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Gender und Genre: Geschlechter-Stereotype im Film  
  Ob "Terminator", "Rocky" oder "Eis am Stiel" - Fortsetzungen mit ähnlichen "Plots" gehören ebenso zu Unterhaltungsfilmen wie Geschlechterstereotypien. Am Beispiel des "Terminator" zeigt die Filmwissenschaftlerin Henrike Hölzer, dass die Wiederholung als Strukturprinzip des Genrefilms bezeichnet werden kann: Stereotype werden adaptiert, ohne damit dem Zuseher den "festen Boden" der gewohnten Handlung unter den Füßen wegzuziehen.  
Einen Bezug zwischen Genre und Gender herzustellen, ist nicht nur wegen dem bekannten einfachen Strickmuster der Geschlechterrollen interessant, schreibt Hölzer im kürzlich erschienenen Buch "Screenwise. Film-Fernsehen-Feminismus".

"Genrefilme fordern ZuschauerInnen dazu auf, Bezüge herzustellen, Konventionen wiederzuerkennen", erklärt Hölzer. Dabei würden allerdings nicht nur bestehende Stereotypen gefestigt, sondern auch aufkommende Bilder verstärkt.
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Buchpräsentation
Das von Monika Bernold, Andrea Braidt und Claudia Preschl herausgegebene Buch "Screenwise. Film - Fernsehen - Feminismus" stellt eine Bestandaufnahme aktueller Ansätze in den feministischen TV- und Filmwissenschaften dar.

Über 20 Autorinnen reflektieren die Entwicklungen feministischer Film- und Fernsehtheorien und konfrontieren sie mit gegenwärtigen Fragestellungen und Debatten. Das Buch wird am Dienstag, 21.12.2004, um 18.30 Uhr im Wiener Top-Kino (mit anschließendem Überraschungsfilm) präsentiert.
->   Inhaltsverzeichnis und Vorwort des Buchs "Screenwise" (Schüren Verlag, pdf-Datei)
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Wiederholung Strukturprinzip des "Terminator"
"Wiederholung aber nicht des Identischen, ist das maßgebliche Strukturprinzip der Terminator-Serie", erklärt Henrike Hölzer, warum sie Schwarzenegger & Co für ihre Fallstudie ausgewählt hat.

Der Plot bleibt in allen drei "Terminator"-Filmen gleich: Zwei Figuren werden aus der Zukunft in die Vergangenheit geschickt. Eine soll den zukünftigen Retter der Menschheit töten, die andere ihn retten.
Kämpfe grundsätzlich sexualisiert
In jedem Film wiederholt sich daher auch der Kampf der beiden Gesandten auf Leben und Tod.

Die Kämpfe sind "grundsätzlich sexualisiert", wie die Filmwissenschaftlerin festhält: Es geht um den männlichen Beschützerinstinkt, die Frau, die mit dem Kind zurückbleibt, während der Mann einen einsamen Heldentod stirbt etc.

Im dritten Teil des "Terminator" findet sich eine spannende Adaption der Stereotypen: Die "Terminatrix" ist zwar um nichts weniger brutal als ihr männliches Gegenstück. Aber auch im Kampf auf Leben und Tod vergisst sie nicht auf den Blick in den Spiegel.
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Seit 1990 immer mehr Actionheldinnen
Die Wandlung der weiblichen Hauptdarstellerin im "Terminator" von einer unscheinbaren Kellnerin zu einer heldenhaften Kämpferin ist für Actionfilme nicht unüblich, wie die Publizistin Evamaria Trischak in ihrer Diplomarbeit über "Gender und Technik im Cyborg-Film" festhält.

Die Hauptdarstellerin ist eine der ersten von vielen Actionheldinnen, die beginnend mit den 1990er Jahren zunehmend im Kino auftauchten. Nach Trischaks Analyse eröffnete diese Wende im Kino neue narrative Möglichkeiten für weibliche Figuren.
->   Die Diplomarbeit von Trischak (pdf-Datei)
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Männlichkeit "inszeniert"
Durchbrochen wird in den "Terminator"-Filmen immer wieder das Stereotyp vom angeborenen Geschlecht. Männlichkeit wird in einigen Szenen nicht als biologisches Faktum, sondern als konstruierte Kategorie geschildert.

Besonders bekannt ist dabei laut Henrike Hölzer die Szene, als der nackte Schwarzenegger sich nach der Ankunft in der Jetztzeit Kleider besorgt. "Vordergründig hat diese Szene den Zweck, seine Männlichkeit zu etablieren", schreibt Hölzer.

Ein echter Mann nehme sich einfach, was er braucht - sei es ein Gewehr oder die unabdingbare Sonnenbrille.
Begehrenswert für Männer und Frauen
Auch die Kleidung ist betont maskulin. Sie besteht aus einem Lederdress, in dem manche Filmtheoretiker Anklänge an einen homosexuellen "Leatherman" sehen.

Der Terminator wird laut Hölzer für Männer ebenso begehrenswert inszeniert wie für Frauen - Männlichkeit hängt von bestimmten Insignien ab, nicht von einem männlichen Wesen.
Zu starke Brüche werden vermieden
Trotzdem: Wie in allen Genrefilmen vermeidet auch der "Terminator" zu starke Brüche mit Stereotypen. Dass Personen in mehrfachen Rollen auftreten oder verschiedene Zeitebenen vermischt und damit Charaktere gedoppelt werden, entpuppt sich als besonderer Kniff:

Diese Konstruktion stelle "den 'sicheren' Standpunkt des Betrachters in Frage und zwar auch hinsichtlich der konventionellen Geschlechterdichotomien", schreibt die Filmwissenschaftlerin in ihrem Beitrag zum Buch "Screenwise". Durch die Wiederholung werde das, was wir alle schon einmal gesehen haben, in ein neues Licht gesetzt.

Am Ende des dritten Teils verspricht der Terminator "We'll meet again!" Sollte es tatsächlich dazu kommen, ist sich Hölzer sicher: Er wird nicht mehr derselbe sein.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 20.12.04
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01.01.2010