News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit .  Gesellschaft 
 
Genetiker: Das Rassenkonzept hat ausgedient  
  Forscher diskutieren, ob das Konzept der "Rasse" helfen kann, die Ursachen von Krankheiten besser zu verstehen. Die Frage ist, inwieweit es mit dem Konzept der genetischen Variation des Menschen verbunden werden kann. Nach Ansicht von Francis Collins, Leiter des Human-Genom-Projekts und in dieser Funktion Nachfolger von Doppelhelix-Mitentdecker James Watson, zu wenig. In einem aktuellen Artikel plädiert er dafür, das Rassenkonzept hinter sich zu lassen.  
Für die Begriffe "Rasse" und "ethnische Zugehörigkeit" gibt es laut Collins keine allgemein übereinstimmende Definitionen. Sie tragen eine Vielzahl von komplexen Bedeutungen in sich. Diese spiegeln sowohl Umweltfaktoren wie auch die durch Vorfahren gegebenen Verbindungen zu geografischen Orten wider.
...
Der Kommentar "What we do and dont't know about 'race', 'ethnicity', genetics and health at the dawn of the genome era" von Francis S. Collins ist in der Sonderausgabe "Genetics and the human race" des Fachjournals "Nature Genetics" (Bd. 36, S.13-15, Ausgabe vom 1. November) erschienen. Die Ausgabe gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zur genetischen Variation des Menschen.
->   Zum Original-Artikel
...
Rassenkonzept großteils überholt
So könne zwar mit Hilfe der genetischen Variation die geografische Herkunft eines Menschen mit einer relativ hohen Genauigkeit bestimmt werden. Zumindest wenn auch schon die Ahnen in demselben Gebiet gelebt haben.

Doch nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass mittlerweile viele Menschen Vorfahren aus den verschiedensten Teilen der Welt haben, beginne eine biologische Verbindung zwischen dem Menschen und seinem geografischen Ursprung Collins zufolge zu verschwimmen.
Kulturelle Faktoren überlagern oftmals Genetik
Auch gesundheitliche Unterschiede zwischen verschiedenen menschlichen Populationen haben laut Collins in vielen Fällen wenig mit genetischen Differenzen zu tun, sondern mit Kultur, Ernährung, sozioökonomischem Status, Zugang zu ärztlicher Versorgung, Bildung, Umwelteinflüssen, Diskriminierung, Stress und anderen Faktoren.
Sichelzellen-Anämie: Auf bestimmte Ethnien konzentriert
Was nicht heißen soll, dass die Genetik dabei keinerlei Rolle spielt: So gibt es Krankheiten wie die Sichelzellen-Anämie, die sich auf bestimmte ethnische Gruppen konzentrieren.

"Die Frage, ob die Genetik die Unterschiede bei Anfälligkeiten für Krankheiten wesentlich erklären kann, ist weitgehend unbeantwortet und wird erst durch zukünftige Forschung geklärt werden", so Collins.
...
Details zur Sichelzellen-Anämie
Die Sichelzellen-Anämie ist eine Erbkrankheit, die vorrangig bei Schwarzafrikanern auftritt. Die Bildung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin ist gestört. Die roten Blutkörperchen verlieren ihre Formbarkeit und bekommen die Gestalt einer Sichel. Dadurch besteht die Gefahr, dass sie Gefäße verstopfen. Die Folge können Infarkte in verschiedenen Organen wie Gehirn oder Herz sein.

Menschen, die eine Sichelzellen-Anämie haben, sind weniger anfällig für Malaria. Die Sichelform der roten Blutkörperchen erschwert dem Malaria-Erreger das Überleben. Die Sichelzellen-Anämie kann dadurch in Regionen, in denen die Malaria verbreitet ist, zu einem Überlebensvorteil werden. Das ist auch der Grund, wieso sie in solchen Gebieten gehäuft vorkommt.
->   Mehr zur Sichelzellen-Anämie (Wikipedia)
...
Rassenkonzept - Hilfe oder Hemmschuh?
Unter den Forschern herrscht Uneinigkeit darüber, ob das Konzept der "Rasse" bei der Suche nach den Ursachen von Gesundheit und Krankheit weiter einbezogen werden soll. Für die Befürworter würde die Wissenschaft sich durch einen Ausschluss Möglichkeiten vergeben. Gegner sehen die Einbeziehung als Hemmschuh für die Entdeckung der wahren Zusammenhänge.
Rasse: Unvollkommener Ersatz für Herkunft und Genetik
Laut Collins kann die Beziehung zwischen dem Rassenkonzept und Krankheit als eine Serie von Ersatz-Verbindungen dargestellt werden.

Auf der nicht-genetischen Seite arbeitet der Begriff "Rasse" mit bestimmten sozialen, kulturellen, Bildungs-, und ökonomischen Variablen, die alle ein bestimmtes Krankheitsrisiko beeinflussen können.

Auf der genetischen Seite ist der Begriff der "Rasse" ein - Collins Ansicht nach - unvollkommener Ersatz für den geografischen Ursprung, welcher wiederum ein Ersatz für genetische Variationen im menschlichen Genom ist.
Neue Wege zur Erforschung von Krankheiten
Genau wegen dieser Unvollkommenheit plädiert Collins dafür, sich neuen Wegen zuzuwenden, um die Ursachen von Gesundheit und Krankheit zu verstehen. Dazu gehört eine genaue Analyse der Umweltfaktoren mittels Langzeitstudien ebenso, wie eine tiefere Erforschung der genetischen Zusammenhänge.

Martina Gröschl, 2.11.04
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Kontroverse um erstes "Ethno-Medikament" (26.7.04)
->   Traum vom Ende der Rassentrennung in weiter Ferne (8.4.04)
->   Ethno-Genetik zwischen Hoffnung und Missbrauch (16.4.02)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010