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Uni-Zugang: Österreich diskriminiert laut EuGH  
  Österreichische Bestimmungen für den Zugang zum Hochschulstudium sind diskriminierend und benachteiligen Studienwillige aus anderen EU-Staaten, sagt Francis Jacobs, einer der Generalanwälte des Europäischen Gerichtshofes (EuGH).  
Die heute, Donnerstag veröffentlichte Stellungnahme des Generalanwalts bindet die Luxemburger Richter nicht. Stellungnahmen der Generalanwälte nehmen das spätere Urteil aber in vier von fünf Fällen vorweg. Das Urteil ist in einigen Monaten zu erwarten.
Bevorzugung österreichischer Maturanten
Das aktuelle System in Österreich, wonach Ausländer eine Studienberechtigung in ihrem Heimatland nachweisen müssen, ermögliche in der Praxis vor allem österreichischen Maturanten den freien Zugang zur Universität und behindere andere EU-Bürger, meint Jacobs.

Österreich habe nicht nachweisen können, dass die Öffnung des Studiums für alle EU-Bürger das finanzielle Gleichgewicht des Bildungssystems stören würde. Es gebe mittels einer Aufnahmeprüfung oder einer Mindestnote einfache Mittel, um eine übermäßige Belastung des Haushaltes zu vermeiden.
Empfehlung zur Verurteilung
Daher empfiehlt Jacobs dem EuGH, Österreich zu verurteilen, weil nicht dafür gesorgt werde, dass Maturanten anderer EU-Staaten unter den gleichen Voraussetzung wie jene aus Österreich Zugang zum Studium haben.
Die Argumente des EuGH-Generalanwalts
Mobilität von Studenten sei ein Ziel der Europäischen Union. Andere Mitgliedsländer würden noch viel mehr Studenten anziehen als Österreich, argumentiert Jacobs.

Viele Studenten würden im Ausland studieren, um ihre künftigen Berufschancen zu erhöhen. Diese Menschen seien in der Regel sehr mobil und würden später zum inneren Zusammenhalt der EU beitragen. Solche Studenten auszubilden, sei auch zum indirekten Nutzen Österreichs.
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Ähnliches Urteil auch für Belgien
Das Aufenthaltsrecht der Studenten bedeute "eine bestimmte finanzielle Solidarität der Angehörigen dieses Staates mit denen der anderen Mitgliedstaaten", die auch Österreich bekunden müsse, so Jacobs.

Belgien, das vor einem ähnlichen Problem stand, sei kürzlich vom EuGH verurteilt worden. Würde man die österreichischen Argumente anerkennen, so würde dies zu einer Aufspaltung der Hochschulausbildung in Europa führen.
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Aufnahmstests, Mindestnoten o.ä. "unerlässlich"
Der Erlass weniger diskriminierender Maßnahmen in Österreich, wie Aufnahmsprüfungen oder Mindestnoten als Studienvoraussetzung "würde eindeutig Änderungen des derzeitigen Systems eines unbeschränkten öffentlichen Zugangs erfordern" räumt Jacobs ein. Sie seien aber zur Einhaltung der EU-Bestimmungen unerlässlich.
Von Medizinstudium nicht auf andere schließen
Österreich hat aus Sicht Jacobs nicht nachgewiesen, dass sein Hochschulsystem durch den freien Zugang für EU-Bürger finanziell übermäßig belastet würde. Österreich habe nur für das Medizinstudium Zahlen vorgelegt, wonach der Andrang das Fünffache der Kapazität übersteigen würde.

Das könne nicht auf das gesamte System verallgemeinert werden. Im Übrigen sei Österreich durch eine EU-Bestimmung geschützt, wonach ausländische Studenten nicht finanziell unterstützt werden müssen. Nur wenn diese Bestimmung durch neuere EuGH-Urteile abgeändert werden sollte, könne Österreich neu mit finanziellen Argumenten auftreten.
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Gegen Paragraph 36 des Uni-Gesetzes
Konkret wendet sich die EU-Kommission, die im November 1999 das Verfahren gegen Österreichs Uni-Zugang eingeleitet hat, gegen Paragraph 36 des Universitäts-Studiengesetzes. Darin heißt es unter anderem, dass ausländische Studenten zusätzlich zur allgemeinen Universitätsreife "studienrichtungsspezifischen Zulassungsvoraussetzungen" einschließlich des Studienrechts im Heimatland nachweisen müssen.

"Es dürfte unstrittig sein, dass diese Bestimmungen den Inhabern von in Österreich erworbenen Schulabschlusszeugnissen einen sehr breiten Zugang zum Universitätsstudium ermöglichen, während sie Inhaber vergleichbarer Zeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten den in diesen Staaten geltenden, oftmals strengeren Voraussetzungen unterwerfen", so die Einschätzung des Generalanwalts.
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Diskriminierende Folgen nationaler Vorschriften
"Die praktische, wenn nicht gar die beabsichtigte Folge der strittigen nationalen Vorschrift besteht darin, dass hauptsächlich den Inhabern österreichischer Sekundarabschlusszeugnisse der unbeschränkte Zugang zur Hochschulbildung erhalten wird, während er ausländischen Studenten, für die das österreichische System eine natürliche Alternative darstellt, erschwert wird. Ein solches, im Wesentlichen diskriminierendes Ziel ist mit den Zielen des Vertrages nicht vereinbar", so Jacobs.
Verwerfung der Argumente Österreichs
Jacobs verwirft das Argument Österreichs, es gehe um die Anerkennung eines Diploms. Aus seiner Sicht geht es um eine Studienzulassung, bei der die Nicht-Diskriminierung gelte.

Ein "Missbrauch der Niederlassungsfreiheit" könne keinesfalls allen ausländischen Studienwilligen pauschal unterstellt werden, sondern sei allenfalls in Einzelfällen nachzuweisen. Außerdem habe Österreich eingeräumt, "präventive" Zwecke zu verfolgen. Das sei nicht verhältnismäßig.

[science.ORF.at/APA, 20.1.05]
->   Europäischer Gerichtshof
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01.01.2010