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Tsunami: Experten kritisieren Informationsstau  
  Warum hat es solange gedauert, bis die Weltgemeinschaft das Ausmaß der Flutkatastrophe in Südostasien erkannt hat? Dieser Frage gehen nun auch österreichische Forscher und Katastrophenspezialisten nach.  
Vor allem stellt sich die Frage, warum Satellitenbilder, auf denen die Auswirkungen zu sehen sind, erst Tage später zur Verfügung standen. Denn wenn man die Vorher- und Nachher-Bilder z.B. von Aceh sieht, hätte das Ausmaß der Schäden viel früher erkennbar sein müssen.
Bis zu 36 Stunden Wartezeit
Je früher das Ausmaß einer Katastrophe zu erkennen ist, desto früher kann man reagieren und helfen. Doch bei der Flutwelle in Südasien hat es Tage gedauert, bis das Ausmaß klar war.

Sogar beim Österreichischen Bundesheer klagt man, dass der Informationsfluss trotz internationalem Datenaustausch mit UNO und EU in den ersten Tagen spärlich war. ABC-Abwehrchef und Katastrophenspezialist Norbert Fürstenhofer:

"Vergleichen wir das z.B. mit einem Erdbeben, das lokal begrenzt ist, dann haben wir im Regelfall innerhalb von 12 Stunden ein ziemlich genaues Bild davon, wie viel Tote und Verletzte es gegeben hat. In diesem Fall hat das 28 bis 36 Stunden gedauert und zum Teil noch länger."
Nicht gänzlich erklärbar
Das liege zum Teil daran, dass ein riesiges Gebiet betroffen war, sagt Fürstenhofer und dass die Kommunikationseinrichtungen der betroffenen Länder zerstört wurden. Ungeklärt sei für ihn allerdings, warum die ersten Satellitenaufnahmen erst zwischen 28. und 30. Dezember zur Verfügung standen.

Laut Fürstenhofer hätten die Alarmsysteme der USA und anderer Staaten mit Satellitenaufklärung früher anschlagen müssen. Bei allem Verständnis für Geheimhaltung, hätte es in diesem Fall schnellere Informationen geben müssen, so Fürstenhofer.
Problem: Fixer Orbit der Satelliten
Überflutete Straßen, überschwemmte Felder, zerstörte Gebäude - das können geschulte Augen aus Satellitenbildern herauslesen. Je nach Auflösung der Bilder: Straßen oder Häuser oder gar einzelne Autos.

In der öffentlichen Wahrnehmung stieg das Ausmaß der Verwüstung von Tag zu Tag - warum konnte man das nicht gleich zu Beginn erkennen? Wolfgang Wagner vom Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung der Technischen Universität Wien:

"Im Prinzip könnte man schon Informationen von diesen Regionen bekommen - wenn genügend Satelliten im Weltraum wären. Ein Satellit hat einen fixen Orbit und er kann nicht beliebig ein gewisses Gebiet ansteuern, um von dort Informationen zu bekommen."
Schwer überschaubare Küstenlinie
Satelliten gibt es viele, doch sie müssen auch koordiniert werden. Jeder Satellit hat eine andere Aufgabe und unterschiedliche Systeme und braucht für eine Umrundung unterschiedlich lang - einige bis zu 35 Tage, bis sie dieselbe Region wieder überfliegen.

Satelliten können nur punktuell Bilder liefern, betont auch Stefan Seidl von der Salzburger Firma Geospace, die Satellitenbilder bearbeitet und vertreibt:

"Die hoch auflösenden Satelliten kommen bei den Gebieten alle zweieinhalb bis drei Tage vorbei. Es ist natürlich ein Problem, wenn man ein sehr großes Katastrophengebiet hat, z.B. über lang gezogene Küstengebiete."

Ein weiteres Problem: das Wetter. In einer Tropenregion können Wolken die Sicht der Satelliten stören.
Internationale Charta für Katastrophen
Und dann müssen die Daten - sofern vorhanden - natürlich auch analysiert, interpretiert und vor allem weitergegeben werden. Seit wenigen Jahren existiert eine internationale Charta für Katastrophen; dadurch sollen Hilfsorganisationen und Behörden weltweit Satellitenbilder von Katastrophengebieten einsehen können.

Diese Charta wurde laut Austrian Space Agency sofort nach Bekanntwerden der Flutwelle am 26. Dezember bekräftigt und die Satelliten, die die Europäische Weltraumbehörde betreibt, wurden umprogrammiert. Z.B. registriere der Satellit ENVISAT seit 29. Dezember Daten der Region, andere europäische Forschungssatelliten seit Jahreswechsel.
Vermehrte Kooperation notwendig
Zur besseren Koordinierung von zivilen und kommerziellen Satelliten und Hilfseinsätzen bedürfe es der gemeinsamen Anstrengung von UNO, internationalen Organisationen und diversen Raumfahrtbehörden, meint Wolfgang Wagner von der Technischen Uni Wien.

Bisher seien Hilfsorganisationen eher auf Eigeninitiative angewiesen - so habe z.B. das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt Satellitenaufnahmen vor und nach der Katastrophe zur Hand genommen, Straßen eingezeichnet und diese Karten den Hilfstrupps am Flughafen in die Hand gedrückt - auf Eigeninitiative, schildert Wagner.

Barabara Daser, Ö1-Wissenschaft, 11.1.05
->   Das Stichwort Tsunami im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010