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Tierversuche nötig für Studien zur Wundheilung  
  So lange die Komplexizität der Haut noch nicht in Gewebekulturen "nachgebaut" werden kann, kommen wichtige Aufklärungsschritte aus Studien an Tieren, meint Erwin Tschachler, Dermatologe an der Medizinischen Universität Wien, in einem Gastbeitrag.  
Wundheilungsstörungen steigen durch Unfälle und Überalterung
Von Erwin Tschachler unter Mitarbeit von Susanne Krejsa

Die starke Zunahme von Überlebenden schwerer Unfälle oder großflächiger Verbrennungen sowie das Ansteigen von Patienten mit gestörter Wundheilung (etwa Diabetes, Paraplegie sowie Senioren) führt in allen hoch entwickelten Ländern zu intensiver Wundheilungsforschung.

Dies ist allen Anstrengungen zum Trotz derzeit nur zum Teil in Zell- und Gewebekulturen möglich. Nur in Studien an Tieren (in den allermeisten Fällen gentechnisch veränderte Mäuse, gelegentlich auch Schweine) oder am humanen Probanden lässt sich die Komplexität und Vielfalt der Interaktionen beobachten und kontrolliert beeinflussen.

Bei so genannten transgenen Mäusen wurden die Konzentration oder Effizienz beispielsweise von Wachstumsfaktoren erhöht. Bei so genannten Knock-out-Mäusen ist die Exprimierung einzelner Faktoren gezielt unterdrückt.
Wundheilung setzt sofort ein
Da jede Wunde den Verlust der Integrität der Haut bedeutet, somit den Verlust der Barrierefunktion gegenüber äußeren Einflüssen, setzt die Wundheilung augenblicklich ein, um die Wunde so schnell wie möglich zu schließen und die Funktion des beschädigten Gewebes wieder herzustellen.
Koordination verschiedener Zellpopulationen
In diesen dynamischen und interaktiven Prozess sind lösliche Mediatoren, Blutzellen, extrazelluläre Matrizes und Parenchym-Zellen involviert. Dabei müssen mindestens zehn verschiedenen Zellpopulationen ihre Aufgabe zeitlich und räumlich koordiniert erfüllen.

Vermittelt wird ihre Tätigkeit im wesentlichen durch drei Wege: durch Zell-Zell-Interaktion, durch Zell-Matrix-Kontakte sowie durch zytokinvermittelte Wechselwirkungen.
Augenmerk besonders auf Mediatoren
Bei der Erforschung der Physiologie der Wundheilung mit dem Ziel ihrer Beschleunigung/Verbesserung gilt es, mehrere hundert Steuerungs- und Nähr-Substanzen zu untersuchen.

Besonderes Augenmerk gilt derzeit Mediatoren zur Stimulation reparativer Prozesse, die in der Kaskade der Wundheilung die große Potenz haben, eine Wunde zur Abheilung zu bringen und die dermale und epidermale Regeneration einzuleiten.
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Verschiedene Wachstumsfaktoren
Am intensivsten beforscht werden Platelet derived growth factor (PDGF-a, -ß), der Insulin-like growth factor-I (IGF-I), der Transforming growth factor-ß (TGF-ß), der Vascular endothelial growth factor (VEGF) sowie der Keratinocyte growth factor (KGF) und der Fibroblast growth factor (FGF). Sie werden von unterschiedlichen Zellen synthetisiert, haben verschiedene Funktionen und unterschiedliche Zielorgane.
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Mäuse sind natürliche "Raufer"
Mäuse sind in ihrem natürlichen Verhalten "Raufer", die einander oft verletzen. Diese "natürlich entstandenen" Verletzungen können mangels Reproduzierbarkeit für die Wundheilungsforschung allerdings nicht genützt werden.

Ganz im Gegenteil: Nur vollständig gesunde Tiere dürfen in Studien aufgenommen werden.
Ablauf der Tierversuche
Mit Enthaarungscreme wird etwas Rückenhaut vom Fell befreit und anschließend dem Tier unter Narkose etwa 0,1 Quadratzentimeter Haut entnommen.

Zehn bis 14 Tage später wird die Maus angst- und schmerzfrei unter Narkose eingeschläfert. Die erfolgte Wundheilung kann sodann mikroskopisch und biochemisch untersucht werden.
Studien am Tier unterliegen besonderen Regelungen
An der Medizinischen Universität Wien - wie auch an anderen Universitäten - ist eine Kommission zur Beratung und Begutachtung tierexperimenteller Forschungsvorhaben eingerichtet. Ihre Aufgabe ist die Prüfung der wissenschaftlichen, ethischen und gesetzlichen Gesichtspunkte sowie der Nutzung der Ressourcen.

Das Gremium besitzt selbst keine Entscheidungsbefugnis sondern leitet seine fachlichen und ethischen Beurteilungen der Versuchsanträge an den Rektor weiter.

[29.12.04]
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Erwin Tschachler ist Dermatologe an der Abteilung für Immundermatologie und infektiöse Hautkrankheiten / Universitätsklinik für Dermatologie an der Medizinischen Universität Wien. Susanne Krejsa ist Wissenschaftsjournalistin in Wien.
->   Universitätsklinik für Dermatologie, Medizin-Uni Wien
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Aktuelles zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Versuchsmäuse können tiergerecht gehalten werden (15.12.04)
->   Nuklearmedizinische Methoden und Tierversuche (17.11.04)
->   Tierversuchsstatistik 2003: Wieder sinkende Zahlen (29.6.04)
 
 
 
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01.01.2010