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Buch: Judentum in Niederösterreich zur Nazi-Zeit  
  Ein neues Buch mit dem Titel "Der letzte Jude hat den Tempel verlassen" arbeitet die Geschichte der jüdischen Gemeinden in Niederösterreich zwischen 1938 und 1945 auf.  
Bis zu 10.000 Jüdinnen und Juden lebten 1938 in Niederösterreich. Nach dem Holocaust, der Vertreibung und der Ermordung durch die Nazis, ist keine der 15 israelitischen Kultusgemeinden in Niederösterreich wiedererstanden.
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Details zum Buch
Christoph Lind: "Der letzte Jude hat den Tempel verlassen. Juden in Niederösterreich 1938-1945". Mandelbaum-Verlag. 360 Seiten. SW-Abbildungen. 24,90 Euro.
->   Mandelbaum-Verlag
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Alle 15 Gemeinden aufgelöst
15 jüdische Gemeinden gab es im Jahr 1938 in Niederösterreich: Amstetten, Baden, Gänserndorf, Groß-Enzersdorf, Hollabrunn, Horn, Krems, Mistelbach, Mödling, Neunkirchen, St. Pölten, Stockerau, Tulln, Waidhofen/ Thaya und Wiener Neustadt.

So viele jüdische Gemeinden gab es damals in keinem anderen Bundesland, doch binnen zwei Jahren wurden sie aufgelöst und ihre Mitglieder vertrieben bzw. deportiert und ermordet.
7.500 Mitglieder - vertrieben, deportiert, ermordet
7.500 Mitglieder haben die Kultusgemeinden in Niederösterreich vor dem Regime der Nationalsozialisten gezählt, sagt der Autor und Zeithistoriker Christoph Lind vom Institut für Geschichte der Juden in Österreich im ORF-Radio, die Nationalsozialisten gingen von bis zu 10.000 Personen aus:

"Es gibt keine genauen Zahlen, aber man schätzt, dass zwei Drittel der Personen durch Flucht ins Ausland überlebt haben. Ein weiteres Drittel wurde nach Wien vertrieben und wurde dann v.a. in den Jahren 1941/42 'in den Osten deportiert' ¿ so hieß es in den Akten ¿ und dort ermordet."

Nur wenige Einzelpersonen konnten während der Zeit des Nationalsozialismus in Niederösterreich überleben - sei es in von den Nazis als "Mischehen" bezeichneten Ehen oder im Untergrund.
Keine Gemeinde wieder erstanden
Keine der 15 Israelitischen Kultusgemeinden in Niederösterreich ist nach 1945 wiedererstanden, so Christoph Lind: "Es hat Versuche gegeben, in Niederösterreich wieder Gemeinden erstehen zu lassen, aber es fehlten einfach die Menschen. Es sind zu wenige zurückgekehrt, um wieder eine Kultusgemeinde bilden zu können."

Heute gehören neben Wien auch Niederösterreich und das nördliche Burgenland zur Kultusgemeinde Wien.
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Bethäuser und Synagogen zerstört ¿ auch nach dem Krieg
Heute zeugen 28 jüdische Friedhöfe von den Kultusgemeinden in Niederösterreich, sagt Christoph Lind. Viele Bethäuser und Synagogen sind abgerissen worden - und zwar erst nach dem Zweiten Weltkrieg: jene in Krems z.B. 1978, jene in Großenzersdorf 1961.
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Vierbändige Reihe geplant
"Der letzte Jude hat den Tempel verlassen" dient gewissermaßen als Handbuch: Ein allgemeiner Teil befasst sich mit der Entstehung der Gemeinden, mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, mit der Verfolgung und Vertreibung von Juden, mit den Novemberpogromen und den Deportationen. Anschließend werden die 15 israelitischen Kultusgemeinden in Niederösterreich im Detail beschrieben.

Das Buch ist einer von geplanten vier Bänden einer Reihe des "Instituts für die Geschichte der Juden in Österreich": in vier Bänden soll die Geschichte der Juden in Niederösterreich von den Anfängen bis 1945 geschrieben werden.

Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft, 18.11.04
 
 
 
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01.01.2010