  Er war "der Mann, der Karl Marx begrub", der "Drachentöter des Totalitarismus" und "The Man who taught us to be wrong", wie Zeitungen zu seinem Tod titelten. Vor zehn Jahren, am 17. September 1994, starb mit Karl Popper einer der bedeutendsten Wissenschaftsphilosophen des vergangenen Jahrhunderts.  
Zwei prägende Ereignisse
Popper wurde am 28. Juli 1902 am Himmelhof in Ober Sankt Veit in Wien geboren. Zwei völlig unterschiedliche Ereignisse des Jahres 1919 beeinflussten maßgeblich die intellektuelle Entwicklung des Österreichers:

In Wien wurden mehrere kommunistische Arbeiter beim Versuch, inhaftierte Jugendliche zu befreien, von der Polizei erschossen. Etwa zur gleichen Zeit überprüften britische Forscher im Pazifik anhand einer totalen Sonnenfinsternis erfolgreich Albert Einsteins Eklipse-Voraussage.
->   Lebenslauf von Karl Popper bei Wikipedia
Frühe Abneigung gegen Dogmatismus
Bild: dpa
Von beiden Ereignissen sagte Popper, dass sie über Jahre hinaus den vielleicht wichtigsten Einfluss auf sein Denken ausgeübt haben.

Die Eskalation der Gewalt in Wien - für die er sich als Marxist mitverantwortlich fühlte - ließ Popper den "dogmatischen Charakter des Marxismus und seine unglaubliche intellektuelle Anmaßung erkennen".

"Meine Begegnung mit dem Marxismus ... lehrte mich die Weisheit der sokratischen Bemerkung 'ich weiß, dass ich nichts weiß',
... und wie wichtig intellektuelle Bescheidenheit ist. Durch sie wurde mir der Gegensatz zwischen dem dogmatischen und dem kritischen Denken bewusst", so Popper.
->   Stanford Encyclopedia of Philosophy zu Karl Popper
Theorien müssen Überprüfungen standhalten
Bei der erfolgreichen Überprüfung von Einsteins Vorhersage, dass das Licht vom Gravitationsfeld der Sonne abgelenkt wird, beeindruckte Popper vor allem Einsteins klare Feststellung, dass er seine Theorie als unhaltbar aufgeben würde, falls sie gewissen Überprüfungen nicht standhielte.

"Das war eine Einstellung, die sich von der dogmatischen Einstellung von Marx, Freud und Adler grundsätzlich unterschied", schrieb Popper in seiner Autobiografie "Ausgangspunkte".
->   The Karl Popper Web (Dublin City University)
...
Zentrales Prinzip der Wissenschaft: Falsifikation
Er kam zu dem Schluss, "dass die wissenschaftliche Haltung die kritische war, die nicht auf 'Verifikation' ausging, sondern kritische Überprüfungen suchte: Überprüfungen, die die Theorie widerlegen, falsifizieren konnten, aber nicht verifizieren."
->   Karl Popper: Science as Falsification (stephenjaygould.org)
...
Kontakt zum Wiener Kreis
In den späten 1920er-Jahren lernte Popper Herbert Feigl, ein Mitglied des "Wiener Kreises" kennen. Feigl ermunterte Popper, seine Ideen zur Wissenschaftstheorie, die ihn während seiner Ausbildungszeit immer wieder beschäftigten, in Buchform zu veröffentlichen.
Erstlingswerk: "Grundprobleme der Erkenntnistheorie"
Poppers "Erstling" trug den Titel "Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie" und war eine kritische Diskussion und Korrektur der Ideen des "Wiener Kreises".

Da das Manuskript zu umfangreich war, wurde es allerdings vom Verlag nicht akzeptiert. Aus der Kurzfassung ging schließlich 1934 die "Logik der Forschung" hervor.
Hauptwerk Nr.1: "Logik der Forschung"
Der Erfolg der "Logik der Forschung" brachte Popper in den Jahren 1935 und 1936 Einladungen zu Vorlesungen nach England. Ende 1936 erhielt er eine Dozentur am Canterbury University College in Christchurch, Neuseeland, angeboten, die er 1937 - ein Jahr vor Hitlers Einmarsch in Österreich - annahm.
->   Auszüge aus der "Logik der Forschung" (Uni Rostock)
Hauptwerk Nr.2: "Die offene Gesellschaft"
In Neuseeland beschäftigte er sich unter anderem mit der Ausarbeitung seiner Sozialphilosophie. 1944 wurde seine Arbeit "Das Elend des Historizismus" zunächst in einer Zeitschrift veröffentlicht, und 1945 erschien eines seiner bekanntesten Bücher, sein sozialphilosophisches Hauptwerk "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde".
->   Auszüge aus "The Open Society"
...
Wider Hegel, Marx und Plato
Darin setzte sich Karl Popper ausführlich mit Plato, Hegel und Marx auseinander und entwickelt seine Idee einer "offenen Gesellschaft", die im Geist der Aufklärung gegen jede Form des Totalitarismus gerichtet ist. Er verwarf den Historizismus, der an absolute Gesetze des Ablaufs der Weltgeschichte glaubt. Beide Schriften waren Poppers Versuch, "einen Beitrag zum Krieg zu leisten".
->   Poppers Kritik am Historizismus (TU-Berlin)
...
Der kritische Rationalismus
In der "Offenen Gesellschaft" argumentierte Popper, dass man "'Vernunft' und 'Vernünftigkeit' am besten als Offenheit für Kritik interpretieren kann - als Bereitschaft, sich kritisieren zu lassen, und als den Wunsch, sich selbst zu kritisieren; und ich versuchte Gründe dafür anzugeben, dass diese kritische oder vernünftige Einstellung auf so viele Gebiete wie möglich ausgedehnt werden sollte".

Popper schlug vor, diese Forderung als "kritischen Rationalismus" zu bezeichnen.
->   Kritischer Rationalismus bei Wikipedia
Akademische Heimat: London School of Economics
1945 erhielt Popper eine Einladung Friedrich August von Hayeks für eine außerordentliche Professur an der London School of Economics and Political Science (LSE), ein Teil der Universität London, der er bis zu seiner Emeritierung (1969) angehörte. Popper hat seine philosophischen Positionen in einer Reihe von Abhandlungen weiterentwickelt.

Er beschäftigte sich mit der Quantentheorie und der Wahrscheinlichkeitstheorie ebenso wie mit Darwins Evolutionstheorie oder dem "Leib-Seele-Problem".
Adelung und Auszeichnung
1965 wurde Popper von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Der Philosoph erhielt zahlreiche Ehrendoktorate, Auszeichnungen und Ehrungen.

Nach dem Tod seiner Frau 1985 zog sich Popper in ein Landhaus in der Nähe Londons zurück. Dort starb er am 17. September 1994. Nach seiner Einäscherung wurde Poppers Urne nach Wien überführt. Hier wurde er auf eigenen Wunsch am Friedhof Lainz an der Seite seiner Frau beigesetzt.
->   London School of Economics
->   Karl-Popper-Sammlung (Uni Klagenfurt)
->   Das Stichwort Popper im science.ORF.at-Archiv
...
Ö1-Dimensionen
Dem 10. Todestag Karl Poppers widmen sich auch die Ö1-Dimensionen vom 17. September 2004 unter dem Titel "Die offene Gesellschaft in drei Welten", 19.05 Uhr, Radio Österreich 1.
->   Ö1
...
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010