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ÖH neu: Keine Direktwahl des Studentenparlaments mehr  
  Künftig soll es keine Direktwahl des bundesweiten Studentenparlaments, der so genannten Bundesvertretung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), mehr geben. Das sieht der Entwurf für ein neues ÖH-Gesetz vor, den die Regierungsfraktionen Mittwochabend als Initiativantrag im Nationalrat eingebracht haben.  
Stattdessen sollen die Mandatare der ÖH-Bundesvertretung von den Universitäts- und Akademievertretungen der einzelnen Hochschulen gemäß der Mandatsstärke der Fraktionen gewählt werden.

Das neue Gesetz soll schon für die bevorstehende ÖH-Wahl 2005 angewendet werden. Es dürfte die Mehrheitsverhältnisse der Bundesvertretung - derzeit eine Koalition von Grünen (GRAS) und Sozialistischen Studierenden (VSSTÖ) - zugunsten der ÖVP-nahen AktionsGemeinschaft (AG) ändern.
Kritik von Studenten-Vertretern
Grafik: APA, Quelle: APA/ÖH
Das neue ÖH-Gesetz
Mit Ausnahme der AG schäumen dann auch die Studierendenvertreter und deren Fraktionen: "Kalter Putsch", "schwarz-blauer Putsch gegen die Demokratie", "demokratiepolitischer Wahnsinn" heißt es in ersten Reaktionen, die vor allem die "praktische Abschaffung der ÖH-Bundesvertretung" und die fehlende Einbindung der Studierenden in den Entscheidungsprozess kritisieren.

ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek dagegen spricht in einer Aussendung von einer "Stärkung der einzelnen Universitätsvertretungen", die finanziell besser ausgestattet würden.
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Den Initiativantrag für das neue Hochschülerschaftsgesetz (HSG) von ÖVP und FPÖ liegt auf der Homepage der ÖVP als Download.
->   Der Initiativantrag (pdf-Datei)
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Aus vier Wahlen sollen zwei werden
Bisher konnten die Studierenden bei den ÖH-Wahlen vier Ebenen ihrer Vertretung direkt wählen: die Studienrichtungs-, die Fakultäts-, die Universitäts- und die Bundesvertretung. Künftig sollen nur mehr die Studienvertretung (bisher Studienrichtungsvertretung) und die Universitätsvertretung direkt gewählt werden.
Bundesparlament soll sich nach Studenten-Zahl richten
In der ÖH-Bundesvertretung gab es bisher fix 45 Mandatare. Künftig soll sich die Größe des Studentenparlaments nach der Zahl der Studierenden richten und per Verordnung festgelegt werden.

Denn für je 5.000 Studierende pro Universität kann die Uni-Vertretung einen Studierendenvertreter in die Bundesvertretung entsenden - bleibt dabei ein Rest von mehr als 2.500, ist ein weiterer Vertreter zu wählen.
Mindestens 1.000 Studenten für Vertreter
Jene Uni- und Akademievertretungen, die mindestens 1.000 Studenten aufweisen, haben ebenfalls Anrecht auf einen Vertreter im Studentenparlament, jene mit weniger als 1.000 Studenten bilden eine "Entsendungsgemeinschaft".

Nach Berechnungen von Experten würde sich bei der derzeitigen Studentenzahl die Zahl der Mandatare in der Bundesvertretung auf etwas über 50 erhöhen.

Die genauen Regeln für die je nach Stärke der Wahl werbenden Gruppen erfolgende Entsendung in die Bundesvertretung werden noch per Verordnung festgelegt.
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Weniger Geld für Bundesvertretung
Die ÖH-Bundesvertretung soll laut dem neuen HSG künftig weniger Geld zur Verfügung haben. 85 Prozent des ÖH-Budgets sollen fix den Universitätsvertretungen zur Verfügung stehen, der Rest der Bundesvertretung. Bisher lautete der Verteilungsschlüssel 70 zu 30 zu Gunsten der Uni-Vertretungen, real wurden 77,5 Prozent an die lokalen Studentenvertretungen verteilt.
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ÖH spricht von "kaltem Putsch"
Mehrheitlich auf Ablehnung stößt der Regierungsentwurf bei Studentenvertretern. Die Bundesvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) - die es nach der Novelle nicht mehr geben soll - spricht in einer Aussendung am Donnerstag von einem "kalten Putsch".

"Der Regierung erscheint es nicht skrupellos, eine demokratisch legitimierte Vertretung zu ignorieren, und sie sich so zu formen, wie es gerade recht ist", sagte Patrice Fuchs vom Vorsitzendenteam der ÖH.

Die Bundesvertretung kritisiert vor allem dass sie nicht in den Entwicklungsprozess der Novelle mit eingebunden wurde. Man werde sich den Initiativantrag auf keinen Fall bieten lassen.
Mehrheit verschiebt sich in Richtung ÖVP
Andrea Brunner, Vorsitzende des SPÖ-nahen Verbands Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), sprach von einer "Nacht- und Nebelaktion" der ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek.

Auf Grund der der Entsendung der Bundesvertretung durch Universitätsvertretungen würden sich die Mehrheiten in der Studentenvertretung in Richtung ÖVP verschieben. "Mit solcher Kaltschnäuzigkeit Oppositionelle zum Schweigen zu bringen, ist demokratiepolitischer Wahnsinn", so Brunner.
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Vermutlich Umdrehen der Mehrheitsverhältnisse
Das neue HSG dürfte die derzeit knappen Mehrheitsverhältnisse in der ÖH-Bundesvertretung tatsächlich "umdrehen". Gewinner wären auf Grund ihrer stärkeren Verankerung an den einzelnen Hochschulen nach Einschätzung von Experten die ÖVP-nahe AktionsGemeinschaft (AG) und die Fachschaftslisten (FLÖ) sowie - von der Vertretungsstärke her - die größeren Universitäten. AG und FLÖ könnten die derzeitige Exekutive von VSSTÖ und GRAS ablösen.

Nach einer ersten Analyse der ÖH würden sich die Mandatszahlen der ÖH-Wahlen 2003 unter den neuen Bedingungen folgendermaßen verändern:
GRAS 10 (statt wie nach den Wahlen 2003: 14), VSSTÖ 4 (10), AG 17 (14), Fachschaftslisten 14 (3), KSV 1 (2), RFS 1 (1), LSF 1 (1), Vetmed 1 (0).
->   Ergebnisse der ÖH-Wahlen 2003
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Kritik von SPÖ und Grünen
Ähnlich argumentierte SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal: "Wie schon im Hauptverband der Sozialversicherungen soll bei der Hochschülerschaft solange gedreht, gewendet und geschoben werden, bis eine VP-Minderheit auf wundersame Weise zu einer VP-Mehrheit wird", so Broukal in einer Aussendung.

Auch der Grüne Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald sprach vom "Versuch der Umfärbung der ÖH".
ÖVP-nahe AG begrüßt Stärkung der Uni-Vertretung
Zustimmung zum Entwurf signalisierte die ÖVP-nahe AktionsGemeinschaft (AG). Eine Stärkung der Universitätsvertretungen sei schon deshalb zu begrüßen, weil auch die Universitäten im Zuge der verstärkten Autonomie mehr Kompetenzen erlangt hätten.

Positiv wird von den AG-Vertretern auch vermerkt, dass die Vorsitzenden der Uni-Vertretungen in Zukunft ein schriftliches Informationsrecht über die Verwendung der Studiengebühren eingeräumt bekämen und dass die ÖH einen Leistungsbericht zu erstellen hätten. Dies trage zur Transparenz bei.
Positive Urteile auch von WU Wien, Medizinern und CV
"Einiges abgewinnen" kann man dem Entwurf auch an der ÖH der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Den Forderungen der einzelnen Universitätsvertretungen würde weitgehend entsprochen, so Michael Suppan, Vorsitzender der ÖH WU (AG). Die Stärkung der einzelnen Uni-Vertretungen seien ein wichtiges Gegengewicht zu den ebenfalls mächtigeren Rektoren.

Für Martin Andreas, Stellvertretenden Vorstand der Universitätsvertretung Medizin in Wien bietet die Novelle die Chance einer endgültigen Ausgliederung der ÖH Medizin aus der Hochschülerschaft an der Uni Wien.

Als "richtigen Schritt" bezeichneten auch Vertreter des Österreichischen Cartellverbandes (ÖCV) die geplanten Gesetzesänderungen. Das Universitätsgesetz 2002 habe diesen Schritt ja bereits vorgezeichnet.

[science.ORF.at/APA, 11.11.04]
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01.01.2010