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Ungeheure Artenvielfalt in den Tiefen der Weltmeere  
  Das internationale Forschungsprojekt "Census of Marine Life" (CoML) erhebt die Biodiversität der Weltmeere. Fazit des aktuellen Jahresberichts: Die marine Artenvielfalt ist noch lange nicht vollständig erfasst, jede Untersuchung fördert unzählige, bis dato unbekannte Lebensformen zu Tage. Das gilt insbesondere für die noch relativ unerforschte Tiefsee.  
An dem mit einer Milliarde US-Dollar geförderten Forschungsprojekt sind mehr als 70 Staaten beteiligt. Ziel ist u.a. die Erstellung einer Datenbank, in der die Artenvielfalt der Weltmeere umfassend dokumentiert wird.

Allein im Jahr 2004 wurden der Datensammlung 13.000 bekannte sowie neu entdeckte Spezies hinzugefügt, insgesamt sind der Wissenschaft nun rund 230.000 marine Lebensformen bekannt.
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Die Kollaboration "Census of Marine Life" wird im Dezember 2004 in Hamburg und Paris die neuesten Forschungsergebnisse im Rahmen von Fachtagungen präsentieren. Der Jahresbericht und weitergehende Informationen sind bereits jetzt auf der CoML-Website erhältlich.
->   Census of Marine Life Portal
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Biodiversität: Junger Begriff, aufstrebende Disziplin
Der Begriff "Biodiversität" ist relativ jung: Er wurde im Jahr 1986 erstmals von W.G. Rosen auf der Fachtagung "National Forum on Biodiversity" in Washington D.C. gebraucht.

Heute ist der Begriff als terminus technicus allgemein anerkannt und steht für eine junge, aber äußerst aufstrebende Disziplin der Biowissenschaften.
Meilenstein Biodiversitätskonvention
Als großer Fortschritt wird die politische Verankerung der Biodiversität angesehen, die 1992 im Rahmen der Agenda 21 der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro festgeschrieben wurde.

Das wichtigstes politisches Instrument ist die von mittlerweile 174 Regierungen ratifizierte Biodiversitätskonvention ("Convention on Biological Diversity"), die auch interdisziplinäre Forschungsansätze fördert, an denen sich etwa Ökonomen und Soziologen beteiligen.
->   Convention on Biological Diversity
Marine "Volkszählung"
 
Bild: CoML

Ein Beispiel für eine übergreifende, wenngleich primär biologisch orientierte Forschungsinitiative ist die im Jahr 2000 ins Leben gerufene Kollaboration "Census of Marine Life", die es sich zum Ziel gemacht hat, die Artenvielfalt der Weltmeere möglichst lückenlos zu dokumentieren.

Einer der leitenden Forscher des "Ocean Biographic Information System", Frederick Grassle, erklärte: "Die Menschheit hat weniger als fünf Prozent der Weltmeere erkundet, und selbst dort, wo wir geforscht haben, haben wir wahrscheinlich viel winziges Leben übersehen."

Wie aus dem aktuellen Bericht von CoML hervorgeht, verzeichnete man im letzten Jahr einen exponentiellen Datenzuwachs. Die Census-Datenbank beinhaltete 2003 noch 25.000 marine Arten, heuer sind es bereits 13.000 mehr.

Zum Vergleich: Insgesamt sind rund 230.000 in den Weltmeeren lebende Spezies bekannt, wie viele es tatsächlich sind, ist noch Gegenstand von Fachdebatten. Es dürfte sich aber um das Zehnfache des heute bekannten Zahlenwerts handeln, so CoML in einer aktuellen Aussendung.

Bild oben: Die roten Punkte markieren all jene Arelae, an denen bis jetzt Census-Daten erhoben wurden.
Zwei neue Fischarten pro Woche entdeckt
 
Bild: Bill Eschmeyer und John E. Randall

Bisher wurden die Ozeane - im wahrsten Sinne - nur oberflächlich untersucht: "Wir wissen etwas über die ersten hundert Meter, aber beinahe nichts über das, was darunter liegt", wie CoML-Forscher Ron O'Dor gegenüber BBC betont:

"Dementsprechend gehört ein Fisch, der in 2.000 Metern Tiefe oder darunter gefunden wird, mit 50-fach höherer Wahrscheinlichkeit zu einer vollkommen unbekannten Spezies."

Bisher mache die Suche in 2.000 Metern Tiefe gerade 0,1 Prozent aller aus dem Meer entnommenen Proben aus. Die Forscher haben heuer 106 marine Fischarten neu beschrieben und damit den Gesamtwert auf 15.482 erhöht. CoML-Experten schätzen, dass man letztendlich 20.000 verschiedene Fisch-Spezies in den Weltmeeren findet.

Bild: Ein kürzlich neu beschriebener Vetreter der Skorpionfische (Scorpaenopsis vittapinna), der im Indo-Pazifik gefunden wurde.
Mikroben stellen 90 Prozent der Biomasse
 
Bild: R. Hopcroft

Im Vergleich dazu kennt man noch relativ wenige Vertreter aus dem Bereich der mikroskopisch kleinen Lebewesen. In der Datenbank finden sich bis dato etwa 6.800 Arten des frei schwebenden Zooplanktons.

Was die Biomasse angeht, dominieren die Kleinstlebewesen jedoch klar: Mikroben vereinigen mehr als 90 Prozent der lebenden Materie in den Weltmeeren auf sich.

Bild: Die Gattung Tomopteris - ein Vertreter des Zooplanktons. Der rote Balken markiert einen Millimeter.
Drastischer Rückgang bei Haien
Anhand einer Analyse historischer Aufzeichnungen konnten die Forscher auch abschätzen, inwieweit der kommerzielle Fischfang die Artenzahlen ausgewählter Spezies dezimiert hat. Beim Weißspitzen-Hochseehai (Carcharhinus longimanus) ist die Lage besonders dramatisch.

Die Zahl der Knorpelfische im Golf von Mexiko nahem laut CoML-Studien seit den 1950er-Jahren um 99 Prozent ab. Eine Reduktion mit ökologischen Folgen: Der Verlust von Haien und anderen Prädatoren führte im selben Zeitraum zu einer Explosion der Stückzahlen beim Stachelrochen.

Ähnliche Rückgänge wurden auch im Nordwest-Antlantik registriert. Die Bestände des Makrelenhais (Isurus oxyrinchus) nahmen um ca. 40 Prozent ab, beim Hammerhai waren es etwa 90 Prozent.

Robert Czepel, science.ORF.at, 24.11.04
->   Ocean Biographic Information System
->   Das Stichwort Artenvielfalt im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010