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Forscher kultivieren viereckige Bakterien  
  Wissenschaftlern ist es erstmals gelungen, einen besonders ungewöhnlichen Vertreter aus der Welt der Mikroben im Labor zu züchten. Dabei handelt es sich um briefmarkenförmige, d.h. tatsächlich viereckige Bakterien, die auch in punkto Lebensbedingungen das Ungewöhnliche lieben: Sie gedeihen am besten in konzentrierten Salzlösungen, die noch dazu besonders nährstoffarm sind, wie die Forscher herausfanden.  
Bereits 1980 entdeckt
Bild: Mike Dyall-Smith, University of Melbourne
Die eckigen Bakterien wurden bereits im Jahr 1980 vom britischen Mikrobiologen Anthony Walsby in einem Salzsee in der Nähe des Roten Meers entdeckt.

Seit damals versuchten mehrere Forschergruppen "Walsby's square archaeon", wie die eckigen Winzlinge im Fachjargon genannt werden (eine Bezugnahme auf die Großgruppe der so genannten Archaebakterien), unter Kulturbedingungen zum Wachsen zu bewegen.
->   Mehr zu Archaebakterien bei Wikipedia
Annahme: "Unkultivierbar"
Doch vergebens: Alle bisherigen Versuche scheiterten. "Die Annahme war, dass sie unkultivierbar sind", meint Mike Dyall-Smith von der University of Melbourne, der als erster eine erfolgreiche Kultivierungsmethode publiziert hat, im Online-Dienst von "Nature".
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Die Studie "Cultivation of Walsby¿s square haloarchaeon" von D.G. Burns, Dyall-Smith et al. erschien im Fachjournal "FEMS Microbiology Letters"Band 238, S. 469-73, Ausgabe vom 15.9.04.
->   Zum Original-Abstract
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Mikro-Briefmarken
Die Bakterien sind rund 0,15 Mikrometer groß (bzw. klein) und weisen eine wirklich ungewöhnliche Form auf: "Sie sehen aus wie Briefmarken", beschreibt Henk Bolhuis von der Universität Groningen die außerordentlich flachen und nahezu quadratischen Mikroben.

Bolhuis leitet die zweite Forschergruppe, die nun einen Erfolg bei den bislang so schwierigen Zuchtversuchen vermelden konnte.
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Die Studie "Isolation and cultivation of Walsby's square archaeon" von Henk Bolhuis et al. wird im Fachjournal "Environmental Microbiology" erscheinen.
->   Environmental Microbiology
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Weniger ist mehr
Grund für den jetzt eingetretenen Erfolg dürfte die Erkenntnis sein, dass bei dieser Spezies weniger offenbar mehr bedeutet. Die Briefmarken-Bakterien leben nämlich nicht nur in rund 18-prozentigen Salzlösungen (das entspricht in etwa dem Salzgehalt von Sojasauce), sie lieben es paradoxerweise auch sehr nährstoffarm.
Gemächliches Wachstum
Dies deshalb, weil unter solch unwirtlichen Bedingungen ihre Chancen gegen konkurrierende Spezies steigen. Die salzliebenden (Fachbegriff: "halophilen") Archaebakterien wachsen zudem sehr langsam und bringen es innerhalb von ein bis zwei Tagen gerade mal auf eine Zellteilung.

Zum Vergleich: Der Mikrobiologen liebstes "Haustier", das Darmbakterium Escherichia Coli, ist mit drei Teilungen pro Stunde dagegen ein echter Sprinter.
Name steht noch nicht fest
Noch gibt es keinen offiziellen Namen für die Bewohner salziger Tümpel, die Arbeitsgruppe um Henk Bolhuis schlägt in Anlehnung an Form, Entdecker und Lebensweise Haloquadratum walsby vor.

Einen angewandten Nutzen hat das Ganze im Übrigen auch: Mit den publizierten Kultivierungsmethoden lassen sich nun die Überlebensstrategien von Mikroben in extremen Ökosystemen - wie etwa Salzseen - studieren.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Website von Mike Dyall-Smith (University of Melbourne)
->   University of Groningen
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   "Dressierte" Bakterien als Nanotech-Werkzeuge (14.7.03)
->   Bakterien können extremen Druck aushalten (21.2.02)
->   Strahlungsresistent: Conan, das Bakterium (9.1.02)
 
 
 
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01.01.2010