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Die bizarren Wege der (tierischen) Fortpflanzung  
  Promiske Paarungsmuster sind im Tierreich weit verbreitet: Sowohl Männchen als auch Weibchen greifen dabei auf mehr als einen Partner für die Fortpflanzung zurück. Allerdings versucht jedes Individuum, den eigenen Erfolg zu optimieren. Das führt mitunter zu recht bizarr anmutenden Strategien und Verhaltensweisen - etwa der so genannten "Spermien-Konkurrenz". Bei männlichen Wiesenwühlmäusen steigert beispielsweise allein der Geruch eines Konkurrenten die Samenproduktion. Und beim Bankivahuhn trägt sich der sexuelle Konflikt gar zwischen den Geschlechtern aus.  
Konkurrenz bei der Balz ist im Tierreich nichts Besonderes. Schließlich geht es - streng nach den Gesetzen der Soziobiologie - dem Einzelnen letztlich immer darum, den eigenen (genetischen) Fortpflanzungserfolg zu maximieren.
Für ein Maximum an Nachkommen
Mit anderen Worten: Bei vielen Arten trachtet das Männchen danach, möglichst viele Weibchen mit seinem Samen zu beglücken - und so das Maximum an Nachkommen herauszuholen. Dass sich dabei die männlichen Konkurrenten in die Quere kommen, versteht sich.
Wiesenwühlmäuse steigern Spermienproduktion
Auch bei männlichen Wiesenwühlmäusen ist dies der Fall. Die Nager greifen daher - im Rahmen der so genannten Spermien-Konkurrenz (sperm competition) - auf eine bewährte Methode zurück: Sie steigern ihre Spermienproduktion.

Dafür genügt den männlichen Wiesenwühlmäusen allerdings schon der Geruch eines Konkurrenten, wie nun Javier delBarco-Trillo und Michael H. Ferkin von der Universität Memphis im britischen Fachmagazin "Nature" berichten.
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Die Studie von Javier delBarco-Trillo und Michael H. Ferkin ist unter dem Titel "Male mammals respond to a risk of sperm competition conveyed by odours of conspecific males" in "Nature", Bd. 431, Seiten 446-449, Ausgabe vom 23. September 2004 erschienen.
->   Abstract der Originalstudie in "Nature"
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Wettkampf um Eizellen-Befruchtung
"Spermien-Konkurrenz tritt auf, wenn ein Weibchen sich mit zwei oder mehr Männchen paart - und das Sperma dieser Männchen innerhalb der weiblichen Reproduktionsorgane um die Befruchtung der Eizellen konkurrieren muss", heißt es erläuternd in der Studie.

Das hat im Laufe der Evolution zu unterschiedlichsten Strategien geführt, mit denen die Männchen jenen Konkurrenzkampf zu gewinnen hoffen. Eine der verbreitetsten: Man(n) erhöht die Anzahl der Spermien, im Fachjargon als "Spermien-Investment" bezeichnet.
->   Mehr zur sperm competition in wikipedia.org
Wiesenwühlmaus: Schon Geruch reicht aus
Die Grundsituation der "Spermien-Konkurrenz" ist auch bei der Wiesenwühlmaus (Microtus pennsylvanicus) gegeben. Und hier konnten die Forscher nun zeigen, dass alleine der Geruch eines fremden Männchens die Fortpflanzungsstrategie maßgeblich verändert:

Sie setzten Männchen der Wiesenwühlmaus vor der Paarung in Käfige, die den Geruch fremder Männchen enthielten. Das Ergebnis: Die Spermienzahl war bei diesen Tieren signifikant höher, als bei Artgenossen, die dem Geruch der Konkurrenten nicht ausgesetzt waren.
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Kurioses aus dem Reich der Gliederfüßler
Auch bei den Gliederfüßlern finden sich reihenweise kuriose Geschichten rund um die Paarung: Bekannt ist der "sexuelle Kannibalismus" - manche Insekten und Spinnen fressen nach oder gar während der Paarung ihre meist widerstrebenden Partner. Das Männchen "opfert" sich als Nährstofflieferant für den eigenen Nachwuchs. Bei der australischen Krabbenspinne Diaea ergandros wiederum opfert sich das Weibchen - und wird zuvor noch ein zweites Mal trächtig und damit besonders nahrhaft. Bei der Gartenspinne Argiope aurantia schließlich sterben die Männchen wenige Minuten nach der Besamung am genetisch programmierten Herztod. Dadurch verlängern sie vermutlich den Kopulationsvorgang - und verringern die Wahrscheinlichkeit, dass das Weibchen sich mit einem neuen Partner paart.
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"Kampf der Geschlechter" beim Bankivahuhn
Noch bizarrer mutet der "Kampf der Geschlechter" beim Bankivahuhn (Gallus gallus) an: Denn hier kommt es auch zur Inzucht - und zu nahe Verwandtschaft wirkt sich bekanntermaßen nicht unbedingt positiv auf die Fitness der Nachkommen aus.

Da die Weibchen dieser Art mehr Energie in die Reproduktion investieren als die Männchen, entsteht hier gewissermaßen ein Konflikt zwischen den Geschlechtern.
Paarung mit mehreren Männchen
Die weiblichen Bankivahühner - die Tiere gelten als Vorfahren der Haushühner - paaren sich während ihrer fruchtbaren Phase mit mehreren Männchen. Auch hier kommt also grundsätzlich die Situation der Spermien-Konkurrenz zum tragen.

Wie Biologen um Tommaso Pizzari von der schwedischen Universität für Landwirtschaft nun in den "Proceedings of The Royal Society B: Biological Sciences" berichten, gibt es allerdings den Sonderfall der Inzucht, bei dem beide Geschlechter jeweils versuchen, die Strategie des anderen auszuhebeln.
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Die Studie von Tommaso Pizzari, Hanne Lovlie und Charles Cornwallis erscheint unter dem Titel "Sex-specific, counteracting responses to inbreeding in a bird" als Online-Vorabpublikation in den "Proceedings of The Royal Society B: Biological Sciences".
->   Proceedings of The Royal Society B
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Weibchen verwenden "Sperma-Selektion"
Da bei den Bankivahühnern die Männchen deutlich größer sind, können sich die jeweiligen Weibchen nicht gegen die - beim eigenen Bruder etwa grundsätzlich unterwünschte - Paarung wehren.

Doch die Damen haben ihre eigene Strategie, wie die Forscher nun berichten: Sie konnten laut Studie zeigen, dass nach der Kopulation mit nahe verwandten Gockeln weniger Sperma "einbehalten" wurde. Ein Phänomen, das sich "Spermien-Selektion" (sperm selection) nennt.
Männchen steigern Sperma-Produktion
Den Männchen allerdings ist der Verwandtschaftsgrad ganz offensichtlich egal. Sie paarten sich nach Angaben der Biologen genauso häufig mit nicht verwandten Weibchen wie mit Geschwistern.

Und dabei zeigte sich zudem, dass sie ihre Schwestern mit vergleichsweise viel Sperma bedacht wurden. Das wiederum deuten Pizzari und Kollegen als eine Methode, der weiblichen Spermien-Selektion entgegenzuwirken.

Ihre Interpretation der Studienergebnisse: Der sexuelle Konflikt rund um Inzucht könnte eine Art evolutionäres "Wettrüsten" zwischen den Geschlechtern ausgelöst haben.
->   University of Memphis Department of Biology
->   Swedish University of Agricultural Sciences
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01.01.2010