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Nachgewiesen: Raum und Zeit verhalten sich wie Honig  
  Der so genannte Lense-Thirring-Effekt ist eine Konsequenz der Allgemeine Relativitätstheorie und besagt, dass Raum und Zeit von massiven rotierenden Körpern - gewissermaßen wie Honig - "mitgeschleppt" werden. Im Jahr 1918 von zwei österreichischen Physikern vorhergesagt, konnte dieses bizarre Phänomen nun erstmals nachgewiesen werden.  
Ignazio Ciufolini von der Universita di Lecce und Erricos Pavlis von der University of Maryland haben in mehrjähriger Vermessungarbeit gezeigt, dass die Flugbahn der Satelliten LAGEOS 1 und 2 durch diesen Effekt tatsächlich verändert wird, allerdings nur um wenige Meter.
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Die Studie "A confirmation of the general relativistic prediction of the Lense-Thirring effect" von I. Ciufolini und E. C. Pavlis erschien im Fachjournal "Nature" (Band 431, S. 958-60, Ausgabe vom 21.10.04; doi:10.1038/nature03007).
->   Zum Original-Abstract
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Vorhersage durch Joseph Lense und Hans Thirring
Im Jahr 1918, also zwei Jahre nachdem die Allgemeine Relativitätstheorie veröffentlicht wurde, entdeckten die beiden österreichischen Physiker Joseph Lense (1890-1985) und Hans Thirring (1888-1976) eine eigentümliche Konsequenz der Einsteinschen Gleichungen.

Der heute nach ihren Entdeckern benannte Effekt besagt vereinfacht gesprochen, dass eine rotierende Masse alles in seiner Umgebung mitrotieren lässt, also auch Raum und Zeit. Da es dabei zu einer Verschiebung der physikalischen Bezugsrahmen kommt, nennt man den Effekt englisch auch "frame dragging".

Dies äußert sich unter anderem dadurch, dass etwa ein reibungsfreies Gyroskop (d.h. ein Gerät zur Untersuchung von Kreiselbewegungen) zu rotieren beginnt, wenn es in die Nähe eines sich drehenden Körpers gelangt.
->   Mehr zum frame dragging bei Wikipedia
Phänomen verändert Satellitenbahn
Bild: Center for Space Research, University of Texas
Dabei handelt es sich um ein so genanntes gravitomagnetisches Phänomen, das etwa in der Newtonsche Gravitationstheorie nicht beschrieben werden kann. Ignazio Ciufolini und Erricos Pavlis haben den Lense-Thirring-Effekt nun anhand einer genauen Vermessung der Flugbahnen der "Laser Geodynamics Satellites" LAGEOS 1 und 2 nachgewiesen.

Das war insofern eine schwierige Übung, als der Effekt zu äußerst geringen Abweichungen führt, die von anderen Wirkungen - etwa die Abweichung der Erde von der idealisierten Kugelform - überlagert werden können.

Bild rechts: Schwerkraftmodell der Erde. Rot sind Gebiete höherer Schwerkraft, blau solche mit geringeren Gravitationswerten markiert.
Allgemeine Relativitätstheorie bestätigt
Mit Hilfe eines präzisen Gravitationsmodells der Erde vom Geoforschungszentrum Potsdam war es nun möglich, solche verzerrenden Effekte "herauszurechnen". Übrig blieb schließlich eine Achsenverschiebung (Präzession) von 1,9 Metern pro Jahr. Diese Größe entspricht 99 +/- 5 Prozent jenes Wertes, der von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt wird.

[science.ORF.at, 21.10.04]
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Literatur-Tipp
Zu diesem Thema erschien in "Nature" (Band 431, S. 918-9, Ausgabe vom 21.10.04) der Artikel "Frame-dragging confirmed" von Neil Ashby, in dem die Forschungsergebnisse von Ciufolini und Pavlis in einem allgemeinen Rahmen diskutiert werden.
->   Zum Original-Artikel (kostenpflichtig)
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->   Universita di Lecce
->   University of Maryland
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Gravitationsradio: Humbug oder Weltsensation? (10.11.03)
->   Gravitations-Karte: Die Erde als Erdapfel (25.7.03)
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->   Physiker: Erdmagnetfeld beeinflusst Schwerkraft (24.9.02)
 
 
 
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01.01.2010