News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Studie: "Gebrochene Herzen" heilen wieder  
  Das sprichwörtliche "gebrochene Herz" gibt es tatsächlich. Nach schockartigen Erlebnissen wie dem plötzlichen Tod eines geliebten Menschen kann die Menge an Stresshormonen im Körper so stark ansteigen, dass das Herz davon kurzfristig "gelähmt" wird. Britische Mediziner bezeichnen dieses Krankheitsbild als eine durch Stress induzierte Kardiomyopathie.  
Andere körperliche Begleiterscheinungen als bei Infarkt
Die Wissenschaftler der Johns Hopkins University School of Medicine untersuchten 19 Fälle von - vermutetem - "gebrochenem Herzen" und stellten deutlich andere körperliche Begleiterscheinungen als etwa beim Herzinfarkt fest:

So konnten keine blockierten Arterien und auch kein erhöhter Level von Herzenzymen im Blut gefunden werden. Außerdem erholten sich die Patienten deutlich schneller und ohne langfristige Schädigung des Herzmuskels.

Mit ihrer Studie möchten die Forscher Krankenhausärzte vor Verwechslungen mit dem klassischen Herzinfarkt bewahren und Patienten die Angst vor Dauerschäden nehmen.
...
Die Studie "Neurohumoral Features of Myocardial Stunning Due to Sudden Emotional Stress" von Ilan Wittstein, Hunter Champion und Kollegen ist am 10. Februar 2005 im "New England Journal of Medicine" (NEJM; Bd. 352, S. 539) erschienen.
->   Original-Abstract im NEJM
...
Emotional bewegende Situation vor infarkt-ähnlichem Anfall
Für ihre Studie durchleuchteten die Mediziner 18 Frauen und einen Mann, die zwischen November 1999 und September 2003 in die Johns-Hopkins-Klinik eingeliefert wurden. Die Patienten waren zwischen 27 und 87 Jahre alt, das Durchschnittsalter betrug 63.

Alle hatten deutliche Anzeichen eines Herzinfarkts nach einem emotional besonders bewegenden Erlebnis: Darunter waren Todesnachrichten genauso wie der Schock einer Überraschungsfeier, Angst vor einem öffentlichen Auftritt oder ein Autounfall.
Keine Vernarbung des Herzmuskels
Die Mediziner analysierten die Ergebnisse der Untersuchungen, die an den Patienten nach ihrer Einlieferung durchgeführt wurden, und stellten deutliche Unterschiede zu Infarktfällen fest. So zeigten auch Magnetresonanz-Bilder keine Vernarbung des Herzmuskels. Außerdem hatten die Patienten vor der Attacke nicht über Herzprobleme geklagt.

Es musste sich also um ein anderes Krankheitsbild handeln, wofür die die Wissenschaftler den Ausdruck "Stress-Kardiomyopathie" prägten.
...
Kardiomyopathie: Herzerkrankung mit Fehlfunktion
Unter dem Begriff "Kardiomyopathie" werden Erkrankungen des Herzmuskels subsumiert, die mit einer Fehlfunktion des Herzens einhergehen.

Die bekanntesten Krankheitsbilder sind die "dilatative Kardiomyopathie", bei der sich Herzkammern und -vorhöfe vergrößern, wodurch die Pumpfähigkeit abnimmt, und die "hypertrophe Kardiomyopathie": Dabei verdicken sich die Herzmuskelwände, besonders der linken Herzkammer und der Kammerscheidewand. Auch bei diesem Syndrom nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit ab.
->   Mehr zur Kardiomyopathie bei Wikipedia
...
Deutlich erhöhte Mengen von Adrenalin und Noradrenalin
Den biochemischen Prozess, der zur Stress-Kardiomyopathie führt, erklären die Forscher so: Die überraschende Situation führte im Körper der Patienten zu einem plötzlichen Anstieg von Katecholaminen - Substanzen, die die Leistungsfähigkeit des Herzens normalerweise nur kurzfristig steigern. Besonders bekannt unter den Katecholaminen sind Adrenalin und Noradrenalin.

Die Menge der Katecholamine im Blut der Patienten mit dem vermuteten gebrochenen Herzen war während mehrerer Tage sieben bis 34-fach höher als bei gesunden Menschen. Außerdem wurden deutlich mehr Proteine im Blut gefunden, deren Produktion erwiesenermaßen durch ein erregtes Nervensystem gefördert wird.
Herzvergiftung löst Infarkt-ähnliche Symptome aus
Diese Substanzen können das Herz zeitweise "vergiften", erklären die Wissenschaftler in einer Presseaussendung der Johns Hopkins Universität. Sie würden den Herzmuskel lahm legen und damit ähnliche Symptome wie bei einem Infarkt auslösen: Brustschmerzen, Kurzatmigkeit und Wasser in den der Lunge.
Genaue Wirkung der Katecholamine noch nicht geklärt
Wie genau die Stresshormone das Herz stocken lassen, ist laut Angaben der britischen Mediziner noch nicht geklärt: Eine Verkrampfung der Herzschlagadern sei genauso möglich wie eine direkte toxische Wirkung der Katecholamine auf den Herzmuskel oder eine Überlastung des Herzens durch zu viel Kalzium.

Im nächsten Forschungsprojekt wollen die Wissenschaftler den genauen Mechanismus klären und auch herausfinden, warum besonders häufig ältere Frauen von Stress-Kardiomyopathie betroffen sind.
"Gebrochene Herzen" verheilten innerhalb von zwei Wochen
Mit der jetzigen Arbeit wenden sich die Forscher an Ärzte und Patienten: Erstere möchten sie vor vorschnellen Infarkt-Diagnosen warnen.

Und Zweiteren soll die Angst vor bleibenden Schäden genommen werden. Denn wie sich bei den analysierten Fällen zeigte, verheilten die "gebrochenen Herzen" ohne Narbe innerhalb von maximal zwei Wochen.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 10.2.05
->   Johns Hopkins Medicine
->   Mehr zum Thema "Herz" im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010