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Sonderpädagoge: Jedes Kind ist bildungsfähig  
  Für den Ausbau der Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Regelschulwesen plädiert der neue Professor für Sonder- und Heilpädagogik an der Universität Wien, Gottfried Biewer.  
Die moderne Wissenschaft trete eindeutig für die so genannte "inklusive Edukation" statt der Aussonderung der Kinder in Sonderschulen ein, so der 49-jährige Wissenschaftler bei einer Pressekonferenz am Dienstag anlässlich seiner Antrittsvorlesung. Dies gelte auch für schwerbehinderte Kinder: "Jedes Kind ist bildungsfähig."
Es gibt keine Untergrenze für Bildungsfähigkeit
Er wehre sich vehement dagegen, eine Grenze zwischen integrierbaren und nicht-integrierbaren Kindern zu ziehen, betonte der Wissenschaftler. Es gebe keine Untergrenze für die Bildungsfähigkeit.

Diskutiert werden müsse eher um die Form der didaktischen Einbeziehung: "Die Regelschule muss ihren Unterricht umstellen", so Biewer.
Verstärkte Individualisierung gefragt
Der derzeitige Frontalunterricht müsse einer verstärkten Individualisierung weichen. Auch schwerbehinderte Kinder könnten integriert werden, wenn nur der Unterricht verändert werde.

Vertreter von Schulen für Schwerbehinderte würden in diesem Zusammenhang auch Eigeninteressen vertreten bzw. sich den entsprechenden Unterricht gar nicht vorstellen können.

Die Unterscheidung in bildungsfähige und nicht-bildungsfähige Kinder gehe zurück auf das Reichsschulgesetz von 1938 und habe sich jahrelang in den Köpfen gehalten, meinte Biewer.
Immer mehr Integrationsklassen
In den vergangenen Jahren habe sich aber auf dem Gebiet der Integration recht viel getan, so der Wissenschaftler. Bis in die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts habe Österreich ein breit ausgebautes Sonderschulwesen gehabt - durch Gesetzesänderungen und die Ermöglichung der Integration im Pflichtschulbereich würde bereits jetzt aber ein großer Teil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Integrationsklassen unterrichtet.
Hoffnung auf weitere Erhöhung der Quote
Er hoffe aber auch, dass die Quote der integrativ beschulten Kinder weiter erhöht wird - obwohl es zum Teil an den Regelschulen mangelnde Voraussetzungen dafür gebe. Einerseits könne man die Lehrer nicht dazu zwingen, andererseits bedürfe es auch mehr dafür ausgebildetes Personal.
Italien hat Sonderschulen abgeschafft
Vor allem in Großbritannien gebe es eine Bewegung für die Abschaffung von Sonderschulen, so Biewer. Diese vertrete die Meinung, dass sich vielmehr die regulären Schulen so ändern sollten, dass jedes Kind in diese gehen könne.

Trotzdem existierten in Großbritannien wie in den meisten anderen Staaten aber noch solche Einrichtungen. Als eines von wenigen Ländern habe Italien die Sonderschulen abgeschafft.
Bildungsbereich bleibt aus Gleichstellungsgesetz ausgespart
Eher nüchtern beurteilt Biewer den derzeitigen Entwurf für ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz in Österreich. Dieses enthalte zwar ein Diskriminierungsverbot, ansonsten werde aber darin nicht sehr viel geregelt. Weitere Nachteile: der Bildungsbereich bleibe ausgespart, und vieles würde an die Bundesländer delegiert.
Auch SPÖ drängt auf Verstärkung der Inklusion
Für eine Verstärkung der Inklusion an den Schulen über den Pflichtschulbereich hinaus plädiert auch die SPÖ-Behindertensprecherin Christine Lapp. Viele Menschen hätten im Umgang mit Behinderten Ängste und Hemmschwellen. "Ein selbstverständliches Miteinander an den Schulen von Kindesbeinen an drängt sich daher geradezu als ideale Lösung auf", so Lapp in einer Aussendung.

[science.ORF.at/APA, 11.01.05]
->   Institut für Bildungswissenschaften der Uni Wien
->   Begutachtungsentwurf des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes (als .doc)
 
 
 
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01.01.2010