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Neues Ludwig Boltzmann Institut  
  Nach der Reform der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft gibt es sechs neue Institute. Eines davon ist das "European History Lab. Democracy and Media Studies". Der Historiker und Leiter des neuen Instituts Oliver Rathkolb stellt es in einem Gastbeitrag vor.  
European History Lab: Democracy and Media Studies
Von Oliver Rathkolb

Paul Ricoeur schrieb: "Das weitaus Schwierigste ist und bleibt, diese Gründungsereignisse (unserer eigenen kollektiven, vor allem aber nationalen Identität) 'von den Anderen' erzählen zu lassen." (Das Rätsel der Vergangenheit 1998)

Dieses Zitat ist ein ideales Motto für die Ziele des neuen internationalen Forschungsinstituts. Das Geschichtsdenken der Europäischen Nationen wurde und wird innerhalb grob vergleichbaren politischen, sozioökonomischen und kulturellen Konstellationen geformt, es wird allerdings über unterschiedliche nationale Diskurse - sowohl verbale als auch visuelle - vermittelt.
Multimediales Forschungsinstitut
Das "European History Lab", initiiert und geleitet von mir, wird ein innovatives multimediales Forschungsinstitut zu zentralen europäischen Themen des 20. und 21. Jahrhunderts, deren Forschungsergebnisse für eine breite Öffentlichkeit erschlossen werden.
Medien und Demokratie
Im Zentrum der Forschung stehen neben der Entwicklung von zentralen europäischen "History Highways", die Bedeutung von politischen Bildern und Icons, die Analyse von Diskursen zu einer europäischen Öffentlichkeit sowie aktuelle Werte- und Identitätsdiskussionen als Bestandteil der europäischer Kultur.

In all diesen Forschungsfeldern werden die Entwicklung der Demokratie sowie die Transformation der Medien besonders intensiv untersucht.
Nationale Perspektiven bleiben relevant
Obwohl gegenwärtig der europäische Rahmen an Bedeutung gewinnt, gehen wir davon aus, dass nationale Narrative historischer Schlüsselereignisse und Entwicklungen relevant bleiben werden.

Nationale Perspektiven und Beschreibungen von zentralen politischen, militärischen, sozioökonomischen und kulturellen Entwicklungen werden ebenso weiter bestehen wie jene von traumatischen, nationalistischen und ethnischen Konfrontationen.
"Europäische History Highways"
Bild: Demokratiezentrum Wien
Wir werden ein innovatives Modell zur Konstruktion und Visualisierung der "Europäischen History Highways" entwickeln, indem wir die wichtigsten Narrative aus nationalen Kommunikationsräumen einbeziehen.

Die Struktur und vielseitigen Möglichkeiten einer Multimedia-Internetplattform wird uns die notwendige Flexibilität für die komplexe Aufgabe geben, eine multi-narrative Geschichte zu schreiben und dadurch die noch immer dominierenden eindimensionalen Historiographien zu überwinden.

Bild rechts: Aufbauend auf dem Logo-Entwurf "The Barcode" von Rem Kohlhaas wurden die vertikalen Nationalfarben entlang der horizontalen European History Highways gedreht.
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Organisation
Die Zentrale des "European History Lab. Democracy and Media Studies" mit rund 15 wissenschaftlichen fixen MitarbeiterInnen ist beim Konsortiumsleiter, dem Demokratiezentrum Wien und dem wissenschaftlichen Team um die Geschäftsführerin Gertraud Diendorfer angesiedelt, permanente Außenstellen und rund ein Drittel der SchlüsselforscherInnen befinden sich an den Universitäten Zürich, Basel, Florenz sowie Giessen.

Supervision und innovative Vernetzung erfolgt durch ein renommiertes MentorInnenteam von Professoren aus diesen Projektpartnerinstitutionen: Georg Kreis, Kurt Imhof, Claus Leggewie und Bo Strath.
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KorrespondentInnennetz
Ein KorrespondentInnennetz von jungen WissenschaftlerInnen in mehreren europäischen Städten wird den einzelnen Forschungsprogrammschienen ("European History Highways", "Politische Ikonografie", "Europäische Öffentlichkeit und Identität" sowie "Europäische Kultur") aus unterschiedlichen Diskursräumen zuarbeiten und in den nächsten Jahren ausgebaut werden.

Ein spezielles Qualitätssicherungsprogramm soll dieses "junge" ForscherInnennetzwerk ausbauen und vertiefen. Insbesondere sollen auch die permanenten Arbeitskontakte mit Süd- und Osteuropa intensiviert werden.
Internetplattform und Medienkooperation
Die Ergebnisse der europaweit durchgeführten Forschungen werden nicht nur über eine englischsprachige Internetplattform (inklusive einem europäischen Atlas zu den zentralen europäischen politischen Bildern), sondern auch im Rahmen internationaler Medienkooperation in die öffentliche Debatte über Europa kommuniziert.
Erinnerung gegen den Strich lesen
Sie sollen als kritische Orientierungswissenschaft helfen, die komplexe historische Gemengelage Europas in der Gegenwart, die unterschiedlichen "Wege der Erinnerung¿ gegen den Strich zu lesen, besser zu verstehen und zu entschlüsseln.
Permanente Forschungsvermittlung
Permanente Forschungsvermittlung ist ein zentraler Bestandteil des neuen Institutskonzepts. Ein wichtiger Output wird daher die Entwicklung eines Lehrprogrammes - in einem Blended Learning Programm - zur Europäischen Geschichte sein, evaluiert und distribuiert in enger Zusammenarbeit mit den Partnerinstituten dem Zentrum für Medien und Interaktivität an der Justus-Liebig-Universität Giessen, dem Europainstitut der Universität Basel, dem Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich sowie dem Robert Schuman Centre for Advanced Studies European University Institute Florenz.

Die internationale Jury hat das Thema des neuen Boltzmann-Instituts als "hochaktuell" eingestuft mit "Relevanz für den Standort Österreich" und "hohen Entwicklungschancen".
->   Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft
->   Reform der Boltzmann-Gesellschaft abgeschlossen (27.1.05)
 
 
 
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01.01.2010