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Fliegen riechen mit Tandem-Rezeptoren  
  Insekten riechen Düfte anders als Wirbeltiere: Bei ihnen arbeiten die Riechrezeptoren nur im Doppelpack. Diese Entdeckung machte nun eine Gruppe deutscher Biologen. Sie konnten nachweisen, dass erst die Kopplung von zwei Rezeptoren zu einer funktionsfähigen Struktur führt.  
Wie ein Forscherteam um Hanns Hatt von der Universität Bochum berichtet, ist für die Dufterkennung der Fruchtfliege ein bestimmtes Rezeptorprotein verantwortlich. Dieses bildet ein Tandem mit einem weiteren Riechrezeptorprotein, wodurch die Empfindlichkeit für Duftmoleküle tausendmal höher wird.
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Die Studie "Odorant receptor heterodimerization in the olfactory system of Drosophila melanogaster" von Eva M Neuhaus et al. erschien in "Nature Neuroscience" (Band 8, S.15 - 17; doi:10.1038/nn1371).
->   Zum Original-Abstract
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Riechen: Universeller Mechanismus
Seit den Arbeiten der diesjährigen Nobelpreisträger Linda Buck und Richard Axel ist bekannt, dass bei Insekten das Riechen ähnlich funktioniert wie bei allen Wirbeltieren bis hin zum Menschen:

Duftstoffmoleküle werden von spezifischen Riechrezeptorproteinen erkannt, die in der Riechzelle einen Signalweg aktivieren, der zur Zellerregung führt.
->   Medizin-Nobelpreis 2004 (5.10.04)
Rätselhafter Rezeptor
Bild: Universität Bochum
Den ersten Insekten-Rezeptor, den "Marzipan"-Rezeptor (DOR43a), konnten die Bochumer Forscher vor drei Jahren charakterisieren. Im Gegensatz zu Wirbeltieren, bei denen in jeder Riechzelle nur ein Typ dieser Rezeptorproteine existiert, kommt bei Insekten aber noch ein zweites Rezeptorprotein (DOR83b) vor.

Es ist in allen Riechzellen einer bestimmten Spezies (z.B. der Fruchtfliege) identisch und selbst bei unterschiedlichen Insektenarten in seiner Struktur sehr ähnlich.

"Die Funktion dieses zweiten, allgemein vorkommenden Riechrezeptors war bisher völlig unbekannt", so Hatt, "alle Versuche, ein passendes Duftmolekül zu diesem Rezeptor zu finden, schlugen fehl."
Doppelpack bringt mehr Leistung
Die Ergebnisse der Bochumer Biologen lösen nun das Rätsel um den zweiten Rezeptor: Das in allen Riechsinneszellen der Fruchtfliege vorkommende unspezifische Rezeptorprotein (DOR83b) lagert sich mit dem spezifischen Rezeptor im Doppelpack zusammen, es bildet ein so genanntes Dimer.

So trägt es dazu bei, dass das spezifische Rezeptorprotein eine drastisch erhöhte Affinität zu Duftmolekülen bekommt. Dies führt zu einer enormen Verbesserung der Riechleistung von Insekten.
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Methoden: Von Bildgebung bis Gentechnik
Für diese Erkenntnis waren verschiedene Techniken notwendig: Die Kopplung der beiden Proteine ließ sich mit der so genannten Biolumineszenz-Resonanz-Energie-Transfer (BRET) beweisen. Dabei koppelten die Forscher zwei Proteine mit verschiedenen fluoreszierenden Farbstoffen. Je nach räumlicher Entfernung senden die beiden Farbstoffe ein Leuchten mit einer charakteristischen Lichtwellenlänge aus, aus der man auf die Interaktion der beiden Proteine rückschließen kann.

Darüber hinaus machte man sich die Eigenschaft von Riechrezeptoren zunutze, bei Aktivierung die Calciumkonzentration in der Zelle zu erhöhen. Mit Hilfe von Calcium-sensitiven Farbstoffe konnten die Forscher in Echtzeit die physiologische Antwort der Riechrezeptoren auf einen Duftstoff quantitativ und qualitativ erfassen.
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Geruchsgene von Insekten selektiv stillgelegt
Die Wissenschaftler bestimmten die biologische Funktion des Rezeptorproteins mit der so genannten dsRNAi-Technik, indem sie das verantwortlichen Gens ausschalteten.

Dazu schleusten sie in die Eizelle von Fliegen eine veränderte Erbinformation ein, die dazu führt, dass ein bestimmtes ausgewähltes Gen (in diesem Fall für den generellen Riechrezeptor DOR83b) selektiv "stillgelegt" wird.

Durch Verhaltenstests und elektrophysiologische Strommessungen der Sinnesorgane der Fliegen konnten sie dann zeigen, dass Fruchtfliegen, bei denen dieses unspezifische Rezeptorprotein fehlt, Düfte (z.B. Marzipanduft) nur noch sehr schlecht oder gar nicht mehr wahrnehmen können.
Basis für neue Insektizide
"Mit diesen Methoden ist es uns nicht nur gelungen, einen neuen molekularen Wirkmechanismus der Dufterkennung für Nicht-Wirbeltiere nachzuweisen und so einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung zu leisten", zieht Hatt Bilanz: "Die Ergebnisse könnten auch weit reichende Konsequenzen für die Herstellung neuer Insektizide haben."

Sollte es gelingen, das unspezifische Rezeptorprotein durch pharmakologische Eingriffe auszuschalten, wäre dies ein äußerst effektiver Weg, die Wahrnehmung aller Düfte drastisch zu reduzieren.

"Wenn man an die Schäden denkt, die die Heuschreckenplage kürzlich wieder in Europa und Afrika verursacht hat, könnte eine effektive Störung des Geruchssinns dieser Tiere enorme wirtschaftliche Bedeutung erlangen", so Hatt.

[science.ORF.at/idw, 3.1.05]
->   Universität Bochum
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01.01.2010