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Ansichtskarten als Forschungsobjekt  
  Die Postkarte hat jetzt zu den Feiertagen wieder Hochsaison. Eine junge Grazer Kulturwissenschaftlerin erforscht das Phänomen der Ansichts- bzw. Postkarte - historisch als auch gegenwartsbezogen.  
Eva Tropper ist mit ihrem Projekt Junior-Fellow am IFK, dem Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien.
Kurze bündige Kommunikationsform
1869 wird in Österreich die "Korrespondenzkarte" eingeführt - eine nicht-illustrierte Postkarte, die als amtliches Medium mit einem Adress- und Textfeld streng normiert war.

"Es gab ein gesteigertes Bedürfnis nach einer kurzen, bündigen Kommunikationsform", sagt die Kulturwissenschaftlerin Tropper.
Auch für Verabredung am Abend
"Ansichtskarten waren am Anfang ein Kommunikationsmedium in dem Sinn, dass man sich z.B. ausgemacht hat, 'man trifft sich am Abend'. Es gab das Telefon noch nicht, und die Post wurde mehrmals täglich zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Postkarte noch Funktionen, die wir im Rückblick völlig ausblenden, weil wir die Post- bzw. Ansichtskarte immer nur als touristisches Medium wahrnehmen."
Bildpostkarten ab 1890
Touristisch wurde die Postkarte um die Jahrhundertwende. 1885 gab es die offizielle Regelung, dass die Karten von privaten Verlegern illustriert werden dürfen. Das war der Startschuss für ein Massenphänomen. Die Bildpostkarte trat ab 1890 ihren Siegeszug an.

Am Anfang waren es hauptsächlich lithografische Ansichtskarten, ein Schub kam dann noch einmal mit der Durchsetzung fotografischer Verfahren.
Funktion "Ich war hier" geht verloren
Bis heute sind die Verkaufszahlen ungebrochen hoch, wenngleich es Veränderungen gibt, stellt Tropper fest. Die Hauptfunktion der Ansichtskarte, nämlich mitzuteilen "Ich war hier!" geht langsam verloren.

"Es gibt die Tendenz, dass in meiner Generation etwa das Reisen immer mehr ohne das Verschicken von Ansichtskarten stattfindet", sagt Tropper.
Reisen wurde weniger prestigeträchtig
"Ich glaube ein möglicher Erklärungsansatz ist, dass das Reisen so erschwinglich geworden ist, dass diese Prestigeträchtigkeit nicht mehr gegeben ist. Die Ansichtskarte verliert diese Funktion, seit Reisen ein demokratisches Gut ist."
Fetischcharakter Karte
Den anhaltenden Erfolg der Ansichtskarte schreibt Eva Tropper dem Fetischcharakter der Karten zu. Und sie verweist auf das Phänomen, dass sich viele von einer Reise selbst Ansichtskarten mit nach Hause nehmen, weil sie die Spur des Ortes, an dem sie gekauft wurden, tragen, wie die Forscherin sagt.

Ulrike Schmitzer, Ö1-Wissenschaft, 29.12.04
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01.01.2010