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Nuklearmedizinische Methoden und Tierversuche  
  Tierversuche sind aus ethischer Sicht problematisch, dennoch gibt es medizinische Forschungsbereiche, in denen sie nicht gänzlich durch Alternativmethoden ersetzt werden können, wie Robert Dudczak vom Institut für Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien in einem Gastbeitrag betont: Der Weg und die Wirkung radioaktiv markierter Medikamente und Testsubstanzen kann jedoch mit bildgebenden Verfahren verfolgt werden, ohne dabei die Labortiere opfern zu müssen.  
Studien am Tier werden nuklearmedizinisch kontrolliert
Von Robert Dudczak unter Mitarbeit von Susanne Krejsa

Obwohl die nuklearmedizinischen Verfahren in der Detailauflösung derzeit noch wesentlich schlechter als die radiologischen sind, liegt das Hauptinteresse der modernen nuklearmedizinischen Forschung auf dem Gebiet des Molecular Imaging, denn es konzentriert sich auf das extrem frühe Krankheitsgeschehen:

Sie basiert darauf, dass pathologisch veränderte Zellen andere Stoffwechsel- und Genaktivitäten als gesunde haben.
Radionuklide als Markierungssubstanzen
Die eingesetzten Antikörper und Prüfsubstanzen transportieren als Trägermolekül ein Radionuklid gezielt zum Wirkort, wo ihre Konzentration durch die hochspezifische Bindung an relevante veränderte Zellstrukturen mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und anderer bildgebender Verfahren nachweisbar ist.

Dadurch lassen sich biologische Prozesse auf zellulärer und molekularer Ebene in vivo messen und charakterisieren. Die molekulare Bildgebung erlaubt so in vielen Fällen bereits den Nachweis eines pathologischen Geschehens, lange bevor sich dessen Effekt manifestiert hat.
->   Mehr zur PET bei medicine worldwide
Anwendungen vor allem in der Krebsforschung
Etwa 70 Prozent aller nuklearmedizinischen Untersuchungen betreffen onkologische Fragestellungen - etwa zum Cholinstoffwechsel, zur Zellvermehrung und zum programmierten Zelltod -, der Rest sind kardiologische und neurologische Projekte.

Nuklearmedizinische Untersuchungen werden heute auch als Kontrollmethode für die Erforschung der Gentherapie genützt. Wenn die Einschleusung des gewünschten Gens in die Maus gelungen ist, können sich entgleiste zelluläre Prozesse entsprechend normalisieren.

Das Eintreten der erwünschten Wirkung lässt sich mit Hilfe markierter Testsubstanzen bestätigen.
Tierstudien aus Gründen der Sicherheit notwendig
Studien am Tier sind in der Nuklearmedizin als Sicherheitsuntersuchungen notwendig.

Einerseits hinsichtlich der Eigenschaften: Radiopharmaka werden nur in so genannten "Spürdosen" eingesetzt und beeinflussen dadurch nicht das biochemische Gleichgewicht des zu untersuchenden Prozesses.

Aufgrund der geringen Konzentrationen können sogar sonst toxische Substanzen wie z.B. Thallium-201 genützt werden. So ist auch der Einsatz von radioaktivem Jod bei Patienten möglich, die gegen Jod allergisch sind.
Nachweis der korrekten Visualisierung
Die Sicherheitsuntersuchungen sind auch hinsichtlich der Wirkungen gefordert:

Auf Grund der geringen Aktivitätsdosierung des Markierungsnuklids sind durch die radioaktive Strahlung - die meist nur von kurzer Dauer ist und innerhalb von Minuten oder Stunden wieder abklingt - keine nachteiligen biologischen Effekte zu erwarten.

Jedoch muss bestätigt werden, dass die Eigenschaften des Arzneimittels oder der Testsubstanz durch die Markierung nicht verändert wurden.

Dementsprechend muss im Tierversuch bestätigt werden, dass das markierte Arzneimittel, welches gegebenenfalls für die Markierung chemisch modifiziert wurde, die Darstellung des vorgesehenen Funktionsablaufes ermöglicht.
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Beispiel Zuckerstoffwechsel
Ein gutes Beispiel ist hier mit Fluor-18 chemisch modifizierter Zucker (F-18¿Desoxyglukose). Die Aufnahme und der erste initiale Stoffwechselschritt in der Zelle unterscheidet sich nicht von unmarkiertem Zucker. Jedoch werden durch die chemische Modifikation, im Gegensatz zu normalem, unmarkiertem Zucker, die weiteren Stoffwechselschritte unterbunden und dieser radioaktiv markierte Zucker bleibt länger in der Zelle.

Da jedoch die ersten Stoffwechselschritte in der Zelle (Aufnahme über einen spezifischen Transporter und nachfolgende Phosphorilierung) parallel dem herkömmlichen Zuckerstoffwechsel sind, dient das markierte Zuckeranalogon zur bildlichen Darstellung des Zuckerstoffwechsels in verschiedenen Geweben. Dies wird infolge des gesteigerten Zuckerstoffwechsels bestimmter Tumore diagnostisch genutzt.
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Einblick ohne Zerstörung und ohne Schmerzen
Abgesehen von diesen Toxizitätsuntersuchungen dient der Einsatz nuklearmedizinischer Methoden sowohl der zahlenmäßigen Reduktion als auch der verringerten Belastung von Labortieren, die für Studien geopfert werden müssen.

Dies ist dank der spezifischen Technologie (nicht zerstörend und schmerzlos) möglich. Genutzt werden dafür spezielle Labor-PET, die in Größe und Strahlenintensität an die Dimensionen von Ratte und Maus angepaßt sind.
Versuche im Reagenzglas und im lebenden Organsimus
Für die Bildgebung extrem kleiner Strukturen zur Überprüfung neuer Diagnose- und Behandlungsmethoden ist die Entwicklung moderner Radiodiagnostika nötig - wiederum unter Zuhilfenahme von Studien am Tier wie etwa dem Striatum der Ratte.

Zwar lässt sich durch geeignete Zellversuche in vitro eine Vorauswahl in Frage kommender Wirkstoffe und Pharmaka treffen, allerdings sind Prognosen über eventuelle Wechsel- und Nebenwirkungen in Untersuchungen allein an Zell- und Gewebekulturen nicht möglich.

Hier sind nach entsprechender Kenntnis eines Radiopharmakons weiterführende in vivo-Studien an Labortieren notwendig. Dieser wichtige Schritt am lebenden Gesamtorganismus eines Tieres ermöglicht den verantwortungsbewussten und gut vorbereiteten ersten Einsatz an freiwilligen Probanden.
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Univ.-Prof. Dr. Robert Dudczak ist Vorstand des Institutes für Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien. Dr. Susanne Krejsa ist Wissenschaftsjournalistin in Wien.
->   Universitätsklinik für Nuklearmedizin, AKH Wien
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->   Das Stichwort Tierversuch im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010