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Experte: Offener Uni-Zugang "ernstes Problem"  
  Der Hochschulforscher Hans Pechar von der Interuniversitären Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung hält das österreichische Zugangssystem im Universitätsbereich für das liberalste in Europa.  
Andere Staaten hätten zumindest für einzelne Fächer Numerus-clausus-Regelungen eingeführt bzw. eine "Einschränkung des grenzenlosen Rechts, für immer inskribiert zu bleiben", so Pechar bei einer Podiumsdiskussion im RadioKulturhaus am Donnerstagabend.

Für Zugangsbeschränkungen beim Doktorats- bzw. PhD-Studium im neuen dreigliedrigen System (Bakkalaureat-Master-Doktorat) plädierte der Hochschul-Sektionschef im Bildungsministerium, Sigurd Höllinger.
Liberalster Zugang, niedrige Absolventenquoten
Pechar sprach sich für Zulassungsbeschränkungen aus. Den offenen Uni-Zugang hält er für ein "ernstes Problem" für die Entwicklung im österreichischen Hochschulsystem. Österreich habe zwar den liberalsten Zugang, liege aber gleichzeitig bei den Absolventenquoten am unteren Ende: "Da muss man doch hellhörig werden."

Die Auswahl der Studenten dürfe aber nicht wie in Deutschland zentral erfolgen, vielmehr sollten die Unis das Recht erhalten, ihre Studenten aufzunehmen.
"Unzumutbare Bedingungen" in Massenfächern
Der offene Hochschul-Zugang gebe dem Staat die Möglichkeit, seine Finanzierungsverpflichtung locker zu handhaben, kritisierte Pechar. Dabei entstehe eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der in einzelnen Massenfächern "unzumutbare Bedingungen" herrschten.

Besser für die Expansion des Hochschulsektors wäre hingegen ein System, in dem der Staat ähnlich wie an den Fachhochschulen jeden Studienplatz mit einer gewissen Summe finanziere: "Da kann man sich nicht rausschwindeln."
Eingangsphasen bei Psychologie und Publizistik
Ein Zugangssystem in einer frühen Studienphase praktizieren die Psychologie und die Publizistik an der Universität Wien. An der Psychologie muss etwa zunächst eine "Ringvorlesung" absolviert werden, um weiter Übungen und Proseminaren besuchen zu können.

Dabei würde vermittelt, was Psychologie als Wissenschaft überhaupt sei, so Dekanin Christiane Spiel. Resultat: Deutlich weniger als die Hälfte der jährlich rund 1.600 Studienanfänger absolviert diese Prüfung tatsächlich, ein großer Teil des Rests trete gar nicht erst an.

Ebenfalls nur etwa die Hälfte der Erstsemestrigen kämpft sich durch die Studieneingangsphase im Publizistik-Studium. Eine solche sei nicht zuletzt deshalb nötig, weil die Matura die Studierfähigkeit nicht ausreichend bestätige, so Institutsvorstand Wolfgang Langenbucher.
ÖH: Hochschulzugang bereits jetzt nicht offen
Die Hochschülerschafts-Referentin für Bildungspolitik, Rosa Nentwich-Bouchal, bezeichnete auf Grund dieser Eingangsphasen den Hochschulzugang bereits jetzt als nicht offen.

Wenn man mit anderen Staaten wie Schweden und Finnland vergleiche, dürfe man nicht übersehen, dass in Österreich die Auswahl der Studenten bereits in der Schule beginne, während das Schulsystem dort nicht selektiere.
Höllinger lehnt Numerus clausus ab
Begrüßt werden die Studieneingangsphasen hingegen von Höllinger, der einen Numerus clausus nach dem Notenschnitt im Matura-Zeugnis wie in Deutschland ebenfalls strikt ablehnt.

Wenn man sich für Zulassungsverfahren entscheide, könnten aber einzelne Noten des Reifeprüfungszeugnisses eine Rolle spielen. Befürwortet wird von ihm eine Zugangsbeschränkung beim Doktorats- bzw. PhD-Studium im neuen dreigliedrigen Studiensystem.

Dieses sei bereits die erste Phase der Berufslaufbahn eines Forschers und mit dem althergebrachten Doktoratsstudium nicht zu vergleichen. Wenn man das offene System in diesem Bereich erhalte, werde Österreich bald jenes Land sein, in das die dritt- und viertklassigen Interessenten aus aller Welt strömen würden.

[science.ORF.at/APA, 21.1.05]
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01.01.2010