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Perfekter Körper wird immer mehr zur Illusion  
  In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Menschen unserer Breitengrade immer größer und immer dicker. Während Fettleibigkeit mancherorts schon zur "Epidemie" erklärt wird und sich Essstörungen weiter ausbreiten, haben sich auch unsere idealen Körperbilder verändert - sie waren noch nie so weit von der Realität entfernt wie heute.  
Den vielfältigen Aspekten des menschlichen Körpers ist die aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "New Scientist" in einem Spezialteil ("The Body - a new look") nachgegangen.
Kleine Großeltern, große Kinder
Bei Familientreffen dauert es meist nicht lange, bis Kinder und Jugendliche den Satz hören: "Du bist vielleicht groß geworden!" Dahinter steckt nicht nur, dass man sich länger nicht gesehen hat und der Nachwuchs in der Zwischenzeit tatsächlich gewachsen ist.

Wie T. J. Cole vom Institute of Child Health in London anhand statistischer Auswertungen nachweisen konnte, stehen die Chancen gut, dass "die Jugend" ihren Eltern und Großeltern auch in Zukunft über den Kopf wächst.
Aufschießende Niederländer
Alle Bewohner von Industrienationen sind in den letzten Jahrzehnten größer geworden. Den Rekord halten aber die Niederländer, die besonders seit dem 2. Weltkrieg in ungeahnte Höhen aufschießen.

Während 1965 der durchschnittliche Mann eine Größe von 1,74 Meter erreichte, waren es 1997 schon sechs Zentimeter mehr. Die durchschnittliche Niederländerin legte um fünf Zentimeter zu.
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Osteuropäer und Japaner auf der Überholspur
Aus der Reihe des in unseren Breiten durchschnittlichen Wachstums von einem Zentimeter pro Dekade fallen laut Statistik die Osteuropäer und Japaner. Sie legen im selben Zeitraum um mindestens drei Zentimeter zu.
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Entscheidend: Die ersten beiden Lebensjahre
Als Grund, warum die Enkel ihre Großeltern überragen, wird meist die bessere Ernährung angeführt. Das sei eben die "Glashausgeneration", heißt es dann.

Das greift aber zu kurz: Den Ausschlag gibt laut "New Scientist", wie lange die Knochen in den Beinen während der ersten beiden Lebensjahre werden. Wer von Anfang an eher kürzere Beine hat, wird den Rückstand kaum jemals aufholen können.
Nicht nur größer, sondern auch breiter
Die zweite Art von Wachstum, die man mit freiem Auge erkennen kann, ist jene des Körperumfangs. Zwar nimmt der "Body Mass Index" (BMI) darauf Rücksicht, dass unser Gewicht eben auch durch die zunehmende Größe steigt. Dennoch hat Fettlebigkeit mittlerweile in den USA die Ausmaße einer Epidemie angenommen.
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Berechnung des "Body Mass Index"
Der BMI berechnet sich aus dem Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. Eine Person mit einer Körpergröße von 165 cm und einem Körpergewicht von 60 kg hat also einen BMI von 22.
Als untergewichtig gilt ein BMI unter 19, als "normal" ein Ergebnis zwischen 19 und 24,9. Übergewicht wird bei einem BMI zwischen 25 und 30, Fettleidigkeit ab 30,1 attestiert.
->   Online-Berechnung des BMI (Medicine-Worldwide)
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Problematische Fettverteilung
Auch wenn der BMI einen Anhaltspunkt gibt, wird seine Aussagekraft von Ernährungswissenschaftlern angezweifelt. Er berücksichtigt nicht die Verteilung des Übergewichts, obwohl medizinisch erwiesen ist, dass besonders Fettanlagerungen um Taille und Hüfte etwa auf ein höheres Diabetes-Risiko hinweisen.

Noch mehr Sorgen als die rasante Ausdehnung der Hüftbreiten bereitet den Forschern aber ein anderer, erst kürzlich entdeckter Trend: Nicht nur, dass wir immer mehr Fett anlagern, wir bauen zusätzlich auch noch Muskeln ab.
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Mehr Fett bei gleich bleibendem BMI
Der Ernährungswissenschaftler Jonathan Wells vom Medical Research Centre in London untersuchte, wie sich die Körper von maximal zehnjährigen Kindern zwischen 1970 und 1990 veränderten. Er stellte fest, dass sich der BMI kaum veränderte.

Der Fettanteil im Körper der Kinder stieg hingegen rasant an: Ein durchschnittlicher Bub schleppte 1990 23 Prozent mehr Fett mit sich herum als 20 Jahre zuvor. Bei den Mädchen nahm es gleich um mehr als ein Drittel zu. Die Ergebnisse wurden im "International Journal of Obesity" (Bd. 26, S. 1323, Oktober 2002) publiziert.
->   Abstract der Studie im "International Journal of Obesity"
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Kluft zwischen Realität und Bildern
Obwohl sich unsere Rundungen in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch stärker ausprägen werden, entwickelt sich das von Magazinen und Filmen bestimmte Idealbild in die andere Richtung.

Der Wiener Psychologe Martin Voracek und Maryanne Fisher von der York University in Toronto analysierten 577 Poster, die zwischen 1953 und 2001 in die Mitte des "Playboy" geheftet wurden.

Ihr Ergebnis: Brustumfang und Hüftbreite der Modells verringerten sich, die Taille wurde im Verhältnis etwas breiter. Die abgebildeten Frauen haben heute weniger Rundungen, sie werden androgyner, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler.
Auch Männer unter Druck
Aber nicht nur bei den Frauen klaffen Realität und Ideal immer mehr auseinander, auch Männer kommen zunehmend unter "Körperdruck": Analysen des "Playgirl" zeigen, dass die männlichen Models dünner und muskulöser werden.

Ähnlich wie "Barbie" Mädchenvorstellungen prägte, könnten nun männliche Puppen wie etwa die "Star Wars"-Figuren Burschen beeinflussen: Ihre Proportionen, die jenen von Extrem-Bodybuildern gleichen, wecken Hoffnungen auf einen perfekten Körper, der nie erreicht werden kann.
Essstörungen am Vormarsch
Zwar ist der direkte Zusammenhang zwischen Essstörungen und solchen Idealbildern nicht bewiesen, dennoch erkrankten immer mehr Burschen an Magersucht und Bulimie, erklärt der US-amerikanische Psychologe Roberto Olivardia im Gespräch mit dem "New Scientist".

"Diese Probleme traten in der Vergangenheit nicht so häufig auf, wir können also nicht anders, als über einen Zusammenhang mit den Bildern nachzudenken," so Olivardia.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 29.10.04
->   "New Scientist"
->   Medical Research Centre, London
->   York University, Toronto
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01.01.2010