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Jugendliche wählen Partner nicht aus nahem Umfeld  
  US-Soziologen haben die romantischen und sexuellen Beziehungen zwischen Jugendlichen einer High School erfasst und das Geflecht in Form eines Netzwerks visualisiert. Ihre Ergebnisse: Im Gegensatz zu vielen Netzwerken unter Erwachsenen gab es keine "Kerngruppe" von sexuell sehr aktiven Menschen, die zu vielen anderen Beziehungen aufbauen. Stattdessen kristallisierte sich eine Ringstruktur heraus. Die Jugendlichen wählten ihren neuen Partner nicht aus ihrem unmittelbaren Umfeld.  
52 Prozent der Beziehungen in Ringstruktur erfasst
 
Bild: Ohio State University

James Moody, Co-Autor der Studie und Soziologie-Professor an der Ohio State University, vergleicht das visuelle Ergebnis mit einem Telefonnetz am Land: Auch dort laufen die Verbindungen von Haus zu Haus und bilden etwa in Dörfern eine ringförmige Struktur. Im Vergleich dazu gleichen die Beziehungen unter Erwachsenen eher einem Flughafen-Netzwerk: Wenige zentrale Punkte verbinden viele "Außenstehende".

Bild oben: Deutlich erkennbar ist die für das gesamte Netzwerk prägende Ringstruktur, in der sich 52 Prozent der Beziehungen finden. Auch mittelgroße oder kleine Netze entdeckten die Forscher: 189 Schüler und Schülerinnen bildeten Netze mit höchstens drei Knoten, 63 isolierte Paare.
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Die Studie "Chains of Affection: The Structure of Adolescent Romantic and Sexual Networks" von Peter S. Bearman, James Moody und Katherine Stovel ist im "American Journal of Sociology" erschienen (Band 110, S. 44-91).
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Mit Interviews dem Gefühlsleben auf den Grund gegangen
Für ihre Analyse interviewten die Soziologen 832 von rund tausend Schülerinnen und Schülern einer in "Jefferson High School" umbenannten Mittelschule.

Die Jugendlichen wurden gebeten, jene Mitschülerinnen und -schüler zu nennen, mit denen sie in den vergangenen 18 Monaten eine "romantische Beziehung" verband bzw. mit denen sie Sexualverkehr hatten.
Partner werden nicht im engsten Freundeskreis gesucht
259 gaben an, keine der beiden Beziehungen eingegangen zu sein. Der Rest (573 Jugendliche, von denen etwa die Hälfte Sexualverkehr hatten) wurde von den Soziologen hinsichtlich ihrer Partnerwahl genauer durchleuchtet.

Dass 52 Prozent der Schülerinnen und Schüler in einer ringförmigen Struktur mit einander verbunden waren, weist für die Forscher darauf hin, dass die Jugendlichen den neuen Partner nicht im direkten Umfeld suchen, sondern lieber einen Schritt über den engsten Freundeskreis hinaus machen.
Auch isolierte Zweier-Beziehungen gefunden
Neben der Ringstruktur stießen Peter Bearman, James Moody und Katherine Stovel auch auf einige kleinteiligere Elemente: So machten sie 63 "einfache" Paare, also zwei Personen, die nur miteinander eine Beziehung hatten, ausfindig.

Von 189 in romantische Verhältnisse involvierten Jugendlichen fühlten sich 35 Prozent mit höchstens drei Mitschülerinnen bzw. -schülern verbunden.
Netzwerkanalyse bedeutend für Präventionsarbeit
Die Netzwerkanalyse ist für die Forscher deswegen von Interesse, weil sie neue Schlussfolgerungen für die Prävention von Geschlechtskrankheiten und AIDS zulässt, erklärt James Moody in einer Presseaussendung der Ohio State University: Denn im Gegensatz zu Erwachsenen gibt es bei jungen Menschen offensichtlich nicht jene "Superspreader", die als Kern eines Netzwerks viele andere infizieren können und an die sich viele Präventionsprogramme richten.

"Bei Jugendlichen gibt es keine 'hubs', weshalb man sich möglichst breite Aufklärungskampagnen überlegen muss", so Moody. Es gibt keine "Risikogruppe", die man speziell ansprechen kann. Bei den Jugendlichen gilt eher das Motto: Egal, wen man informiert, jede(r) hat die gleiche Möglichkeit, den Kreislauf einer Krankheit zu unterbrechen.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 4.2.05
->   Ohio State University
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01.01.2010