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Stress lässt Zellen altern  
  Dass Stress einen negativen Einfluss auf die Physis haben kann, ist schon länger bekannt. US-Forscher haben nun erstmals auf biochemischem Weg gezeigt, dass Stress direkt zur Alterung von Körperzellen führt. Betroffen sind demnach vor allem jene Erbgutteile, die eine Schlüsselrolle im Alterungsprozess der Zellen und möglicherweise auch bei der Entstehung von Krankheiten spielen.  
Wie ein Team um Elizabeth H. Blackburn von der University of California berichtet, weisen Frauen, die in ihrem Leben mehr Stress ausgesetzt waren, in gewissen Blutzellen kürzere "Schutzkappen" der Chromosomen auf.
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Die Studie "Accelerated telomere shortening in response to life stress" von Elissa S. Epel et al. erscheint zwischen 29.11. und 3.12.04 als Online-Veröffentlichung auf der Website des Fachjournals "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).
->   PNAS Early Edition
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Telomere - Schutzkappen der Chromosomen
Telomere genannte Komplexe aus DNA und Proteinen umhüllen und schützen die Enden der Chromosomen im menschlichen Erbgut - ganz ähnlich wie etwa die Kunststoffkappen am Ende von Schuhbändern.

Allerdings werden diese Chromosomen-Kappen bei jeder Zellteilung etwas kürzer, bis sie am Ende so reduziert sind, dass sich die Zellen nicht mehr teilen können und im Zustand der Seneszenz verharren oder absterben.

Das gilt nicht nur für Zellen, die im Reagenzglas wachsen, sondern auch für Zellen des menschlichen Körpers.
->   Mehr zu Telomeren (www.telomere.net)
Zwei Gruppen untersucht
Das Team um Elizabeth H. Blackburn verglich den Zustand der Telomere bei 58 Frauen im Alter von 20 bis 50 Jahren über einen längeren Zeitraum. 39 dieser Frauen waren Mütter und Pflegerinnen von chronisch kranken Kindern, die anderen 19 hatten je ein gesundes Kind.

Obwohl die Mütter der kranken Kinder erwartungsgemäß über weitaus mehr Stress klagten, war ihnen der Stress den Forschern zufolge äußerlich nicht anzumerken.
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Stress
Der Begriff "Stress" wurde vom österreichisch-kanadischen Mediziner und Biochemiker Hans Selye im Jahr 1936 geprägt und bezeichnet ein Syndrom physiologischer Anpassungen an unspezifische innere und äußere Reize. Chronischer Stress (Distress) kann beim Menschen etwa durch Infektionen, Verletzungen, Operationen, emotionale Belastungen oder Krankheiten hervorgerufen werden. Auf zellulärer Ebene gibt es ebenfalls Stressfaktoren, wie etwa Hitzstress oder oxidativen Stress (i.e. Kontakt mit reaktiven, sauerstoffhältigen Molekülen).
->   Mehr zum Stressbegriff bei Wikipedia
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Stress lässt Zellen um ein Jahrzehnt altern
Die für die Zellalterung entscheidenden Telomere zeigten jedoch "dramatische Unterschiede": Bei Frauen, die sich am stärksten belastet fühlten, stellten die Wissenschaftler eine zusätzliche biologische Alterung bei gewissen Blutzellen (so genannte PBMNCs) um etwa ein Jahrzehnt fest.

Dies war an der Länge der Telomere, an der Aktivität des Reparaturenzyms Telomerase und am so genannten oxidativen Stress abzulesen, der DNA-Schäden hervorruft und den Abbau der Telomere beschleunigt.

Die Autoren kontrollierten zudem andere Faktoren wie Alter, Rauchen, Vitaminkonsum und Body Mass Index. Die Beziehung zwischen Stress und Telomerlänge blieb auch unter Berücksichtigung dieser Einflussgrößen erhalten.
Psyche beeinflusst Alterung
"Es gibt zahlreiche Studien, die eine Verbindung zwischen chronischem psychologischem Stress und eingeschränkter Gesundheit hergestellt haben, einschließlich Herz- und Kreislaufkrankheiten und mangelnder Abwehrkräfte", bemerkte Epel:

"Unsere Arbeit gibt nun den zellulären Mechanismus zu erkennen, über den chronischer Stress zu frühzeitigem Altern und zu Krankheiten führen kann."
Forscher: Was noch ungeklärt ist
Auch Robert M. Sapolsky von der Stanford University zeigt sich von der vorliegenden Studie in einem Begleitkommentar sehr beeindruckt, weist aber auf ein großes Fragezeichen hin.

Nicht klar sei bislang, wie die chronische Aktivierung der Stressreaktion im Körper zu einem erhöhten oxidativen Stress in Blutzellen führt, wie man aufgrund der Ergebnisse annehmen muss.

Letzterer sei wiederum dafür verantwortlich, dass das Enzym Telomerase weniger effektiv arbeite und somit auch die Telomere an Länge einbüßen.

[science.ORF.at/dpa, 30.11.04]
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01.01.2010