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Alkohol in China schon vor 9.000 Jahren bekannt  
  Chemische Analysen von organischen Substanzen, die in Krügen aus der Jungsteinzeit erhalten geblieben sind, bestätigen erstmals eine lange gehegte Vermutung: In China wusste man schon vor 9.000 Jahren über den Prozess der Fermentierung Bescheid und stellte aus Reis, Honig und Früchten eine Art Wein her. Damit könnten sich die Chinesen möglicherweise schon früher mit Alkohol versorgt haben als die Menschen im Mittleren Osten.  
Die Forscher rund um den Archäo-Chemiker Patrick McGovern vom "University of Pennsylvania Museum" hoffen, damit ein weiteres Kapitel der Kulturgeschichte fermentierter Getränke in der chinesischen Tradition schreiben zu können.
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Der Artikel von Patrick E. McGovern und Kollegen "Fermented beverages of pre- and proto-hiostoric China" (doi 10.1073 / pnas.0407921102) wird zwischen dem 6. und 10. Dezember online in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlicht.
->   Nach Veröffentlichung Download des Artikels als pdf-Datei
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Getränke in mythologischen Überlieferungen
Die ersten schriftlichen Hinweise auf eine lange Gärtradition fanden die Forscher in Orakelsprüchen, die aus der späten Shang Dynastie (ca. 1200-1046 v. Chr.) überliefert sind.

Sie erwähnen drei Arten von Getränken: chang, eine Art Kräuterwein, li, wahrscheinlich ein süßes, aus Reis oder Hirse hergestelltes Getränk mit nur geringem Alkoholgehalt, und jiu, ein fermentiertes und gefiltertes Reis- oder Hirsegetränk mit rund zehn bis 15 Prozent Alkohol.
Mit "Hightech" Spuren von Wein und Reis gefunden
Bild: PNAS
Antikes Gefäß aus der Anyang Region in China
Bisher nahm man nur auf Grund von archäologischen Funden an, dass es wohl auch schon früher eine Kultur des Gärens gegeben haben muss.

Dass den US-amerikanischen und chinesischen Forschern nun der tatsächliche Nachweis gelungen ist, verdanken sie der Hochtechnologie: Tonscherben, die nahe der aus der Jungsteinzeit (zirka zwischen 6.200 und 2.500 vor Christus) stammenden Siedlung Jiahu in Nordchina gefunden worden waren, wurden mit Hilfe von Chromatographie, Massen-und Infrarotspektrometrie sowie Isotopen-Analyse untersucht.

Der Fund bestätigte alle Annahmen: Die Wissenschaftler entdeckten Spuren von Hagedornfrüchten, wildem Wein sowie Bienenwachs vermischt mit Honig und Reis. Sie gehen davon aus, dass die Gefäße etwa 7.000 vor Christus mit dem delikaten Getränk befüllt waren.
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Kulturtechnik Fermentation
Auf der ganzen Welt kannten Völker Techniken, mit denen sich aus Zucker fermentierte Getränke herstellen ließen. Wissenschaftlich erklärt wird dieses Phänomen hauptsächlich damit, dass das bei der Fermentierung entstehende Ethanol eine schmerzlindernde, desinfizierende und bewusstseinsverändernde Wirkung hat. Außerdem kann Fermentierung Lebensmittel länger haltbar machen oder ihren Nährwertgehalt steigern.

Alle Kulturen waren daran interessiert, den Prozess der Fermentierung besser in den Griff zu bekommen. Deshalb gehen Wissenschaftler davon aus, dass diesbezügliche "Forschungsarbeiten" maßgeblich zur Verfeinerung der in Landwirtschaft, Gartenbau und Lebensmittelverarbeitung gebräuchlichen Technologien beigetragen haben - und damit eine große Rolle in der Zivilisationsgeschichte spielten.
->   Mehr zum chemischen Prozess der Fermentation (wikipedia)
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Aromatisierte Weine als Grabbeigaben
Auch in China begnügte man sich nicht mit dem Status-Quo der Vergärung, sondern verfeinerte die Technologie über die Jahrtausende. Der Archäo-Chemiker Patrick McGovern und seine Kollegen fanden in Bronzebehältern tatsächlich noch Flüssigkeiten, die luftdicht verschlossen erhalten geblieben sind.

Es handelt sich dabei um rund 3.000 bis 4.000 Jahre alten fermentierten und gefilterten Reis- und Hirsewein, der mit Kräutern wie Wermut, Blumen oder Baumharz verfeinert wurde.

Die alkoholischen Getränke wurden anscheinend reichen Chinesen mit ins Grab gegeben. Außerdem dienten sie wahrscheinlich auch zur Berauschung von "lebenden Medien" - Menschen, die durch ihren erweiterten Bewusstseinszustand mit dem Totenreich Kontakt aufnehmen sollten. Die Überreste wurden nun bei Grabungen nahe dem Gelben Fluss entdeckt.
Spezielle Technik: Fermentierung mit Schimmelpilzen
Die Technik der Chinesen war laut Angaben der Wissenschaftler einzigartig: Zur Fermentierung verwendeten sie spezielle Arten des Schimmelpilzes, die Kohlenhydrate in Reis oder anderen Getreidesorten in einfachen, fermentierbaren Zucker "zerbrechen" konnten.
Beitrag zur Kulturgeschichte
Ihre Ergebnisse unterstreichen nochmals die große Bedeutung, die der Prozess der Fermentierung und Alkohol bei der Entwicklung von komplexen Kulturen gespielt hat, sind sich die US-amerikanischen und chinesischen Wissenschaftler sicher.

[science.ORF.at, 7.12.04]
Mehr zum Thema Fermentation und Landwirtschaft in science.ORF.at:
->   Österreich: Neues Verfahren zur Weinvergärung (6.7.04)
->   Live-Analyse von Gärungsprozessen (2.4.03)
->   Bauern des mittleren Ostens "zivilisierten" Europa (6.8.02)
 
 
 
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01.01.2010