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39 Millionen Jahre altes Insekt in Bernstein entdeckt  
  In einem Bernstein haben deutsche Wissenschaftler ein bisher unbekanntes Insekt gefunden. Das mindestens 39 Millionen Jahre alte Tier ist das älteste und größte weltweit gefundene Fächerflügler-Männchen.  
Mit 8 mm Länge handelt es sich bei dem gefundenen Insekt laut Hans Pohl von der Friedrich-Schiller-Universität Jena um das größte Männchen der Ordnung "Fächerflügler" (Strepsiptera). Der Protoxenos janzeni ist laut einer Aussendung der Universität der einzige Vertreter einer neuen Gattung und Familie.
Wichtiges Bindeglied in der Insektenentwicklung
 
Bild: Universität Jena

Von einem "missing link" im Strepsipteren-Stammbaum spricht deshalb auch der Zoologe Pohl.

Der neue Vertreter, der vor mindestens 39 Millionen Jahren gelebt hat, fungiert als Bindeglied zwischen den Fächerflüglern und dem Rest der so genannten holometabolen Insekten.

Bild oben: Der "Protoxenos janzeni" in baltischem Bernstein
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Holometabole Insekten
Unter holometabolen Insekten versteht man Tiere, die in ihrer Entwicklung eine vollständige Metamorphose von einer Larve über eine Puppe zum ausgewachsenen Insekt durchmachen. Sie umfassen über drei Viertel aller bekannten Insekten.
->   Mehr zu holometabolen Insekten in Wikipedia.de
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Diskussionen um stammesgeschichtliche Zuweisung
Die Strepsipteren - deren Flügelfaltung ihnen den deutschen Namen gab - "sind die rätselhafteste Insektengruppe überhaupt", berichtet Pohl. "Bis heute bereitet ihre stammesgeschichtliche Zuordnung große Probleme, denn genetische und morphologische Daten weisen in verschiedene Richtungen."

Mit der Entdeckung der neuen Gattung kommt nun wieder Bewegung in die Diskussion. Die heute lebenden Nachfahren des Protoxenos werden nicht größer als 2-6 mm und sind Parasiten anderer Insekten. Lediglich der Kopf der Weibchen schaut aus dem Leib des Wirtes (Bienen, Heuschrecken, Wanzen) heraus. "Deshalb werden sie auch durch den Mund befruchtet", erklärt Pohl.
Larven schlüpfen aus Mund der Mütter
 
Bild: Uni Jena

Auch die Larven, die mit wenig mehr als einem Zehntelmillimeter gerade einmal die Größe eines Pantoffeltierchens aufweisen, sind echte "Kopfgeburten" ihrer Mütter. Die Winzigkeit der Tiere und ihre hochspezialisierte parasitische Lebensweise erschweren ihre Erforschung.
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Die Ergebnisse der deutschen Zoologen wurden in der Januarausgabe der Zeitschrift "Zoologica Scripta" (34, 1/2005, S. 57-69) veröffentlicht.
->   Zoologica Scripta
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Beeindruckende Größe des Fossils
Umso erstaunlicher ist die Größe des fossilen Exemplars. "Besonders eindrucksvoll sind die großen hirschgeweihartigen Antennen", zeigt sich der Zoologe Hans Pohl begeistert. Diese hat Protoxenos mit den heutigen Vertretern gemein. Sie dienen der Ortung der Weibchen.

Anders als die heute lebenden Exemplare besitzt der ausgestorbene Fächerflügler jedoch noch Mundwerkzeuge, die ihn zur Nahrungsaufnahme befähigten. Unverdaute Reste von Chitinpanzern anderer Insekten in seinem Darm sprechen dafür, dass er ein Aasfresser war.
Fossil hat gefressen, heutige Insekten verweigern Nahrung
Immerhin hat er noch Nahrung zu sich genommen, während seine heutigen Nachfahren auf Null-Diät sind. Ihr kurzes zweistündiges Leben steht ganz unter dem Motto "Luft und Liebe".

"Die Männchen sprengen ihre Puppenhülle und pumpen ihren Darm voll Luft, um schneller zu den Weibchen zu gelangen, die sie mit ihrem Duft anlocken", erzählt Pohl. Ob sich auch das Männchen im Bernstein auf dem Hochzeitsflug befand, darüber können die Forscher nur mutmaßen.
Bisher erst 600 Arten von vermuteten 2.000 beschrieben
Fest steht, dass die heute noch lebenden Mini-Vertreter extrem an die parasitische Lebensweise angepasst sind. Bisher sind erst 600 Arten beschrieben worden, aber mindestens 2.000 werden vermutet.

[science.ORF.at,/idw, 12.1.05]
->   Universität Jena
->   Mehr über Insekten im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010