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Neues Netzwerk für Frühmittelalterforschung  
  Wien wird Zentrum eines neuen internationalen Netzwerkes für Frühmittelalterforschung. Keimzelle und Herzstück ist ein Projekt des Historikers und Wittgenstein-Preisträgers Walter Pohl.  
Gestartet wurde das mit den 1,5 Mio. Euro Wittgenstein-Preisgeld finanzierte Forschungsvorhaben sowie das Netzwerk, in dem derzeit 30 Frühmittelalterexperten aus Europa und den USA zusammenarbeiten, mit Jahresbeginn 2005.

Dies erklärte Pohl, Direktor des Instituts für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien, im Gespräch mit der APA.
Internationale Partner
In dem Netzwerk sind bisher Forschungseinrichtungen aus vier Ländern vertreten: Die Universität Utrecht in den Niederlanden, die Universitäten Cambridge und Leeds in Großbritannien, die Sorbonne in Paris sowie die University of California in Los Angeles (UCLA).

Dazu kommt Pohls Wiener Institut, das bis 2009 durch ein Team von rund zehn Historikern massiv verstärkt werden soll.
Zeitspanne von 400 bis 1000 im Mittelpunkt
Mit dem ausschließlich für Forschung zur Verfügung stehenden Wittgenstein-Preisgeld sollen Post-Docs und Doktoranden angestellt und ausländische Gäste für mehrere Monate bis ein Jahr lang nach Wien eingeladen werden.

Ziel sei ein "intensives Forschungsprogramm zum Frühmittelalter", in dessen Rahmen die bisher von der Wissenschaft zu wenig berücksichtigte Zeitspanne von 400 bis 1000 n. Chr. beleuchtet werden soll.
Entwicklung der ethnischen und politischen Karte Europas
"Vieles, was unser Europa heute prägt, entstand ab dem 4. Jahrhundert nach Christus aus der Umwandlung des römischen Reiches und der Völkerwanderungszeit. Für das Verständnis des gegenwärtigen Europas ist die Erforschung dieses Zeitraumes unabdingbar", erklärte der Historiker.

Denn im Frühmittelalter, also zwischen 400 und 1000 n. Chr., habe sich die ethnische und politische Landkarte Europas entwickelt. Fast alle Völker und Staaten, die heute den Kontinent prägten, seien bereits zu dieser Zeit entstanden.
Wanderung der Völker
Vor allem diese komplizierten Prozesse der Entstehung neuer ethnischer Identitäten sind laut Pohl Gegenstand des Wittgenstein-Projektes sowie der Forschungsarbeiten im Rahmen des neuen Netzwerkes.

"Zweite wichtige Brücke zur Gegenwart ist die Tatsache, dass Migration und Integration der 'Fremden' in der Zeit der Völkerwanderung als ferner Spiegel für die heutigen Probleme der Zuwanderung dienen kann", betonte der Historiker.
Aufarbeitung von Texten
Im Rahmen des fünfjährigen Forschungsvorhabens sollen teils noch kaum aufgearbeitete Texte aus dem Frühmittelalter untersucht werden. Darunter sind unter anderem Geschichtswerke und Gesetzessammlungen, Heiligenleben und Bibelkommentare sowie Inschriften und Briefe.

Vor allem von handschriftlichen Überlieferungen erwartet sich Pohl neue Hinweise auf Fragestellungen im Zusammenhang mit ethnischen Identitäten.
Publikationen auch für Laien geplant
Geplant sind zahlreiche Vorträge und Tagungen - das erste Netzwerk-Treffen soll Mitte Februar in Wien stattfinden -, wissenschaftliche Werke sowie mehrere für Laien verständliche Bücher.

[science.ORF.at/APA, 3.1.05]
->   Institut für Mittelalterforschung (ÖAW)
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Wittgensteinpreis 2004 an den Historiker Walter Pohl (5.7.04)
->   Das Stichwort "Mittelalter"
 
 
 
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01.01.2010