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Nerven- und Lymphgefäße wachsen gleich gesteuert  
  Deutsche Forscher haben nun erstmals gezeigt, dass sich das Lymphgefäßsystem nach ähnlichen Prinzipien verzweigt wie feine Nervenfortsätze. Das Signal-Protein EphrinB2 spielt dabei eine zentrale Rolle.  
Ausgeklügeltes Signalsystem ...
Während der Entwicklung eines Lebewesens bilden sich aus einzelnen Zellen spezialisierte Gewebe und Systeme. Dazu müssen die Zellen Informationen erhalten, wo sie im Körper später ihre Funktionen ausüben und mit welchen Zellen sie ein gemeinsames Netzwerk oder Gefäßsystem bilden sollen.

Das erfolgt über ein ausgeklügeltes Signalsystem, dessen Funktionen man bisher hauptsächlich im Nervensystem studiert hatte.
... auch für Lymphsystem
Inzwischen mehren sich Hinweise, dass die Gene und Proteine, die das Verkabeln von Nervenzellen regulieren, auch Blutgefäße dirigieren.

Einen weiteren Baustein dazu liefern jetzt Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie: Das Signal-Protein EphrinB2 ist auch für die Ausbildung eines funktionierenden Lymphgefäßsystems essentiell.
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Der Artikel " PDZ interaction site in ephrinB2 is required for the remodeling of lymphatic vasculature" von Taija Mäkinen, George Wilkinson, Rüdiger Klein und Kollegen ist im Fachmagazin "Genes & Development" am 1. Februar 2005 erschienen (Band 19, S. 397-410).
->   Zum Original-Abstract
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Fortsätze dienen bei Nervenzellen der Vernetzung
Zellen, die am Aufbau von Blutgefäßen und Nerven-Netzwerken beteiligt sind, müssen miteinander in Kontakt treten, um sich zu vernetzen oder ihren Weg zu finden. Dazu bilden die Zellen während ihres Wachstums unterschiedliche Fortsätze aus, die durch verschiedene Faktoren gesteuert werden.

Nervenzellen bilden so genannte Axone, an deren Spitze sich ein Wachstumskegel befindet, der die Umgebung nach Signalen ertastet. Vom Wachstumskegel gehen fingerförmige Fortsätze aus, die mit Empfänger-Proteinen für chemische Signale besetzt sind.
Ephrine und ihre Rezeptoren sorgen für Anziehung ...
Die Max-Planck-Wissenschaftler um Rüdiger Klein haben sich auf die "Sender-Proteine" (Ephrine) und die "Empfänger-Proteine" (Eph-Rezeptoren) spezialisiert. Über eine Verankerung in der Zellmembran sitzen diese Proteine fest auf der Oberfläche oder in der Membran jener Zellen, die sich begegnen.

Jeweils ein Ephrin-Ligand der "Weg-suchenden" Zelle kann mit einem Eph-Rezeptor einer "Weg-weisenden" Zelle binden oder umgekehrt.
... durch Signalweiterleitung in das Innere der Zelle
Sie bilden einen so genannten Ephrin/Eph-Komplex, eine feste Verbindung, über die das Rezeptorprotein - wie eine Antenne - ein Signal in das Innere jener Zelle weitergibt, auf der es sitzt.

Dadurch werden zelluläre Prozesse ausgelöst, die schließlich dazu führen, dass sich die Zellen oder ihre Fortsätze entweder abstoßen oder anziehen.
Ähnliche Umbauprozesse bei Lymphgefäßen
Schon länger bekannt war die Bedeutung von EphrinB2 für die Entwicklung des embryonalen Blutgefäßsystems. EphrinB2 reguliert die Neubildung und das Wachstum von Kapillaren, ähnlich wie Nervenfortsätze im Gehirn.

In ihrer neuesten Arbeit haben Taija Mäkinen, George Wilkinson und Rüdiger Klein nun entdeckt, dass Lymphgefäße gleichartigen Umgestaltungsprozessen unterworfen sind, wie man sie bereits bei Blutgefäßen kennt.
Fortsätze ertasten chemische Signale der Umgebung
Einzelne Zellen, die die Gefäße auskleiden, so genannte Endothelzellen, lösen sich aus dem Zellverband und bilden - ähnlich wie die neuronalen Wachstumskegel bei Nervenzellen - lange Fortsätze, mit denen sie offensichtlich chemische Signale aus der Umgebung ertasten.

Die Zellen mit den Fortsätzen sind die treibende Kraft, neue Lymphkapillaren zu bilden. Ephrine und Eph-Rezeptoren sind auch an der Umgestaltung von Lymphgefäßen im Hautgewebe von Mäusen beteiligt und kontrollieren dadurch den Transport der Lymphe zurück in den Blutkreislauf.
Geringere Verästelungen deutlich sichtbar
 
Bild: Max Planck Gesellschaft

Die Abbildung zeigt ein normales Lymphgefässsystem an Tag1 nach der Geburt (obere Bildreihe) und am Tag 3 nach der Geburt (Bildreihe unten). Die Bilder in der linken Spalte (oben Tag 1, unten Tag 3 nach der Geburt) zeigen Lymphgefäße einer sich normal entwickelnden Maus.

In der rechten Spalte (oben Tag 1, unten Tag 3 nach der Geburt) sind Aufnahmen der Lymphgefäße von Mäusen, bei denen das Gen für die korrekte Struktur von EphrinB2 verändert wurde.

Das Fehlen von kapillaren Aussprossungen in der ephrinB2-Mutante an Tag 3 sind im rechten unteren Foto klar zu erkennen.
Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden
Die Entdeckung, dass auch das Lymphgefäßsystem durch Ephrine umfangreichen Umgestaltungen unterworfen wird, belegt: Blut- und Lymphgefäßsysteme kopieren Mechanismen, die sich bereits erfolgreich bei der Vernetzung von Nervenzellen entwickelt hatten.

Mit anderen Worten: Die Natur setzt bewährte Systeme mehrfach ein und hat nicht für jeden Entwicklungsbereich das Rad neu erfunden.

[science.ORF.at/, 7.2.05]
->   Max-Planck-Institut für Neurobiologie
 
 
 
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01.01.2010