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Forscher entdecken "Pubertäts-Moleküle"  
  Die Pubertät zeichnet sich durch radikale körperliche und psychische Veränderungen aus. Wer oder was jedoch im Körper den "Startschuss" zu dieser Umbruchphase gibt, war bis dato unbekannt. US-Forscher konnten nun nachweisen, dass dieses Signal durch das Zusammenspiel zweier Moleküle im Gehirn produziert wird.  
Wie Tony M. Plant von der University of Pittsburgh und seine Mitarbeiter berichten, handelt es sich dabei um einen Nervenzellrezeptor, der durch ein Protein aktiviert wird, das sinnigerweise auf den Namen "KiSS" hört.
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Die Studie "Increased hypothalamic GPR54 signaling: A potential mechanism for initiation of puberty in primates" von Muhammad Shahab et al. erscheint im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" (Band 102, S.2129-34, Ausgabe vom 8.2.05; doi:10.1073_pnas.0409822102).
->   PNAS
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"Die zweite Geburt"
Der französische Philosoph und Altvater der modernen Pädagogik, Jean-Jacques Rousseau, nannte die Pubertät einmal "die zweite Geburt". Nicht zu unrecht: Denn wenn aus Kindern hoch aufgeschossene, junge Erwachsene werden, befinden sie sich in einer Periode des radikalen Umbruchs.

Dies beschränkt sich nicht nur auf den Hormonhaushalt und die körperliche Gestalt, auch das Gehirn gleicht in dieser Phase einer regelrechten Baustelle. Wie neurobiologische Studien ergeben haben, nimmt etwa die Zahl der Verbindungen zwischen Nervenzellen während der Pubertät stark zu.

Davon besonders betroffen ist der so genannte präfrontale Cortex, eine im Stirnbereich gelegene Hirnregion, die unter anderem mit der Planung und Kontrolle von sozialem Verhalten betraut ist.
->   Präfrontaler Cortex (Uni Graz)
Neuronale Umbauten verändern Verhalten
Ein Team um Robert McGivern von der San Diego State University fand vor einiger Zeit heraus, dass die Fähigkeit, Gefühle anderer Menschen zu erkennen, bei Pubertierenden herabgesetzt ist und erst im Erwachsenenalter wieder ein normales Niveau erreicht.

McGivern führt diesen mittelfristigen Kompetenzverlust auf die erwähnten Wachstumsschübe im Stirnhirn zurück. Gegenüber der Zeitschrift "New Scientist" vermutet der US-Forscher, dass auch das mitunter launenhafte Verhalten von Pubertierenden seinen Ursprung in diesen neuronalen Umbauten habe.
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Die Studie " Cognitive efficiency on a match to sample task decreases at the onset of puberty in children" von Robert F. McGivern et al. erschien in "Brain and Cognition" (Band 50, S. 73; doi:10.1016/S0278-2626(02)00012-X).
->   Zum Originalartikel
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Startsignal bekannt - aber wer ist der Starter?
Weniger gut erforscht war bisher die Frage, was die Initialzündung für den Beginn der Pubertät darstellt. Eine ersten Hinweis erbrachten letztes Jahr Forscher des Massachusetts General Hospital.

Sie fanden eine mutierte Variante des Gens "GPR54", deren Träger an einer Hormonstörung leiden, die zu einer starken Verzögerung der Pubertät führt.

Grundsätzlich weiß man, dass die Pubertät dann als "offiziell" gestartet gilt, wenn das Hormon "Gonadoliberin" (kurz: GnRH von "gonadotropin releasing hormone") ausgeschüttet wird.

Ob und wie ein Zusammenhang zu GPR54, das einen Rezeptor in Nervenzellen produziert, gegeben ist, war bis dato unklar. Mit anderen Worten: Das offizielle Startsignal kannte man, der Starter selbst harrte aber noch seiner Entdeckung.
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Pubertärer Hormonreigen
Konkret läuft der Reigen hormoneller Signale nach der GnRH-Freisetzung folgendermaßen ab: GnRH stimuliert die Hirnanhangdrüse zur Abgabe ihrer eigenen Signalstoffe, und zwar des luteinisierenden Hormons (LH) sowie des follikelstimulierenden Hormons (FSH). Diese regen wiederum Hoden und Eierstöcke dazu an, die Sexualhormone Testosteron und Östradiol zu produzieren - jene Signalstoffe, die als Hauptverantwortliche für die körperliche und psychische Veränderung während der Pubertät gelten.
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Protein aktiviert Rezeptor
Aus vorangehenden Versuchen an Nagtieren wusste man außerdem, dass das Protein "KiSS-1" an den GPR54-Rezeptor binden und diesen aktivieren kann. Daher war es nahe liegend, sowohl GPR54 als auch KiSS-1 als entscheidende Akteure in jenem Signalnetzwerk anzusehen, das zur Einleitung der Pubertät führt.

Um diese Hypothese zu überprüfen, untersuchten die Forscher um Tony Plant die Aktivität der beiden Gene im so genannten Hypothalamus von Affen, einer hormonellen Steuerzentrale im Zwischenhirn.
->   Hypothalamus und Hypophyse (medizininfo.de)
Ein "KiSS" lässt die Hormone sprudeln
Es zeigte sich, dass beide Gene während der Pubertät tatsächlich besonders aktiv sind. Wurde den Tieren eine Dosis des Genprodukts von KiSS-1 verabreicht, löste das innerhalb von 30 Minuten eine 25-fache Erhöhung eines anderen kritischen Signalstoffes aus, nämlich des luteinisierenden Hormons (siehe Infobox oben).

"Wir haben nun gute Hinweise, dass das GPR54-Gen und sein Schalter, das von KiSS-1 produzierte Protein, der Schlüssel für die Einleitung der Pubertät sind", sagt Studienleiter Tony M. Plant: "Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass sie ganz alleine agieren. Andere Signalsysteme, von denen einige beim Menschen erst entdeckt werden müssen, kontrollieren vermutlich ebenfalls die Ausschüttung von GnRH."

Robert Czepel, science.ORF.at, 1.2.05
->   University of Pittsburgh
->   Das Stichwort Pubertät im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010