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Buch über die neue Zeitkultur  
  Der Münchner Wirtschaftspädagoge und "Zeitforscher" Karlheinz Geißler beschreibt in seinem neuen Buch den Menschentypus als "Simultant", der immer schneller leben und erleben will.  
Wir "Simultanten"
Wenn es nicht mehr schneller geht, dann muss es halt gleichzeitig sein. Nicht eines nach dem anderen erledigen, sondern eines tun und das nächste vorbereiten. Das meiste wird dabei gerade noch rechtzeitig erledigt.

So kann man die Lebensweise des "Simultanten" auf den Punkt bringen. Der Simultant ist jener Menschentypus, den Karlheinz Geißler, Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität der Bundeswehr München, in seinem neuen Buch beschreibt.

Mittel zum Zweck sind Computer, Internet-Anschluss und Mobiltelefon: beim Autofahren wird telefoniert, im Schulunterricht werden SMS verschickt, Geschäftsbesprechungen werden in Restaurants verlegt, viele TV-Stationen blenden zu den Nachrichten Informationen zu anderen Themen ein (z.B. Aktienkurse).
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Karlheinz A. Geißler: "Alles. Gleichzeitig. Und zwar sofort. Unsere Suche nach dem pausenlosen Glück." Herder Sachbuch 2004. 224 Seiten; 20,50 Euro
->   Das Buch beim Herder-Verlag
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Zeitverdichtung: Beispiel Wirtschaftswachstum
Wir stünden am Anfang des Simultanten-Lebens, meint Geißler im ORF-Radio. Die von ihm beschriebene Zeitkultur werde in Zukunft unsere Gesellschaft umstrukturieren:

"Das liegt daran, dass wir besonders in der Wirtschaft versuchen, durch Vergleichzeitigung Zeit zu gewinnen. Es gibt keine Regierung in westlichen Ländern, die davon Abstand nimmt, Wachstum zu erzeugen und Wachstum ist nur möglich durch entsprechende Initiativen, die Zeit zu beschleunigen. Das erreichen wir durch Zeitverdichtung."
Mithalten wird schwerer
Das verdichtete Leben werde älteren Menschen Probleme beim Mithalten bereiten, meint Karlheinz Geißler auf Radio "Österreich 1":

"Wir bekommen eine Gesellschaft, die rund um die Uhr vertaktet die nonstop organisiert ist und auch nonstop funktioniert. Die Ruhe- und Wartezeiten werden aus dieser Gesellschaft verschwinden. Das halte ich für nicht unproblematisch."

Außerdem sagt Karlheinz Geißler eine Entwicklung voraus, durch die die Gesellschaft permanent auf ihre Wünsche zugreifen werde ¿ d.h. eine Gesellschaft, die ihre Wünsche mit sofortiger Erfüllung belohne.
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Leseprobe: Kritik am Multitasking
"Die Angestellten städtischer Verkehrsbetriebe sind jedoch nicht die einzigen und bei weitem auch nicht die auffälligsten und anfälligsten Personen, denen solche Parallelarbeit zugemutet wird. Die allermeisten Menschen vergleichzeitigen ihr Tun freiwillig. Sie begrüßen diese Arbeitsverdichtung als eine neue Form von Lebensqualität, die ihnen Abwechslung, Möglichkeitsvielfalt und wachsende Entscheidungsfreiheit verspricht. Manche weisen auch stolz darauf hin, dass sie multitasking-fähig sind."
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Immer online, up to date und erreichbar
Das Mobiltelefon kommt in Geißlers Buch nicht sehr gut weg, dennoch hat der Professor selbst ein Handy und hält es auch für sinnvoll. Dafür, meint er, habe er keine Uhr. Denn, wie er schreibt, "die Zeit der Uhr läuft ab. Das Handy organisiert den Zeitplan."

Gegenüber dem ORF meint Geißler, er koordiniere seine Zeit ohne Uhr und zusehendes mit dem Mobiltelefon ¿ er müsse das auch tun, da Termine immer kurzfristiger ausgemacht und verschoben würden.
Bewusster Umgang mit Zeit?
Der Menschentypus des Simultanten sei sich nicht immer seiner Handlungen bewusst, meint Geißler, denn der Simultant organisiere die Zeit nicht unbedingt bewusst, jedoch schneller und kurzfristiger.

Das Buch "Alles. Gleichzeitig. Und zwar sofort." hat Karlheinz Geißler übrigens all jenen gewidmet, die Zeit haben.

Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft
 
 
 
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01.01.2010