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Bewegliche Gehirn-Implantate gegen Lähmungen  
  Gehirn-Implantate könnten in Zukunft Gelähmte wieder bewegungsfähig machen und bestimmte neurologische Krankheiten therapieren. Ein Problem bestand bisher darin, dass die nötigen Nervensignale mit der Zeit schwächer werden und die Implantate dann an der falschen Stelle sitzen. US-Forscher haben nun ein Gerät entwickelt, das auf diese Änderungen reagiert - und mobile Elektroden den jeweils stärksten Signalen folgen lässt.  
Wie der "New Scientist" berichtet, hat das "Micro-Device" der beiden Neurotechniker Joel Burdick und Richard Andersen vom California Institute of Technology (Caltech) seine Feuertaufe im Tierversuch bereits erlebt.
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Der Artikel "Brain implants that move" ist im "New Scientist" (Ausgabe vom 13. November 2004, S. 25) erschienen.
->   Zum Originalartikel
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"Brain-Computer-Interfaces"
Die Vorgeschichte ist bekannt: Gehirn-Implantate könnten - so die Hoffung von Neurologen und Informatikern - eines Tages etwa querschnittgelähmten Menschen helfen, Teile ihrer Bewegungsfähigkeit wieder zu erlangen.

Das Prinzip: Vorstellungen des Bewusstseins führen zu messbaren Änderungen der Hirnaktivität, die mit Hilfe von Elektroden registriert und durch spezielle "Brain-Computer-Interfaces" in Steuersignale übersetzt werden.

Mit Hilfe von Elektroden an bestimmten Körperteilen könnten Muskeln stimuliert und ihre Funktionen ausgelöst werden. Eine andere Anwendung liegt in der Bedienung eines Computers via "Gedankenkraft".
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Richtungsweisendes aus Graz
Ein herausragendes Beispiel für dieses Prinzip lieferte in den vergangenen Jahren das Team um den Grazer Neuroinformatiker Gert Pfurtscheller. 2003 berichteten sie von einem querschnittgelähmten Patienten, dem es dank eines derartigen "Brain-Computer-Interface" möglich war, wieder selbstständig Nahrung zu sich zu nehmen. In einem Gastbeitrag für science.ORF.at stellte Pfurtscheller Prinzip und Anwendung der Forschungen dar.
->   Gert Pfurtscheller: Brain Computer Interfaces (18.8.03)
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Funktioniert bisher nach einiger Zeit nicht mehr
Wie der "New Scientist" in seiner aktuellen Ausgabe schreibt, ist die längere Anwendung dieser Methode aber mit Schwierigkeiten verbunden.

Denn die implantierten Elektroden verlieren nach einigen Monaten ihre Fähigkeit, die neuronalen Signale zu empfangen - u.a. weil sie durch leichte Änderungen des Blutdrucks (zwar minimal, aber signifikant) verschoben werden oder sich Gewebe bildet, das die Elektroden umschließt und die Signale maskiert.
Prototyp direkt am Gehirnschädel
Um das zu vermeiden haben Burdick und Andersen von Caltech nun ein Gerät entwickelt, durch das die Elektroden die stärksten Signale "spüren" und sich in deren Richtung bewegen.

Ihr Prototyp ist direkt am Gehirnschädel angebracht und verwendet piezoelektrische Motoren, um vier Elektroden Hunderte von Mikrometer "weit" zu bewegen.

Nach Angaben der Forscher wurde das Gerät bereits erfolgreich bei motorischen Signalen von Ratten sowie intentionalen Signalen von Affen ausprobiert.
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Piezoelektrik
Piezoelektrik ist die Entstehung von elektrischen Ladungen an den Grenzflächen bestimmter Kristalle unter Druckeinwirkung. Piezoelektrische Motoren (Ultraschallmotoren) nutzen dieses Prinzip.
->   Mehr über Ultraschallmotoren (Wikipedia)
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Gehirnscan gibt grobe Richtung vor
Für das von den Forschern "autonomes Mikrolaufwerk" genannte Gerät reiche ein Gehirnscan mittels Kernspintomographie für den ungefähren Hinweis der betroffenen Gehirnregion. Die Elektroden machen sich dann eigenständig auf die Suche nach dem stärksten Signal in dieser Region.
Gerät für Menschen im nächsten Jahr
Für einen Einsatz im menschlichen Gehirn ist das Gerät nach Auskunft der Forscher noch zu unhandlich. An einer kleineren Version mit knapp 100 Elektroden wird aber bereits gearbeitet.

Und das könnte innerhalb eines Jahres fertig sein - und soll dann gelähmten Personen dazu verhelfen, den Cursor eines Computers zu bedienen, so die Hoffnung der Forscher.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 11.11.04
->   Robotics Group, Caltech
->   Andersen Lab, Caltech
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Erstmals Hirnstamm-Implantate gegen Gehörlosigkeit (8.1.04)
->   Brain-Computer-Interface gegen Querschnittlähmung (14.10.03)
->   Grazer "Hirnschrittmacher" gibt Neuronen den Takt vor (8.7.03)
->   Forscher entwickeln erste Hirnprothese (12.3.03)
 
 
 
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01.01.2010