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Warum Furcht ansteckend ist  
  Emotionen können sich bekanntlich im Gesicht spiegeln, aber nicht nur: US-Forscher haben nun bewiesen, dass die Körperhaltung Gefühlszustände ebenso prägnant ausdrückt. Sie konnten zeigen, dass bei der Betrachtung ängstlich wirkender Körperstellungen die Emotionszentren im Gehirn stark angeregt werden.  
Dies sei eine neurobiologische Erklärung für die Tatasche, dass Angst oft ansteckend wirkt, schreiben Beatrice de Gelder und ihre Mitarbeiter von der Harvard Medical School in einer aktuellen Studie.
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Die Studie "Fear fosters flight: A mechanism for fear contagion when perceiving emotion expressed by a whole body" von Beatrice de Gelder et al. erscheint zwischen 15. und 19.11.04 als "Early Edition" auf der Website des Fachjournals "Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA" (doi:10.1073_pnas.0407042101).
->   PNAS
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Gefühle sind von außen sichtbar
Das Gesicht ist bekanntermaßen ein Spiegel der Gefühle. Wäre dem nicht so, dann würden etwa Theater- oder Kinobesuche relativ wenig Spaß machen. Dass Mimik und Gestik keine nutzlosen Nebenprodukte sind, sondern im Dienste der Kommunikation stehen, wusste bereits Charles Darwin:

Er widmete im Jahr 1872 "Dem Ausdruck der Gemütsbewegungen bei Menschen und den Tieren" ein ganzes Buch, in dem er vermutete, dass zwischen bestimmten Körperhaltungen und gewissen Gemütszuständen eine konstante Verbindung bestehe.
->   The Expression of the Emotions in Man and Animals online
Gemütszustände können sichtbar gemacht werden
Seit dem Aufkommen der modernen bildgebenden Verfahren der Neurobiologie ist der Ausdruck "Gemütszustand" auch eine messbare Größe.

Man kann mit diesen Methoden zeigen, was im Gehirn passiert, wenn man sich selbst in einem emotionalen Zustand befindet - oder wenn man Dritte betrachtet, die ihrerseits emotionalisiert sind.
Limbisches System regelt Emotionen
In Bezug auf die nicht sprachliche Mitteilung von Gefühlen konzentrierte man sich bisher vor allem auf die Mimik. Forschungen ergaben, dass hierbei das limbische System eine Schlüsselrolle spielt.

Betrachtet man beispielsweise ängstliche Gesichter, dann wird ein Teil dessen, die so genannte Amygdala, im Konzert mit anderen Regionen der Großhirnrinde aktiv.
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Mehr zur Amygdala
Die Amygdala, zu deutsch Mandelkern, liegt unterhalb des Riechzentrums der Hirnrinde und bildet zusammen mit dem so genannten Hippocampus das Zentrum des limbischen Systems, das u.a. mit der Regulierung von Emotionen betraut ist. Wird die Amygdala durch elektrische Reizungen künstlich stimuliert, löst das bei Mensch und Tier Gefühle der Furcht sowie des Unwillens aus, mitunter auch verteidigungs- oder angriffsartiges Verhalten.
->   Mehr zur Amygdala bei Wikipedia
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Auch Körper signalisiert Emotionen
Wie Beatrice de Gelder und ihre Mitarbeiter in ihrer Studie schreiben, gab es bereits früher einige Hinweise, dass im Gehirn durchaus ähnliche Erregungsmuster entstehen können, wenn man anstatt von Gesichtern ganze Körper betrachtet. Das gilt zumal dann, wenn beide Gefühle ausdrücken.
Experiment: Gehirnaktivität aufgezeichnet
 
Bild: PNAS

Diesen Zusammenhang haben die Hirnforscher von der Harvard Medical School nun genauer untersucht. Sie ließen 16 Schauspieler verschiedene Bewegungen und Gesten ausführen, die jeweils Angst (Bild oben: a), Freude (c) oder eine neutrale Gemütsverfassung (b) darstellen sollten. Diese wurden dann Probanden auf Video vorgeführt und deren Gehirnaktivität per funktioneller Kernspinresonanztomographie (fMRI) gemessen.
->   Introduction to fMRI (Oxford University)
Ängstliche Haltungen aktivieren Amygdala
Die Messungen ergaben erstens, dass die ängstlichen Gesten jene Areale im Gehirn erregten, die für die Regulierung von Gefühlen verantwortlich sind.

Dabei handelte es sich - nebst anderen Regionen - vor allem um die Amygdala. Im Gegensatz dazu war das bei den neutralen als auch bei den positiv konnotierten Körperhaltungen nicht der Fall.
Auch motorische Areale erregt
Interessant ist, dass das Betrachten ängstlichen Verhaltens zudem motorische Areale aktivierte. Die Forscher sehen darin einen archaischen Mechanismus, der das Individuum auf entsprechende Reaktionen - etwa Fluchtverhalten - vorbereitet.

Da anzunehmen ist, dass diese Reaktion automatisch vonstatten geht, sei dies ferner eine plausible Erklärung dafür, dass Furcht oft ansteckend wirkt, so de Gelder und Mitarbeiter.

Robert Czepel, science.ORF.at, 16.11.04
->   Harvard Medical School
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01.01.2010