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Erste habilitierte Gerichtsmedizinerin in Österreich  
  An der Medizinischen Universität Wien hat sich vergangene Woche die erste Frau Österreichs im Fach Gerichtsmedizin habilitiert. Ihr Fach: Die so genannte "Forensische Gerontologie".  
Andrea Berzlanovich, die seit 1990 am Institut für Gerichtliche Medizin arbeitet, brach mit ihrer Habilitation in eine absolute Männerdomäne ein.
Akzeptanzprobleme zu Karrierebeginn
"Die Gerichtsmedizin ist in Männerhand, und das ist ein weltweites Phänomen", betonte Berzlanovich. Und sie erinnert sich an Akzeptanzprobleme vor allem am Beginn ihrer Karriere.

"Der letzte Durchbruch war dann aber nicht mehr so schwer" - auch wenn sie die allererste war, die nach der neuen Habilitations-Ordnung an der MUW mit deutlich höheren Anforderungen als früher ihre Lehrbefugnis erworben hat.

Für Berzlanovich ist das aber kein Grund, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen: Bereits im März wechselt sie für ein Forschungsjahr an das Institut für Rechtsmedizin nach München.
Fachgebiet: Forensische Gerontologie
Überzeugen konnte die Gerichtsmedizinerin mit ihrer Habil-Arbeit, mit der sie gleich einen neuen Zweig ihres Fachs begründete: die "Forensische Gerontologie". Sie hat dabei auf ihre umfangreiche Arbeit der vergangenen 15 Jahre zurückgreifen können, in denen sie fast 10.000 Leichen obduziert hat.

Zusätzlich hat sie über 24.000 Obduktionsprotokolle ihres Instituts ausgewertet, die Todesursachen aller Über-85-Jährigen untersucht, die außerhalb von Krankenhäusern und Pflegeheimen plötzlich verstarben und auch die Todesursachen von Über-100-jährigen analysiert.
"Todesursache Altersschwäche gibt es nicht"
Berzlanovichs überraschendes Ergebnis ihrer Studien: Die Todesursache "Altersschwäche", wie sie auf vielen Totenscheinen natürlich verstorbener älterer Menschen vermerkt ist, gibt es nicht.

"Ich habe zumindest immer eine eindeutige Todesursache feststellen können", so die Medizinerin. Selbst die Leichenöffnung des ältesten am Wiener Institut obduzierten, im Alter von 108 Jahren verstorbenen Mannes habe einen Herzinfarkt als eindeutige Todesursache ergeben.
Anteil der älteren Bevölkerung steigt
Angesichts der erwarteten demographischen Entwicklung sind solche Arbeiten von entscheidender Bedeutung für eine gute medizinische Betreuung älterer Menschen:

In den nächsten Jahren wird den Prognosen zufolge der Anteil der älteren Bevölkerung stark ansteigen, darunter jener der Über-85-Jährigen am stärksten.

Weltweit sind derzeit schätzungsweise 135.000 Menschen über 100 Jahre alt, im Jahr 2050 sollen es über zwei Millionen sein. In Österreich gab es 1950 nur vier Über-100-Jährige, inzwischen sind es mehr als 400, und 2007 werden es über 500 sein.
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Viele Über-100-Jährige versterben symptomlos
"60 Prozent der Über-100-Jährigen versterben symptomlos", betonte Berzlanovich. Es sei beispielsweise für Notärzte wichtig zu wissen, dass etwa ein Herzinfarkt oder eine Lungenentzündung bei älteren Menschen deutlich anders verläuft als bei jungen.
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Todesursache: Kehlkopfblockade
Berzlanovich hat im Rahmen ihrer Habilitation eine weitere spezielle Problematik untersucht: so genannte Bolustodesfälle. Dabei kommt es zu einem Herzstillstand, wenn durch einen großen Bissen oder Fremdkörper der Kehlkopfeingang plötzlich verschlossen wird.

Nach Untersuchung der Gerichtsmedizinerin wird gerade bei älteren Menschen diese Todesursache oft nicht erkannt. Auch Notärzte und Sanitäter würden viel zu selten daran denken, wenn sie zu plötzlich zusammengebrochenen alten Menschen gerufen werden.

Schließlich könnten aus den von Berzlanovich gewonnenen Erkenntnissen auch Hinweise für die Entwicklung von "Sicherheitsnahrung" für ältere Menschen gewonnen werden.

[science.ORF.at/APA, 9.2.05]
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01.01.2010