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Auslandsinvestitionen stärken heimische Forschung  
  Verlassen nicht mehr nur arbeitsintensive Branchen Österreich, sondern verlagern Unternehmen nun auch die Forschungsabteilungen ins Ausland? Aus Sicht der Wirtschaftsforschung kann diese Frage eindeutig mit "Nein" beantwortet werden. Auslandsniederlassungen stärken in erster Linie die heimischen Standorte, meinen die Technologiepolitik-Experten Bernhard Dachs und Andreas Schibany in ihrem Gastkommentar.  
Kräftige Investments von Österreichern im Ausland
Von Bernhard Dachs und Andreas Schibany

Österreichische Unternehmen haben in den letzten Jahren im Ausland kräftig investiert: Nach Angaben der österreichischen Nationalbank arbeiten bereits 300.000 Beschäftigte in ausländischen Tochterunternehmen österreichischer Gesellschaften.

Immer mehr Unternehmen, so scheint es, wollen die Vorteile Mittel-und Osteuropas oder Asiens nicht nur für arbeitsintensive Produktion, sondern auch für Forschung und Entwicklung (F&E) nutzen.
Österreichische Unternehmen forschen im Ausland...
Bild: ARCS
Anzahl österreichischer Patente
mit ausländischem Erfinder 1998-2000
Greift die Globalisierung, die bisher nur auf niedrig qualifizierte Tätigkeiten beschränkt war, jetzt auch auf wissensintensive Jobs in Forschung und Entwicklung über? Lässt sich ein Rückgang der Forschung in Österreich und eine Verlagerung nach Osteuropa und Asien beobachten?

Eine Studie des Politikberatungsprogramms "Technologie Information Politikberatung" (TIP) beantwortet diese Frage eindeutig mit "Nein".

Zwar forschen österreichische Unternehmen heute tatsächlich wesentlich häufiger im Ausland als in der Vergangenheit. Der Anteil von Patenten im Besitz von österreichischen Einrichtungen, die ganz oder teilweise im Ausland erfunden wurden, hat sich in den vergangenen 20 Jahren von zehn auf 20 Prozent verdoppelt. Inzwischen wird also jedes fünfte Patent eines österreichischen Unternehmens ganz oder teilweise im Ausland entwickelt.
... jedoch nicht in Mittel- und Osteuropa
Es sind jedoch nicht die osteuropäischen oder asiatischen Staaten, die F&E-Einrichtungen österreichischer Unternehmen im Ausland besonders anziehen. Vielmehr sind Deutschland, die Schweiz sowie die USA die beliebtesten Gastländer.

Zwischen 1998 und 2000 wurden beinahe 40 Prozent aller Auslandsentwicklungen von österreichischen Patenten in Deutschland geleistet, der Anteil Osteuropas ist unter einem Prozent.
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TIP ist ein Beratungsprogramm für die österreichische Forschungs-, Technologie und Innovationspolitik im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (bm:bwk) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (bmwa).

Die TIP-Studie "Patente - Ein Indikator für technologische Leistungsfähigkeit und Internationalisierung" analysiert die Internationalisierung der österreichischen Forschung anhand von Patentdaten.
->   Die Studie als pdf-Download
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Kostenvorteile nicht unbedingt ausschlaggebend
Im Gegensatz zur Produktion sind Kostenvorteile für Ansiedelungsentscheidungen von Forschung und Entwicklung nicht unbedingt das Ausschlag gebende Kriterium: Studien zeigen, dass lokal vorhandenes Know-how von Universitäten oder technologisch führenden Unternehmen (oft als Clustereffekte bezeichnet) sowie die Verfügbarkeit hochqualifizierter Wissenschaftler und Techniker viel wichtiger sind.

Forschungs- und Entwicklungsabteilungen werden auch oft ins Ausland verlagert, wenn bestehende Produkte für wichtige Märkte und Kunden vor Ort angepasst werden sollen. Solche Standortvorteile finden österreichische Unternehmen in Westeuropa und den USA, derzeit jedoch noch selten in Osteuropa.
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Umgekehrte Tendenz
Österreichische Unternehmen haben in den letzten Jahren nicht nur ihre F&E-Aktivitäten ins Ausland ausgedehnt, Österreich ist auch ein attraktiver Standort für Forschungseinrichtungen internationaler Unternehmen geworden, wie die Studie "Attraktivität Österreichs als Forschungsstandort für internationale Unternehmen" von Joanneum Research zeigt.
->   Studie als pdf-Download
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Forschung im Ausland ergänzt inländische Aktivitäten
Dass die heimischen Unternehmen ihre F&E-Ausgaben nicht zugunsten ausländischer Standorte gekürzt haben, zeigen auch die letzten Zahlen von Statistik Austria. Sowohl die absoluten Ausgaben als auch die Forschungsquote der heimischen Unternehmen haben sich im letzten Jahrzehnt kontinuierlich erhöht.

Wenn also österreichische Unternehmen F&E-Kapazitäten im Ausland aufgebaut haben, so waren diese Investitionen Ergänzungen, aber kein Ersatz zu Aktivitäten im Inland.

Die Entwicklung neuer Technologien, neuer Produkte und Dienstleistungen wird für Unternehmen aller Branchen zur zentralen Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Beginnt ein österreichisches Unternehmen im Ausland mit F&E-Aktivitäten, so ist das Ausdruck eines steigenden Wettbewerbsdrucks in dem jeweiligen Land und ergänzt die Aktivitäten in Österreich.
Mehr Investment in F&E - auch an mehreren Standorten
Unternehmen nutzen lokal vorhandenes Know-how, gut ausgebildete Personen und die Kompetenzen von Forschungseinrichtungen, um neue Produkte für rasch wachsende Märkte zu erzeugen.

Sie investieren daher heute mehr in F&E um wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben - und dies kann durchaus an mehreren Standorten gleichzeitig passieren.
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Über die Autoren
Bernhard Dachs arbeitet im Fachbereich Technologiepolitik der "Systems research GmbH", einer Tochter der Austrian Research Centers.

Andreas Schibany ist am Institut für Technologie- und Regionalpolitik - InTeReg von Joanneum Research beschäftigt.
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->   WIFO-Studie zur Attraktivität Österreichs für internationale Headquarter
->   Analyse der ÖNB von Direktinvestitionen Österreichs im Ausland (als pdf)
->   Zahlen der Statistik Austria zu Forschung und experimenteller Entwicklung
Mehr über wirtschaftliche Aspekte von Forschung in science.ORF.at:
->   Wissenschaftsstandort Asien auf der Überholspur (11.11.04)
->   Nobelpreis für Wirtschaft geht an Makroökonomen (11.10.04)
->   Uni Linz ist treibender Wirtschaftsfaktor (28.6.04)
 
 
 
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01.01.2010