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ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Open-Source-Medizin soll Tropenkrankheiten heilen  
  Jedes Jahr sterben zwischen 1,5 und 2,7 Millionen Menschen an Malaria. Darüber hinaus erkranken Tausende an der Schlafkrankheit, dem Denguefieber oder der Flussblindheit. Dass tropische Krankheiten so viele Opfer fordern, hat weniger medizinische, sondern vielmehr ökonomische Gründe: Für Pharmafirmen lohnt sich die Entwicklung von Medikamenten nicht, weil die Patienten in Entwicklungsländern nicht oder nur wenig dafür bezahlen können. US-Forscher setzen jetzt auf das "Open Source"-Prinzip in der pharmazeutischen Forschung und haben eine Plattform für tropische Krankheiten ins Leben gerufen.  
Ergebnisse werden zur freien Verwendung publiziert
Wie die beiden Rechtswissenschaftler Stephen Maurer und Arti Rai sowie der Bioinformatiker Andrej Sali ausführen, soll die Online-Plattform ein dezentrales Austausch- und Entwicklungsforum sein.

Alle Ergebnisse werden auf der Website der "Tropical Disease Initiative" publiziert und können von jedem für eigene Forschungen oder Produktentwicklungen verwendet werden.
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Arti Rai (Duke University), Stephen Maurer und Andrej Sali (beide University of California) haben ihre Überlegungen unter dem Titel "Finding Cures for Tropical Diseases: Is Open Source an Answer?" am 28.12.2004 im Open-Access-Magazin "PLoS Medicine" veröffentlicht (DOI 10.1371/jounal.pmed.0010056, S. 180-183).
->   PLoS Medicine
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Wohlhabende Regionen: Bevorzugte Pharma-Märkte
Die bevorzugten und beinahe ausschließlichen Märkte für neue Medikamente sind Europa, die USA und Japan. In diesen Regionen können sich Pharmakonzerne sicher sein, dass sowohl öffentliche Gesundheitssysteme als auch Einzelkonsumenten über genügend Geld für Medizin verfügen.

Anders sieht es in den so genannten Entwicklungsländern aus, in denen das Gesundheitssystem brach liegt und mit Medizin kein Geschäft zu machen ist.
Teures Patentwesen
Dass Medikamente überhaupt so teuer und damit für arme Regionen unerschwinglich werden, liegt vor allem am Patentwesen: Pharma-Unternehmen sichern die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit durch Patente ab.

Sie verhindern damit, dass ihre Ideen von einem Dritten kopiert werden, der nicht in die Entwicklung investiert hat.

Möchte jemand ein patentiertes Verfahren oder Produkt weiterentwickeln, kann das der Patentinhaber entweder verbieten oder hohe Lizenzgebühren verlangen, wodurch die Kosten für das Endprodukt steigen. "Open Source" hingegen lässt keine Patentierung zu.
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Offene Quellen für alle
Bekannt wurde "Open Source¿ (OS) in der Informatik. Der Name (wörtlich übersetzt: "Offene Quelle") bezeichnet die "Sichtbarkeit¿ des so genannten Quellcodes einer Software. Bei OS-Programmen wird dieser Code, der die Funktionen einer Software beschreibt, mitgeliefert. Das bedeutet, dass jeder Anwender - vorausgesetzt, er besitzt die entsprechenden Programmierkenntnisse - Fehler des Programms selber beheben und es auch nach Belieben weiterentwickeln kann.

Der Begriff "Open Source" hat sich mittlerweile von der Software emanzipiert und wird immer öfter als Bezeichnung für eine Arbeitsweise gebraucht, bei der möglichst alles offen gelegt wird.
->   Mehr zum Thema Open Source in Wikipedia.de
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"Virtual Pharma": Netzwerke mit fixen Partnern
Mit der Gründung so genannter "Virtual Pharmaceutical Companies" wurde in den 90er Jahren versucht, den ökonomischen Druck von Medikamenten für Entwicklungsländer zu nehmen: "Virtual Pharmas" sind eine netzwerkartige Struktur mit vertraglich verpflichteten Partner, die viel versprechende Entwicklungen ausfindig machen und - sofern Sponsorgelder vorhanden sind - weiterentwickeln.

Bekannte Bespiele für diesen Ansatz sind das "Institute for One World Health" oder die "Drugs for Neglected Diseases Initiative".
Web-Plattform: Recherche und Entwicklung übernehmen
 
Bild: Tropical Disease Initiative

An diese "Virtual Pharmas" möchten Stephen Maurer, Arti Rai und Andrej Sali mit ihrem Projekt einer offenen Plattform andocken.

Aufgabe der "Tropical Disease Initiative" (siehe Bild oben) wäre es, den kostenintensiven Teil der Recherche und Entwicklung abzudecken und eine Patentierung der Ergebnisse auszuschließen.

Forscher von öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie von Unternehmen können anderen Entdeckungen zugänglich machen, für deren Weiterentwicklung das Geld fehlt. Alle Einträge kämen in eine Datenbank, darüber hinaus stünden Diskussionsforen und Message-Boards zur Verfügung.
Anerkennung als "Belohnung"
Stephen Maurer, Arti Rai und Andrej Sali geben sich zuversichtlich, dass das Prinzip "Open Source" auch in der Medikamentenentwicklung funktionieren wird:

Die freiwilligen Mitarbeiter würden vor allem durch Anerkennung in der Community belohnt - "und", so fragen die US-Forscher, "wenn es in der Software funktioniert, wieso dann nicht auch bei Medikamenten?"

Elke Ziegler, science.ORF.at, 28.12.04
->   Tropical Disease Initiative
->   Institute for One World Health
->   Drugs for Neglected Diseases Initiative
->   Mehr zum Thema Patente im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010