News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Vulkanische Gase - Missing Link der chemischen Evolution  
  Wie sich erstmals in der Erdgeschichte Proteine - unverzichtbare Baustoffe jedes Lebewesens - gebildet haben, war bislang eine ungelöstes Rätsel. US-amerikanische Forscher dürften nun die Antwort gefunden haben: Sie zeigten, dass die gewünschte chemische Reaktion in Anwesenheit von vulkanischen Gasen von statten geht.  
Wie ein Team um Leslie Orgel vom Salk Institute in San Diego berichtet, vereinigen sich Bausteine von Proteinen in der Gegenwart des Gases Carbonylsulfid spontan zu kurzen Ketten. Das weist darauf hin, dass sich die ersten Eiweißstoffe einst in der Nähe von Vulkanen gebildet haben könnten.
...
Die Studie "Carbonyl Sulfide - Mediated Prebiotic Formation of Peptides" von Luke Leman, Leslie Orgel und M. Reza Ghadiri erschien im Fachjournal "Science" (Band 306, S. 283-6, Ausgabe vom 8.10.04).
->   Zum Original-Abstract (kostenpflichtig)
...
Grundlage des Lebens - drei Molekültypen
Das Phänomen Leben basiert, biochemisch betrachtet, auf dem Zusammenspiel von drei Molekültypen. Zum einen benötigt man Nukleinsäuren als Informationsträger, zum zweiten bedarf es so genannter Lipide als hauptsächlichem Bestandteil von Membranen.

Die dritte Stoffklasse bilden die Eiweiße: Diese Moleküle werden oft als Exekutive in der lebenden Zelle bezeichnet, da sie - nebst anderen wichtigen Aufgaben - vermittels ihrer Fähigkeit zur chemischen Katalyse eine Unzahl an Reaktionen ermöglichen.

Daraus lässt sich folgern: Gäbe es keine Proteine, dann wäre auch Leben, zumindest in der Form wie wir es kennen, unmöglich.
Wie entstanden die ersten Proteine?
Daher ist es nicht unwichtig herauszufinden, unter welchen Bedingungen Eiweiße erstmals auf der Erde entstanden sind. Was deren Bausteine - nämlich die Aminosäuren - betrifft, kann man deren Bildung relativ gut nachvollziehen.

Erste Hinweise darauf haben etwa die US-amerikanischen Chemiker Stanley Miller und Harold Clayton Urey im Jahr 1953 erbracht.
Das Ursuppen-Experiment
Miller und Urey vereinigten Wasser, Methan, Ammoniak und Wasserstoff in einem Glaskolben und setzten das Gemisch Hitze sowie elektrischen Entladungen aus - Bedingungen, wie sie auch in der Uratmosphäre der Erde geherrscht haben dürften.

Bekanntes Resultat des klassischen Experiments: Es bildeten sich Fettsäuren, Zucker sowie einige Aminosäuren, darunter etwa Alanin und Glycin, die auch in der lebenden Zelle vorkommen.

Mittlerweile gibt es für diesen Prozess auch eine Reihe alternativer Szenarien, hoch im Kurs sind beispielsweise Theorien, denen zufolge Aminosäuren via Meteoriteneinschlag aus dem Kosmos importiert wurden.
->   Weitere Infos dazu bei Wikipedia
Ernüchterung durch Wissenslücke
Allerdings flaute der Optimismus, den das Miller-Urey-Experiment ursprünglich auslöste, relativ schnell ab. Denn wie die chemische Entwicklung zu komplexeren Gebilden vonstatten gehen sollte, konnte nicht so einfach beantwortet werden.

Man hat es also auf diesem Forschungsgebiet mit einer ziemlich hartnäckigen Erkenntnislücke zu tun: Man weiß ungefähr, wie sich die Bausteine der Proteine gebildet haben und man weiß, wie komplexe Eiweiße funktionieren. Was dazwischen geschah, bleibt weitgehend im Dunkeln.
Orgel: "Jeder täuscht sich..."
Leslie Orgel, einer der Altmeister der Präbiotik, formuliert das Grundproblem seiner Disziplin folgendermaßen: "Jeder, der behauptet, er wisse die Lösung für das Problem des Ursprungs des Lebens, täuscht sich."

Aber, so fügt er hinzu, "es täuscht sich auch jeder, der meint, es handle sich dabei um ein prinzipiell unlösbares Problem."
...
Literatur-Tipp
Eine mittlerweile klassische Einführung zu diesem Themenbereich bietet der Aufsatz "The Origin of Life on the Earth" von Leslie Orgel, der im Jahr 1994 in der Zeitschrift "Scientific American" (Band 271, S.82) erschien.
->   Reprint des Artikels (Univ. of California)
...
Gas hilft Aminosäuren auf die Sprünge
Einen kleinen, aber durchaus wichtigen Beitrag zur angestrebten Lösung konnte Leslie Orgel nun gemeinsam mit seinen Kollegen Luke Leman und M. Reza Ghadiri vom Scripps Research Institute beisteuern.

Sie fanden heraus, dass sich in Wasser gelöste Aminosäuren in Anwesenheit des Gases Carbonylsulfid innerhalb von Minuten bis Stunden spontan zu Zweier-, Dreier- und Viererketten verbinden.

Die Reaktion läuft unter Raumtemperatur ab und funktioniert außerdem unter An- wie auch Abwesenheit von Luft und verschiedenen metallischen Ionen.
Vulkane als chemische Geburtshelfer
Freilich, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer - und kurze Peptidketten noch kein funktionstüchtiges Protein. Die Entdeckung der US-amerikanischen Präbiotiker zeigt aber, dass das eingesetzte Gas ein echtes Missing Link der chemischen Evolution darstellt.

Denn Carbonylsulfid kommt, wie Orgel und Mitarbeiter in ihrer Arbeit schreiben, zu immerhin 0,1 Prozent in den Ausgasungen von Vulkanen vor. Und die waren bekanntlich schon aktiv, als es auf der Erde noch kein Leben gab.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Salk Institute for Biological Studies
->   Scripps Research Institute
Mehr zu diesem Thema in sience.ORF.at
->   Ursprung des Lebens: Doch die DNA? (5.4.04)
->   Stammt die Form der Biomoleküle aus dem Kosmos? (20.2.04)
->   Wann der Sauerstoff in die Atmosphäre kam (11.1.04)
->   Lehm: Der Ursprung des Lebens? (24.10.04)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010